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Arzneistoffentwicklung: Auf der Suche nach neuen NSAR

Bleibt der Wunsch nach nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) mit der Potenz von Glucocorticosteroiden weiterhin nur eine Vision, oder wird er doch in absehbarer Zeit Wirklichkeit? Prof. Dr. Matthias Lehr, Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster, erörterte diese Frage in einem Vortrag über die zytosolische Phospholipase A2 als Target für die Entwicklung neuer Antiphlogistika, den er am 27. November 2001 in Greifswald hielt.

Rheumatoide Arthritis

Die Rheumatoide Arthritis stellt die häufigste Form der entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises dar. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, das heißt, dass der Entzündungsprozess des Körpers gegen sich selbst gerichtet ist. In Deutschland sind etwa eine Million Patienten davon betroffen. Bereits durchschnittlich fünf Jahre nach dem Ausbruch der Erkrankung tritt die Berufsunfähigkeit ein, die Lebenserwartung dieser Patienten ist ebenfalls statistischen Erhebungen zufolge vermindert.

Die Standardtherapeutika wie z. B. Indometacin, Diclofenac und Celecoxib lindern zwar die Schmerzen, verhindern jedoch die Zerstörung des Gewebes nicht. Basistherapeutika wie Sulfasalazin, Chloroquin, Goldverbindungen oder D-Penicillamin entfalten, laut Lehr, unbekannte Wirkungen und sind insgesamt nicht besonders erfolgreich.

Immunsuppressiva wie Methotrexat, Cyclophosphamid oder Azathioprin sowie Glucocorticoide greifen am Beginn des Entzündungsgeschehens ein und helfen gut, zeichnen sich allerdings durch starke Nebenwirkungen aus.

Phospholipasen als Target für Antirheumatika

Es ist also naheliegend, neue Substanzen zu suchen, die zwar in der Wirkstärke mit den Glucocorticoiden vergleichbar sind, aber deren starke Nebenwirkungen nicht aufweisen.

Als Zielenzym für solche Wirkstoffe können die Phospholipasen A2 dienen. Diese werden in sekretorische PLA2, (mit Histidin im aktiven Zentrum) und zytosolische PLA2 (cPLA2, mit Serin im aktiven Zentrum) unterteilt und sind u. a. für die Freisetzung der Arachidonsäure aus den Phospholipiden verantwortlich.

Dass Überleben trotz Abschaltens der Arachidonsäurekaskade möglich ist, wurde im Tiermodell an cPLA2-losen Mäusen gezeigt, die sich normal entwickelten und bei denen induzierte rheumatoide Zustände glimpflicher verliefen als bei der Kontrollgruppe. Allerdings waren die positiven Beobachtungen durch die Tatsache getrübt, dass diese Mäuse unfruchtbar waren.

Testmethoden

Die Struktur der cPLA2 war bis 1999 unbekannt, die Röntgenstrukturanalyse zeigte dann, dass das aktive Zentrum zunächst verschlossen ist und erst nach einer Aktivierung freigegeben wird, wodurch die Substratspaltung möglich wird.

Zur Testung potenzieller Inhibitoren wurde ein spezielles Testsystem entwickelt, die Auswertung erfolgt entweder turbodimetrisch, durch Messung der Lactatdehydrogenasekonzentration oder (am erfolgversprechendsten) der Serotoninkonzentration. Es gilt dabei zu beachten, dass falsch positive Ergebnisse durch Lyse der verwendeten Thrombozyten sicher ausgeschlossen werden.

Leitsubstanz und Molekülvariationen

Als potenzielle Inhibitoren, die an Stelle des Substrats im aktiven Zentrum binden, prüfte man phospholipidähnliche Verbindungen. Nach langer Suche konnte mit 1-Methyl-3-octadecanoylindol-2-carbonsäure eine geeignete Leitverbindung gefunden werden, die zahlreichen Modifikationen unterworfen wurde. Dabei brachte die Rigidisierung der Kette nicht die erhoffte Wirkungssteigerung mit sich. Die Einführung polarer Reste zur Erhöhung der polaren Wechselwirkungen führte sogar zu Wirkverlusten, auch durch Kettenverlängerung gelang keine Wirkungsverstärkung.

Wirkungsprofil noch nicht ideal

Bei In-vivo-Tests haben die Substanzen bei peroraler Applikation die Wirkung von Indometacin nicht übertroffen, dies war aber der Fall bei der intraperitonealen Applikation. Der Redner formulierte nüchtern die Probleme, die im Zusammenhang mit den untersuchten Substanzen deutlich werden: Die Substanzen sind teilweise zytotoxisch; ihre Lipophilie, ausgedrückt als LogP-Wert, ist zu hoch, woraus eine schlechte Bioverfügbarkeit resultiert. Außerdem wurde eine starke Plasmaproteinbindung beobachtet. Bis zur Einführung effektiver Substanzen sind folglich noch zahlreiche Optimierungsschritte erforderlich.

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