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- DAZ 48/2002
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Die Seite 3
Noch kein Gesetzesvorhaben im gesundheitspolitischen Bereich hat uns Apothekerinnen und Apotheker bisher in eine solche Depression und Niedergeschlagenheit gestürzt wie das angekündigte Beitragssatzsicherungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung. Aber auch noch kein Gesetz wird den Apothekenbereich so hart und nachhaltig treffen, wird den Apotheken so viel an Gewinn weg nehmen und wird sich so ungerecht auf den Heilberuf Apotheker auswirken wie dieses Gesetz.
Verzweiflung und Frust machen sich breit angesichts der Zukunftsperspektive, insbesondere bei kleineren Apotheken, Verzweiflung und Angst um den Arbeitsplatz offenbart sich bei den Mitarbeiter(innen) der Apotheke. Schon jetzt werden Kündigungen ausgesprochen und wird versucht, Personal abzubauen.
Wenn schon unsere Berufsvertretung in Berlin nicht gehört wurde: Wie können wir uns wehren? Haben wir überhaupt noch eine Chance oder sind wir der Willkür von inkompetenten Politikern ausgesetzt, die nicht verstehen, wie der Pharmamarkt wirklich funktioniert? Die wie Staatssekretär Theo Schröder glauben, es gebe so viele Rabatte, die für die Kassen abgeschöpft werden müssten.
Die Demo in Berlin verfehlte ihre Wirkung, in den Nachrichten kamen die Apotheken, die durch das Gesetz am stärksten zur Kasse gebeten werden, so gut wie nicht vor. Die Licht-aus-Aktionen sorgten zwar lokal für Gesprächsstoff und führten zu einigen Notizen in Zeitungen, in Berlin kam nichts davon an. Müssen wir etwa zu drastischeren Maßnahmen greifen? Sollen wir uns in Wildwest-Manier (wie es uns die Kassen bei der Propagierung des Versandhandels vormachen) über die Lieferverträge mit den Kassen hinweg setzen und die Rezepte unserer Patienten nur noch gegen Barzahlung beliefern? Oder sollen wir gar streiken und nur noch einen Apotheken-Notdienst aufrecht erhalten? Oder nur noch durch die Nachtdiensttür oder -klappe hindurch bedienen? Auf Apothekertreffen wurden in den letzten Tagen schon solche und ähnliche Aktionen diskutiert.
Bei allem Verständnis für die Wut und die Sorgen um die Zukunft: Die Faust sollten wir vorerst noch in der Tasche geballt lassen. Denn es gibt Anzeichen, wenn auch nur schwache, dass noch nicht aller Tage Abend ist. Das Gesetz befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren, noch besteht die Chance, dass es den Bundesrat passieren muss und damit von den Ländern verzögert werden kann, und eine Nachbesserung gefordert wird.
Noch besteht die Chance, dass auch andere Vorschläge – z. B. die Einführung eines Einsparmodells in Analogie zum damaligen Ostabschlag anstelle des Beitragssatzsicherungsgesetz – in die Diskussion kommen können. Und selbst wenn das Gesetz wie angedacht in Kraft treten würde, bestünde nach Einschätzung von Insidern die Möglichkeit, dass es de facto nicht zur Anwendung kommen kann, da es vor handwerklichen Mängeln strotzt, da es in der Praxis in der Kürze der Zeit technisch kaum umsetzbar ist, da seine Anwendung womöglich durch Gerichte gestoppt werden könnte.
Ein Streik vor dem Inkrafttreten des Gesetzes könnte uns ins Abseits stellen, auch vor dem Hintergrund, dass schon bald die Rürup-Kommission an einer großen Gesundheitsreform arbeiten wird. Dabei lässt mich die Zusammensetzung dieser Kommission, die bis zum Herbst des nächsten Jahres Vorschläge erarbeiten soll, wie Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung reformiert werden können, nur den Kopf schütteln: unter den 26 Personen, die u. a. das Gesundheitswesen zukunftssicher machen sollen, befindet sich niemand, der aus dem Gesundheitswesen kommt, kein Arzt, kein Apotheker, kein Vertreter aus dem Krankenhaus oder der Pharmaindustrie.
Die Reform scheint unter rein ökonomischen Gesichtspunkte zu laufen, Unternehmensberater, Volkswirtschaftler, Ökonomen machen Vorschläge, ob wir in Zukunft Versandhandel, Fremd- und Mehrbesitz und damit Kettenapotheken haben werden. Mit dieser rot-grünen Regierung und ihrer Kommissionitis wird das Ende des heutigen Bildes einer Apotheke und des Apothekerberufs eingeläutet – wie die Apotheken- und Pharmalandschaft nach der Reform aussehen wird, ob schlechter oder besser, wissen wir noch nicht, auf jeden Fall aber anders.
Um ein bisschen Mut zu machen: Es wird eine Herausforderung für uns, der wir uns stellen müssen. Und die kann spannend sein und auch neue Chancen bieten!
Peter Ditzel
Licht aus? Demos? Belieferung gegen Barzahlung? Streik?
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