Wirtschaft

Mit neuen Strategien in die Zukunft

Bereits ab Juli 2002 soll Disease Management in deutschen Apotheken möglich werden. Dann könnten Apotheken erstmals für ihre Leistungen und nicht nur für die abgegebenen Produkte von den Krankenkassen honoriert werden, doch sind noch viele Fragen offen. Dies und viele weitere strategische Konzepte für die Apothekenzukunft waren Themen auf dem 7. Apotheken-Strategie-Wirtschaftsforum, das vom 9. bis 11. Mai in Oberhausen stattfand.

Das Programm reichte vom Wahlkampfgeschehen über wissenschaftliche Konzepte für das Gesundheitswesen bis zu allgemein anwendbaren Management- und Marketingstrategien. An der Tagung, die von Jörg Focke, Oberhausen, Geschäftsführer des Apothekeneinrichters Heitfeld, in Zusammenarbeit mit den Firmen Dr. Ing. Stahl und Hexal organisiert und veranstaltet wurde, nahmen etwa 150 Besucher teil. Über einige aktuelle politische Aspekte berichteten wir bereits in DAZ 20 und AZ 21.

Marktwirtschaftliche Steuerung in Gesundheitswesen

Nach Ansicht des Public-Health-Forschers Prof. Dr. Bernhard Güntert, Bielefeld, wird das Gesundheitswesen besonders in Deutschland viel zu sehr als Kostenfaktor und zu wenig als Innovations- und Beschäftigungsfaktor gesehen. Für die Zukunft bestehe zwischen den Parteien der Konsens, zunehmend Marktstrukturen als Regulations- und Allokationsinstrument zu nutzen.

Die früher praktizierte Steuerung über die Zuweisung von Ressourcen wird zu einer Steuerung anhand von Leistungs- und Verhaltenszielen umgebaut. Beispiele hierfür sind DRG's (Diagnosis Related Groups) und die integrierte Versorgung. Dazu müssen Prozesse und Leistungen transparent und Ergebnisse messbar werden, was lange Zeit von den Leistungserbringern zurückgewiesen wurde. Doch dürfte die Steuerung auch in Zukunft durch die Asymmetrie der Informationsverteilung behindert werden.

Problematische Apothekenzukunft

Aufgrund internationaler Erfahrungen erwartet Güntert für den deutschen Arzneimittelmarkt in Zukunft vermehrte Switches vom verschreibungspflichtigen Sektor in den OTC-Markt. Zudem würden Institutionen etabliert, die den amerikanischen Pharmaceutical Benefit Managern entsprechen, obwohl diese dort in der Bevölkerung sehr unbeliebt seien.

Außerdem würden langfristig Versandapotheken mit etwa 10% des Arzneimittelumsatzes und Apothekenketten entstehen. Doch könne das Gesundheitswesen kein freier Markt werden, eine Steuerung sei nötig. Information und Beratung durch Apotheken sei für die Patienten unverzichtbar und müsse auch bezahlt werden. Dafür müssten die Apotheken eine faire Wettbewerbsposition erhalten.

Wettbewerb bedeutet Wahlmöglichkeit

Auch Prof. Dr. Günter Neubauer, München, sieht im Gesundheitswesen einen klaren Trend weg von der Selbstkostendeckung zur leistungsbezogenen Vergütung. Die Gesellschaft werde insgesamt individueller und differenzierter, während der früher verbreitete Solidaritätsgedanke im Berufs- und Privatleben immer weniger zu erleben sei und daher auch im Gesundheitswesen nicht mehr überzeugen könne. Als weitere Trends würden die demografische Entwicklung und die globale Transparenz und Mobilität, die den Menschen vielfältige Eindrücke vermittelt, wirken. Das Ergebnis sei mehr Wettbewerb. Dieser bestehe aber nicht in einer Ellenbogenmentalität, sondern bedeute primär, dass es stets eine Auswahlmöglichkeit zwischen Alternativen gebe.

Wie die Bundesbank ermittelt habe, bedeutet die derzeitige Krankenversicherung für junge Versicherte im Vergleich zu einer risikoadäquaten privaten Absicherung einen sicheren finanziellen Verlust in erheblicher Höhe. Dies sei eine Ausbeutung durch den Staat und wirke daher wie eine neue "Berliner Mauer", die eben so wenig Bestand haben könne wie frühere Zwangsmaßnahmen.

