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Runder Tisch im Gesundheitswesen: JA zum Arzneimittelversand, aber...
Schmidt sagte nach der letzten Sitzung des Runden Tischs im Schloss Groß Ziethen bei Berlin, man sei "ganz gewaltige Schritte nach vorne gekommen". Großes Thema war die Arzneimittelversorgung. Bereits in der letzten Sitzung Ende Januar dieses Jahres war man übereingekommen, ein Kosten-Nutzen-Bewertung für Medikamente einzuführen und die Arzneimittelpreisverordnung zu überarbeiten.
Diesmal stand der Versandhandel mit Medikamenten auf der Tagesordnung. Das Thema nahm bei der dreistündigen Sitzung gut die Hälfte der Zeit in Anspruch. Herausgekommen ist dabei eine gemeinsame Empfehlung, wonach der Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland ermöglicht werden soll. Schmidt betonte jedoch, dass vor der tatsächlichen Freigabe zwei essentielle Grundvoraussetzungen zu erfüllen seien:
- Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz müssen gewährleistet sein: d. h. erforderlich ist die Verkehrsfähigkeit der Arzneimittel und die Pharmakovigilanz nach dem deutschen Arzneimittelgesetz. Zudem bedarf es die volle und verständliche Verbraucherinformation in deutscher Sprache sowie die Sicherung der Patientenrechte entsprechend dem deutschen Arzneimittel- und Apothekenrecht.
- Faire Wettbewerbsbedingungen müssen die Versorgungssicherheit sicherstellen: Jede Apotheke muss ihrem gesetzlichen Auftrag, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, nachkommen können. Die zeit- und wohnortnahe Versorgung der Patienten darf nicht gefährdet werden.
Die Ministerin erläuterte, man wolle eigene Standards festlegen, unter welchen Bedingungen sich der Versandhandel auch in Deutschland öffnen könne, "bevor uns Europa etwas vorschreibt". Sie glaube, dass sich die meisten Menschen auch weiterhin ihre Medikamente in der Apotheke holen werden. Erfahrungen aus dem Ausland zeigten, dass der Versandhandel regelmäßig nur einen geringen Marktanteil am Gesamtgeschäft mit Arzneimitteln habe.
Schmidt legt zudem Wert darauf, dass der Patient selbst entscheiden kann, wo er seine Medikamente kauft: "Keine Kasse darf ihren Versicherten den Versand aufdrängen". Im Zusammenhang mit der Ermöglichung des Versands müsse nun das gesamte Preissystem "durchforstet" werden. So müsse die Preisspannenverordnung geändert und über die Preisbindung bei OTC-Arzneimitteln nachgedacht werden.
Ablehnung nur bei Apothekern und Zahnärzten
Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Hans-Günter Friese, versicherte, sich mit aller Kraft für die Position der Apotheker eingesetzt und alle Argumente vorgebracht zu haben. Dennoch: Von den 24 Teilnehmern am Runden Tisch stimmten lediglich die Apotheker und Zahnärzte gegen die Empfehlung, Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung enthielten sich der Stimme. Damit hat auch die pharmazeutische Industrie für die Zulassung des Versandhandels votiert.
Friese: Mindestanforderungen sind ein Erfolg
Friese erklärte im Anschluss an die Sitzung, die ABDA stehe "der heutigen Beschlussempfehlung zum Arzneimittelversand diametral entgegen". Der Versandhandel, insbesondere aus dem Ausland, sei "nicht so sicher, nicht so schnell und nicht so kostengünstig" wie es im heutigen deutschen Distributionssystem der Fall sei. Es stehe zu befürchten, dass das Arzneimittel nicht mehr als "Ware besonderer Art" gewertet werde, sondern "mehr und mehr als Konsumware", so der ABDA-Präsident. Allerdings sei anzuerkennen, "dass als Voraussetzung für einen Versandhandel exakte Definitionen beschlossen worden sind", die vor dessen Freigabe erfüllt werden müssen. Es sei ein "Erfolg", dass damit Mindestanforderungen festgelegt wurden, die auch der Versand erfüllen müsse. Im Hinblick auf zu erwartende europarechtliche Anordnungen erinnere ihn das Unterfangen allerdings an eine "Quadratur des Kreises". Friese bot jedoch trotz allem an, sich an der weiteren Definition der Voraussetzungen zu beteiligen und für kommende konstruktive Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Empfehlungen zur integrierten Versorgung und Prävention
Der Arzneimittelversandhandel war nicht das einzige Thema am Runden Tisch. Es wurde zudem die Empfehlung ausgesprochen, den einheitlichen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung beizubehalten und die integrierte Versorgung auszubauen. Schmidt betonte, die integrierte Versorgung müsse zukünftig "ein viel stärkeres Gewicht haben als heute". Dazu sollen neben den derzeit üblichen Kollektivverträgen auch Einzelverträge zwischen den Krankenkassen und besonders qualifizierten Leistungserbringern möglich werden. Darüber hinaus sprach sich der Runde Tisch dafür aus, die Anhörungs- und Beteiligungsrechte von Patienten in den Ausschüssen zu stärken.
