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Apothekerverband Schleswig-Holstein: Ein ungerechtes und undurchführbares Geset
Froese meinte, das Gesetz habe keinen Sinn und sei in Panikreaktion entstanden. Die Einsparungen würden gerade den verminderten Krankenkassenbeitrag der Arbeitslosen einsparen und im Verwaltungsapparat untergehen. Die Apotheken müssten immer mehr Verwaltungsfrondienst leisten, um dem Verwaltungsmoloch neue Nahrung zu geben.
Dies sei ein Teufelskreislauf, weil jede neue Verwaltungsvorschrift die Kosten weiter erhöhe. Bereits jetzt seien die Verwaltungskosten im Gesundheitssystem bei Kassen und Leistungserbringern höher als die Kosten für die Zuwendung zum Patienten. Das neue Gesetz entferne die Apotheken damit weiter vom Patienten und von ihrer pharmazeutischen Aufgabe.
Sparen an der falschen Stelle
Das Gesetz bringe die Arbeitsplätze in Apotheken in höchste Gefahr und werde zuerst die Apotheken mit hohem GKV-Anteil und mit hohem Personaleinsatz treffen. Damit gehe es zu Lasten der sozial schwachen Bevölkerung in ländlichen und strukturschwachen Regionen und bestrafe gerade die Apotheken, die sich besonders um gute Qualität und intensive Beratung bemühten. Es werde kurzsichtig gespart, weil die einzusparende Beratung teure Komplikationen verhindern könnte. Doch zeige sich die Regierung gegenüber allen Argumenten ignorant, was auch ein Ausdruck für den Stil der Politik sei. Eine solche Vorgehensweise sei in der Gesetzgebung im Gesundheitswesen bisher ohne Beispiel.
Auch auf volkswirtschaftlicher Ebene werde nicht gespart. Denn schon jetzt seien in schleswig-holsteinischen Apotheken Arbeitsplätze abgebaut worden, dies werde sich im neuen Jahr erheblich verschärfen. Notwendige Investitionen würden unterbleiben. Wenn diese Folgen gegengerechnet würden, ließen sich allenfalls kurzfristig 200 Mio. Euro einsparen. Daher sei es logisch, dass die Krankenkassen trotz des Gesetzes ihre Beiträge erhöhten.
Hoffnung auf den Bundesrat
Allerdings wies Froese darauf hin, dass das Gesetz sich noch im Gesetzgebungsverfahren, derzeit in der Bundesratsphase, befindet. Damit seien noch Einflussmöglichkeiten auf die Politik gegeben. Zudem erinnerte Froese an die überzeugenden Argumente, nach denen das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig sei. Sollte sich diese Interpretation durchsetzen, wäre nach seiner Einschätzung mit einer Ablehnung durch die Unionsparteien zu rechnen. Außerdem werde von verschiedenen Seiten gegen das Gesetz geklagt.
Maßnahmen der Apotheker
In dieser wichtigen Phase sollten die Apotheker alle Kontakte zur Politik nutzen, um auf die Folgen des Gesetzes aufmerksam zu machen. Jeder Einzelne sollte auf kommunaler Ebene auf die drohenden Gewerbesteuerausfälle und die Arbeitsplatzverluste hinweisen. Froese lobte die Geschlossenheit der Apothekerschaft, wie sie sich jüngst beispielsweise bei der Licht-aus-Aktion in Rendsburg gezeigt hatte (siehe unseren Bericht in AZ 47). Das wesentliche Signal an die Politik sei dabei, dass alle Apotheken mitgemacht hätten. Viele Mitglieder sprachen sich dafür aus, die abschließende Phase der Gesetzgebung mit Demonstrationen zu begleiten.
Doch sollten schwerwiegende Kampfmaßnahmen nach Auffassung von Froese unterbleiben, bis das Gesetz verkündet sei. Entlassungen und insbesondere Kurzarbeit könnten zumeist erst begründet werden, wenn sich die Folgen des Gesetzes in betriebswirtschaftlichen Zahlen niederschlügen. Zudem machte Froese deutlich, dass die Apotheke in höchstem Maße politisch erpressbar ist, weil im neuen Jahr über die grundlegende Reform des Gesundheitswesens zu entscheiden ist. Dabei drohe das etablierte Berufsbild des Apothekers insgesamt abgeschafft zu werden.
Einzelne Mitglieder regten an, notfalls den Sicherstellungsauftrag zurückzugeben und die Pa-tienten nur noch gegen Barzahlung zu beliefern, wenn die Politik den Apotheken die wirtschaftliche Grundlage für ihre Arbeit entzieht. Dem wurde jedoch entgegengehalten, die Politik kalkuliere auch diese Möglichkeit bereits ein.