Disease Management in Theorie ...

Eine mögliche Lösung des Problems bilde die Effizienzsteigerung durch Integration der verschiedenen Leistungsbereiche. Die Integration könne aber nur gelingen, wenn sie durch geeignete Vergütungsformen gesteuert werde. Derzeit besonders interessant sei Disease Management, da im Rahmen des Risikostrukturausgleiches der Krankenkassen hierfür beachtliche Mittel bereitgestellt und so Anreize zu neuen Versorgungsformen geschaffen würden. Beim Disease Management steht eine chronische Krankheit im Mittelpunkt. Die Leistungserbringer sollen so organisiert werden, dass der Patient eine Versorgungskette mit optimierten und standardisierten Behandlungsprozessen durchläuft.

... und Apothekenpraxis

Das Konzept soll zunächst für Asthma, Diabetes, KHK und das Mammakarzinom eingeführt werden. Ab Juli 2002 sollen die Krankenkassen Programme anmelden und anschließend Verträge eingehen können. Zunächst sollten die Apotheken nicht beteiligt werden, doch hat die ABDA mit einem Gutachten von Professor Neubauer eine Grundlage für eine Beteilung der Apotheken geschaffen. Darin werden zwei Basismodule und neun Aufbaumodule mit pharmazeutischen Tätigkeiten definiert, die als Grundlage für die Abrechnung der Leistungen dienen können. So werden nicht mühsam einzelne Leistungen berechnet, sondern klar umschriebene standardisierbare und damit auch ökonomisch einschätzbare Leistungspakete erbracht.

Für Neubauer bedeutet dies einen Paradigmenwechsel, weil Apotheken erstmals für ihre Dienstleistungen und nicht für den Warenumsatz honoriert werden. Zusätzliche Honorare sind beispielsweise für die Gewinnung von Patienten für das Programm oder für das langfristige Halten der Patienten im Programm denkbar. Doch müssen die Honorare mit den Krankenkassen ausgehandelt werden und können sich auch zwischen den Kassen unterscheiden. Nach Einschätzung von Neubauer sind die Krankenkassen zu Beginn des Projektes auf die Kooperation mit Arztpraxen und Apotheken angewiesen, um die Patienten als Teilnehmer zu gewinnen. Dies sei für die Apotheken eine günstige Verhandlungsposition.

In das Programm eingeschriebene Patienten können nur noch in Apotheken versorgt werden, die an dem Projekt teilnehmen, wobei unterschiedliche Krankenkassen mit verschiedenen Apotheken zusammenarbeiten können. Insbesondere in Städten sei zu erwarten, dass verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Apotheken kooperieren.

Chance und Risiko für Apotheken

Elke Christmann, Aachen, die in der ABDA-Kommission zum Disease Management mitarbeitet, warnte in der Diskussion vor der Erwartungshaltung der Krankenkassen, die beteiligten Apotheken würden durch die wachsenden Arzneimittelumsätze bereits ausreichend honoriert. Doch würden von den Apotheken beachtliche Vorleistungen erwartet. Denn in das Konzept gehen auch Inhalte des Qualitätsmanagements für Apotheken und die Leitlinien zur Qualitätssicherung der Bundesapothekerkammer ein. Teilnehmende Apotheken müssen über die Hard- und Software für die Pharmazeutische Basisbetreuung verfügen. Als Qualifizierung werden die Zertifikatskurse für Asthma bzw. Diabetes vorausgesetzt.

Wie die weitere Diskussion zeigte, könnte für die Apotheken auch die Vielfalt der Patienten problematisch werden. So sei es kaum möglich, sich nur auf ein Programm zu einer Krankheit zu beschränken. Ein weiteres Problem bilde der Datenschutz, doch müsse eine abgerechnete Leistung auch nachgewiesen werden. Letztlich biete Disease Management aber auch eine Chance, die Leistungsfähigkeit der Apotheken zu demonstrieren.