Weiterhin gaben die Teilnehmer des Runden Tischs die Empfehlung ab, die Prävention zum Leitziel der Gesundheitsversorgung zu erheben. Dazu soll ein "Deutsches Forum Prävention und Gesundheitsförderung" ins Leben gerufen werden. Alle Beteiligten haben sich dazu verpflichtet, an einer noch zu schaffenden Kommunikationsplattform mitzuwirken und damit die Transparenz für Anbieter und Nutzer zu verbessern und gemeinsame Aktivitäten zu organisieren. Auch für die Finanzierung des Präventionsforums sollen gemeinsame Lösungen gefunden werden.
Der Runde Tisch empfahl zudem, die Hilfsmittelrichtlinien durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit dem Ziel zu überarbeiten, die Effizienz und Qualität der Versorgung mit Hilfsmitteln zu verbessern. Mit dem gleichen Ziel sollen die Vertragsstrukturen in der Hilfsmittelversorgung weiterentwickelt werden.
Kein Konsens bei Finanzierungsfragen
Was Finanzierungsreformen innerhalb der GKV betrifft, blieb die Sitzung des Runden Tischs allerdings ergebnislos. In dieser Frage gingen die Interessen der Beteiligten zu weit auseinander. Es blieb dabei, die unterschiedlichen Ideen aufzulisten, ohne jedoch ein gemeinsames Konzept zu finden. Auch wenn solch zentrale Fragen in den insgesamt vier Sitzungen des Runden Tischs nicht gelöst werden konnten, waren sich viele der Beteiligten einig, dass die von Schmidt initiierten Treffen sinnvoll gewesen seien und jedenfalls Teilerfolge hervorgebracht hätten. So erklärte auch Friese, es sei allemal besser gewesen, sich gelegentlich persönlich zu unterhalten, als die Argumente nur schriftlich auszutauschen.
Union und Pharmaindustrie kritisieren Arbeit am Runden Tisch
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Lohmann konnte den am Runden Tisch gewonnenen Ergebnissen hingegen nichts abgewinnen. "Außer Spesen nichts gewesen" lautet sein Fazit. In keiner der wirklich entscheidenden Fragen sei es zu einer Einigung gekommen. Auch den Versandhandel lehnt die Union aus Gründen der Arzneimittelsicherheit ab. Öffentliche Apotheken müssten weiterhin die Akutversorgung mit Arzneimitteln sicherstellen, erklärte Lohmann. Dies sei nur möglich, wenn es nicht zu einer "Rosinenpickerei und Wettbewerbsverzerrungen" komme.
Patrick Schwarz-Schütte, Vorstandsmitglied des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), betrachtet den Runden Tisch ebenfalls als gescheitert: "Gut gemeint, aber schlecht gemacht" bringt er es auf den Punkt. Weder seien Antworten auf Finanzierungsengpässe im Gesundheitswesen gegeben worden, noch habe man erreicht, dass die "Monopolstrukturen im Gesundheitssystem aufgebrochen werden". Der VFA unterstützte jedoch die Zulassung des Arzneimittelversands unter den vereinbarten Voraussetzungen. Nur unter diesen Bedingungen könnten neue Vertriebsformen tatsächlich Nutzen für die Patienten stiften, erklärte Schwarz-Schütte.
Auch für den Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) haben sich die Erwartungen an den Runden Tisch nicht erfüllt. BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp erkannte zwar an, dass die Diskussionen am Runden Tisch engagiert geführt wurden, "die Positionen der an der gesundheitlichen Versorgung Beteiligten liegen aber nach wie vor weit auseinander und der Ministerin ist hier leider keine Integration gelungen". Enttäuschend sei vor allem gewesen, dass die Debatte um die Kostendämpfung zu Lasten der Debatte um Qualitätsentwicklung und -sicherung dominiert habe. Es habe sich nicht die Erkenntnis breit gemacht, dass Arzneimittel eine preisgünstige und qualitativ hochwertige Therapie ermöglichen können, so Fahrenkamp.
Der Runde Tisch im Gesundheitswesen hat am 22. April die Empfehlung ausgesprochen, den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland zuzulassen. Voraussetzung für die Freigabe sei jedoch, dass die Arzneimittelsicherheit, der Verbraucherschutz, die Versorgungssicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen sichergestellt sind, erklärte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Diese Mindestanforderungen sollen nun im Ministerium definiert werden.
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