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Eigentlich ist es unvorstellbar, dass Menschen in Anbetracht von überquellenden Supermarktregalen und einem das ganze Jahr über gleichbleibend vielfältigen Lebensmittelangebot in Deutschland mangelernährt sein sollen. Unvorstellbar und dennoch nicht unmöglich – ja noch nicht einmal besonders selten. Laut Aussage des Deutschen Instituts für Ernährungsmedizin und Diätetik zählt die Mangelernährung in Krankenhäusern, Pflegeheimen und auch im häuslichen Bereich zu den häufigsten Krankheitsbildern bei älteren Menschen. Etwa 80% der Senioren in Pflegeeinrichtungen oder Kliniken sind davon betroffen. Die Ursachen sind vielfältig: Bei den einen lässt der Appetit nach und sie wollen nicht mehr essen, bei den anderen wäre der Wille zwar vorhanden, aber sie können nicht, z. B. weil die Zähne nicht mehr mitmachen, der Gang zum Supermarkt eine unüberwindliche Hürde darstellt oder der Umgang mit Messer und Gabel nicht mehr richtig funktioniert. Dass derartige Probleme bei alleinlebenden alten Menschen in einer Mangelernährung münden können, kann man sich vorstellen. Dass aber derartig viele Senioren in betreuten Einrichtungen darunter leiden, ist eigentlich unvorstellbar. Stellt sich die Frage, woran es liegt? Nun, Schuld für die Mangelernährung bei Senioren ist offenbar in erster Linie ein Mangel an Aufmerksamkeit – an Aufmerksamkeit für die veränderten Ernährungsbedürfnisse von alten Menschen. Beispielsweise für den gesteigerten Eiweiß- und Vitaminbedarf oder für die Notwendigkeit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Mangelnde Aufmerksamkeit auch dafür, dass Vieles einfach nicht mehr richtig schmeckt und deshalb nicht gegessen wird oder aus Angst vor Kau- und Schluckbeschwerden auf dem Teller zurückbleibt.

Mangelnde Aufmerksamkeit – warum eigentlich? Sicherlich liegt es nicht an mangelndem Willen. Dies dürfte weder bei Betreuern noch bei den Senioren selbst die Ursache für die Ernährungsversäumnisse sein. Eher denkbar ist es, dass mangelndes Wissen hierbei eine Rolle spielt. Wenn man nicht weiß, wie wichtig Vitamine sind, wird man sich nicht zwingen, täglich Obst und Gemüse zu essen, obwohl einem eher nach Pudding und Suppe zumute ist. Und wenn man nicht ständig daran denkt, dass eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr das A und O ist, wird man sich auch keine zwei Flaschen Mineralwasser neben das Sofa stellen und zwischendurch noch Tee kochen. Das funktioniert ja schon bei den meisten jungen Menschen nicht. Wie soll es dann bei älteren Personen klappen, bei denen die körperlichen und vielleicht auch die geistigen Kräfte allmählich nachlassen?

Ist die Mangelernährung von Senioren also nicht nur unvorstellbar, sondern auch unvermeidbar? Sicher nicht. Gegen mangelnden Willen anzukämpfen, wäre schwierig, gegen mangelndes Wissen lässt sich jedoch etwas tun. Wie immer heißt das Zauberwort "Beratung" und wie in so vielen anderen Fällen eignet sich auch in diesem die Apotheke hervorragend als Ort für diese Tätigkeit. Wer sonst hat die Gelegenheit, Kunden über Jahre hinweg zu betreuen und somit altersbedingte Veränderungen frühzeitig zu erkennen? Warum wohl suchen so viele ältere Menschen regelmäßig den Kontakt in der Apotheke? Die Rezepte vom Arzt oder der Hustensaft aus dem Selbstmedikationssortiment sind dafür nur der halbe Grund – aber das wissen Sie ja sicher selbst am besten.

Als Unterstützung für Ihre Tätigkeit und als kleinen Ansporn, das Thema "Senioren und Ernährung" wieder einmal als Beratungsschwerpunkt aufzugreifen, haben wir in dieser Ausgabe in der Rubrik "Ernährung" den Artikel "Verhungern im Schlaraffenland" für Sie bereitgestellt.

Passend dazu finden Sie in der Rubrik "ComPharm" einige Surftipps für Senioren und am Ende des Heftes eine Seite "Info Info Info", auf der die wichtigesten Ernährungsregeln für alte Menschen zusammengefasst sind. Sie können die Seite heraustrennen, kopieren und auslegen. Vielleicht ergibt sich daraus ja schon das nächste Beratungsgespräch. Zum Herausnehmen ist auch der Fragebogen zur Beratungskompetenz bei Krebspatienten, den Sie ebenfalls am Ende dieser Ausgabe finden.

Der "kompetente Krebspatient", der sich heute immer öfter von seiner Apotheke Hilfestellung bei der Orientierung in seiner Krankheit und Lebensgestaltung erhofft, war im vergangenen Jahr Thema von verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen. Auf diesen wurde von vielen Teilnehmern die Bitte nach einer Dokumentation geäußert.

Dieser Bitte möchte die Klinik für Tumorbiologie in Freiburg gemeinsam mit der DAZ mit einem entsprechenden Leitfaden nachkommen. Damit dieser möglichst praxisnah wird, sollen darin Ihre Erfahrungen bei der Beratung von Krebspatienten verwertet werden. Wir bitten Sie daher, sich ein wenig Zeit zu nehmen und uns diese Erfahrungen mithilfe des Fragebogens mitzuteilen. Für Ihre Unterstützung danken wir Ihnen ganz herzlich – und natürlich haben wir für alle, die mitmachen, auch ein kleines Dankeschön parat. Welches, können Sie in DAZ aktuell erfahren. Also schlagen Sie schnell das Heft auf – wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Beatrice Rall

Unvorstellbar?

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