Apotheken als Problemlöser

Angesichts der vielen Herausforderungen sollten die Apotheken nach Einschätzung von Jörg Focke, Oberhausen, zusammenhalten. Er riet zu Allianzen und Kooperationen, beispielsweise auch mit der Pharmaindustrie. Die Apotheker sollten sich als Problemlöser profilieren und den Kunden Nutzen vermitteln.

Dies lasse sich auch durch die Apothekeneinrichtung ausdrücken. Eine Sichtwahl nach dem Prinzip des Category Management solle mindestens 30 Themenelemente enthalten. Die Offizin sollte möglichst variabel gestaltet werden, damit dort Aktionen veranstaltet werden könnten. Dazu sollte der für die Kunden zugängliche Raum mindestens 60 m2 groß sein.

Feng Shui: Weniger ist mehr

Eine ganz andere Auffassung zur Warenpräsentation vertrat Günter Sator, Mondsee, der in die Konzepte des Feng Shui einführte. Für ihn gilt: "Weniger ist mehr". Gerade angesichts der verbreiteten Reizüberflutung, insbesondere in Einkaufsstraßen, sollten Räume übersichtlich und aufgeräumt sein. Es sollte Platz geschaffen werden, um wesentliche Dinge richtig zu präsentieren. Vorteilhaft seien großflächige, "ruhige" Blickfänge. Möbel mit scharfen Kanten sollten in Gangbereichen vermieden werden.

Besonders wichtig bei der Raumgestaltung sei der Boden, der Stabilität vermitteln müsse und nicht durch "unruhige" Übergänge Schwellenangst erzeugen sollte. Durch Strukturelemente im Boden könnten auch in belebten Räumen ruhige "Inseln" geschaffen werden, die sich für Beratungsgespräche eignen. Entscheidend sei letztlich, dass sich Kunden, Chef und Mitarbeiter in der Apotheke wohlfühlen.

Kundenbegeisterung als Strategie

Prof. Dr. Claudius A. Schmitz, Gelsenkirchen, ermunterte dazu, die Apotheke mit den Augen des Kunden zu sehen. Es gelte, mit den vom Kunden wahrgenommenen Leistungen dessen Erwartungen zu übertreffen und ihn so zu begeistern. Geeignete Strategien für Apotheken seien, Sicherheit durch Kompetenz zu vermitteln, aber auch gezielt Erlebnisse zu inszenieren.

Auch nach Auffassung Edgar K. Geffroy, Düsseldorf, sollten Unternehmen versuchen, ihre Kunden zu begeistern. Dies sei Teil eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels. Dabei sollten Kunden zu Partnern werden, anstelle von Produkten sollten Fähigkeiten in den Mittelpunkt rücken, und Unternehmen würden sich in Netzwerken partnerschaftlich verbinden. Durch gezieltes Beziehungsmanagement rücke der Mensch selbst mit seiner Individualität in den Mittelpunkt des Handelns.

Sprechen mit dem Körper ...

Zu den Themen des Wirtschaftsforums gehörten neben den Perspektiven für die Apotheken und das Gesundheitswesen auch breiter anwendbare strategische Konzepte und Methoden für das Berufs- und Privatleben. So führte Professor Samy Molcho, Wien, in die Geheimnisse der Körpersprache ein. Er machte deutlich, dass der Körper ständig Signale aussendet. Sobald ein Mensch einen anderen Menschen wahrnimmt, werden Informationen vom Gegenüber abgerufen. "Schweigen" wie in der gesprochenen Sprache gibt es demnach in der Körpersprache nicht. So verwundere es denn auch viele Menschen, wenn sie Antworten erhalten, obwohl sie nicht gefragt haben.

Während die gesprochene Sprache nur aus Absichtserklärungen besteht, stellt die Körperhaltung eine Tatsache dar und bildet damit in Zweifelsfällen die dominierende Information. Daher ist es sinnvoll, die Körpersprache gezielt einzusetzen. Dies bedeutet nicht, andere zu manipulieren, sondern bewusst ein Angebot zu machen.