Der Teufel im Detail
Außer um die strategischen Überlegungen zum Umgang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ging es bei der Mitgliederversammlung um dessen Inhalte im Detail. Über die bekannten zentralen Punkte hinaus machte Froese einige besondere Tücken des Entwurfes deutlich.
Nach dem Stand vom 21. November sei die Möglichkeit von Einzelverträgen zwischen Apotheken und Krankenkassen nicht mehr vorgesehen. Allerdings könnten einzelne Hersteller höhere Rabatte gewähren. Das Gesundheitsministerium würde die wirtschaftlichen Folgen der diversen Maßnahmen für die Apotheken stets geringer einschätzen als die ABDA, obwohl die ABDA ihre Daten sorgfältig nachweise.
Besonders problematisch sei die Abrechnung des Großhandelsrabattes, bei dem noch immer unklar sei, auf welchen Betrag der Rabatt an welcher Stelle erhoben werden soll. Zudem sei unklar, ob Einkaufsgemeinschaften als Großhandel zu interpretieren seien, da der Begriff des Großhandels im Sozialgesetzbuch bisher nicht definiert sei.
Undurchführbares Gesetz
Es sei ungerecht, dass die Apotheken die Rabatte der anderen Handelsstufen kreditieren müssen. Darüber hinaus würde das Rabattinkasso die Abrechnung chaotisieren. Innerhalb eines Monats müssten mit Industrie, Großhandel, Abrechnungsstellen und Krankenkassen Verträge über die Abrechnungsmodalitäten geschlossen werden, was erfahrungsgemäß die Arbeit eines Jahres sei. Der Apothekerverband habe sich mit dieser Aufgabe auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gesetz nicht nur ungerecht, sondern auch undurchführbar sei.
Doch sehe das Gesetz vor, dass die Krankenkassen unklare Rechnungen nicht begleichen müssten. Damit drohe nach der Februar-Abrechnung die Illiquidität vieler Apotheken. Der Verband sehe daher seine vordringliche Aufgabe darin, die Liquidität der Apotheken über diesen Zeitpunkt hinaus zu sichern. Dafür sollten schon jetzt vorbereitende Gespräche geführt werden.
Gesundheitsreform 2003
Längerfristig, mit Blick auf die "große" Gesundheitsreform, gehe es darum, die zentrale Frage zu beantworten, ob die Apotheke ein rein kaufmännischer Handelsbetrieb sei oder ob sie eine für das System nützliche Dienstleistung erbringe. Die Apotheker sollten hierzu ein klares Angebot machen, das einerseits den Sicherstellungsauftrag klar beschreibt, andererseits aber eine flexible Grundlage für die Weiterentwicklung bietet. Die Aspekte der pharmazeutischen Versorgung, die über die reine Arzneimittellieferung hinausgehen, sollten auf vertraglicher Ebene weiterentwickelt werden.
Ein mögliches Modell hierfür werde bereits in Schleswig-Holstein getestet. Grundlage sei die freiwillige Einschreibung der Patienten bei einer Apotheke unter Erhalt der freien Apothekenwahl. Dies könne durch zahlreiche Module ergänzt werden, vom Arzneimitteltagebuch über Hausversorgung, Telematik, Hilfsmittelversorgung bis zu einer Honorierung der Apotheker für kostensparendes Handeln.
Verbandsarbeit in Schleswig-Holstein
Die Mitglieder lobten den Einsatz des Vorstandes und seines Vorsitzenden und bestärkten ihn, den dargestellten Weg weiter zu verfolgen. Im weiteren Verlauf der Mitgliederversammlung berichtete Geschäftsführer Dr. Thomas Friedrich über die Arbeit des Verbandes im zurückliegenden Geschäftsjahr. Er verwies insbesondere auf die umfangreichen Vertragsverhandlungen, die erfolgreiche Bearbeitung von Retaxationen, die Öffentlichkeitsarbeit mit acht Rundfunk- und sechs Fernsehauftritten und die Unterschriftenaktion "Pro Apotheke".
Der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses Dr. Peter Heerklotz bescheinigte dem Verband eine sparsame Haushaltsführung. Die Verwaltungskosten seien seit 1997 fast halbiert worden. Dies solle sich die ABDA zum Vorbild nehmen, bei der eine solche Entwicklung leider nicht zu verzeichnen sei.
Die Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein am 23. November in Kiel stand ganz im Zeichen des geplanten Beitragssatzsicherungsgesetzes und bot damit über das Land hinaus einen Überblick über den Stand der politischen Entwicklung. Der Verbandsvorsitzende Dr. Peter Froese bezeichnete das Gesetz als sinnlos, ungerecht und undurchführbar, doch verwies er zugleich auf das noch laufende Gesetzgebungsverfahren. Möglicherweise bietet der Bundesrat doch noch Einflussmöglichkeiten.
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