Molcho empfahl beispielsweise Reaktionen stets mit körperlichen Bewegungen zu unterstützen. Schon eine leichte Wendung des Kopfes könne vermitteln, dass eine Frage gehört wurde, und so die Antwort unterstreichen. So werde es für den Gesprächspartner deutlicher erkennbar, dass die eigene Botschaft bzw. Frage angekommen ist. So könnten auch Aggressionen verhindert werden, die entstehen, wenn Personen sich nicht wahrgenommen fühlen.

Zitat

Dein Körper spricht so laut, dass ich nicht höre, was Du sagst. Prof. Samy Molcho, Wien

... und mit Worten

Die gesprochene Sprache war hingegen das Thema des bekannten Rhetorikers Prof. Dr. Dr. Gerhard Lange, Bonn. Nach seiner Ansicht reicht es nicht aus, zur Sache zu sprechen, vielmehr gelte es, zu den Menschen zu sprechen. Als Anregungen für gute Reden schlug er beispielsweise vor, anschaulich zu sprechen, Stilmittel wie Antithesen und Steigerungen einzusetzen und die Inhalte klar zu strukturieren.

Am Ende einer Rede sollte eine grundlegende Aussage oder ein Appell stehen. Humor könne dazu dienen, Konflikte zu entschärfen. Doch ebenso wichtig wie das Reden sei die Kunst zuzuhören. Um dies beispielsweise gegenüber einem Kunden deutlich zu machen, könne man Sätze des Kunden wiederholen oder hinterfragen.

Ziele setzen und erreichen

Der Motivationstrainer Jürgen Höller-Röthlein machte deutlich, dass neue Ziele stets außerhalb der gewohnten und vertrauten "Komfortzone" liegen müssen. Außerhalb des Gewohnten besteht Unsicherheit, aber nur dort sind Veränderungen möglich. Wer sich keine solchen Ziele setze, habe mehr Sicherheit, könne aber keine Erfolgserlebnisse erfahren und genießen. Gerade das Festlegen anspruchsvoller Ziele setze viel Energie frei, diese auch zu erreichen.

Zitat

Die Geschichte von Bill Gates wäre in Deutschland nicht möglich gewesen, weil die Garage gegen die Gewerbeordnung verstoßen hätte. Jürgen Höller-Röthlein, Motivationstrainer

Nach Einschätzung von Lutz K. Stahl, Bietigheim, ist ein außenstehender Beobachter oder Coach erforderlich, um solche Ziele zu sehen. Durch "Betriebsblindheit" würden viele Möglichkeiten nicht erkannt. Außerdem sei es unbedingt nötig, für das Erreichen ferner Ziele die erforderliche Zeit zu reservieren und von der Alltagsarbeit freizuhalten.

Der als "Money-Coach" bekannte Bodo Schäfer, Köln, gab den Ratschlag, nicht nur über inhaltliche berufliche oder private Ziele nachzudenken, sondern das Geld selbst zum Thema zu machen. Dies sollte nicht nur als Mittel gesehen werden, um bestimmte Dinge zu kaufen, sondern auch als Potenzial für noch unbestimmte künftige Möglichkeiten. Um das Geld zu mehren, sollte ein festgelegter Einkommensbestandteil gespart und dann geschickt angelegt werden. Getreu der Portfoliotheorie sollten dabei Anlageformen mit sehr unterschiedlichen und möglichst wenig korrelierenden Risiken gemischt werden. So lasse sich mit einer vergleichsweise konservativen Strategie im langjährigen Mittel eine Jahresrendite von mindestens 12 % erzielen. Der deutliche Abstand zur Sparbuchrendite ermögliche es, in akzeptabler Zeit ein Vermögen aufzubauen.

Zitat

Sie arbeiten hart für ihr Geld, lassen Sie Ihr Geld auch hart für sich arbeiten. Bodo Schäfer, Köln

Bereits ab Juli 2002 soll Disease Management in deutschen Apotheken möglich werden. Dann könnten Apotheken erstmals für ihre Leistungen und nicht nur für die abgegebenen Produkte von den Krankenkassen honoriert werden, doch sind noch viele Fragen offen. Dies und viele weitere strategische Konzepte für die Apothekenzukunft waren Themen auf dem 7. Apotheken-Strategie-Wirtschaftsforum, das vom 9. bis 11. Mai in Oberhausen stattfand. 

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