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Protein-Histidin-Phosphatase – ein "neues" Enzym

Am 11. November 2002 hielt Prof. Dr. Susanne Klumpp im voll besetzten großen Hörsaal des Instituts für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster ihre Antrittsvorlesung. Der Titel lautete "Protein-Histidin-Phosphatase im Säuger: Ein neues Enzym der Signaltransduktion".

Wissenschaftliche Laufbahn von Susanne Klumpp

"So außergewöhnlich und herausragend wie das heutige Datum ist auch die Vita von Frau Klumpp" – mit diesen Worten eröffnete der Dekan des Fachbereichs Chemie und Pharmazie, Prof. Dr. Jens Leker, die Veranstaltung. Klumpp hat in Tübingen Pharmazie studiert, wurde dort promoviert (J. E. Schultz) und hat sich dort habilitiert.

Die Ortsgebundenheit ist dabei nur scheinbar, denn Frau Klumpp nutzte Tübingen als Plattform für zahlreiche mehrmonatige Aufenthalte im Ausland. Bereits während des Studiums wurde ihr Interesse für die Forschung im Laboratorium von Richard Weinshilboum an der Mayo Clinic in Rochester, MN, USA, geweckt; während der Promotionszeit war sie in Houston, TX, USA; und das Rüstzeug für ihre Habilitation erarbeitete sie sich im Labor von Philip Cohen, Dundee, GB.

Die vorerst letzte und über ein Jahr dauernde Forschungstätigkeit im Ausland verbrachte sie 1994/95 im Rahmen eines Heisenberg-Stipendiums als Visiting Associate Professor bei Mel Simon am Caltech, Pasadena, CA, USA. "Die anschließende Professur an der Universität Marburg bremste zwar ihre Reisetätigkeit, nicht aber ihren Tatendrang", so Leker weiter. Aus diesem Lebensabschnitt hob er die zweijährige Tätigkeit als Dekanin des Fachbereiches Pharmazie hervor (1998 bis 2000) sowie das von ihr im Juli 2001 ausgerichtete EMBO-Meeting über Protein-Phosphatasen, welches erstmals in Deutschland stattfand.

Seit April 2002 hat Frau Klumpp eine C4-Professur am Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie in Münster inne. Mit dieser Berufung als Eckprofessur wird der wachsenden Bedeutung der Biochemie innerhalb dieser Fachrichtung Rechnung getragen.

Reversible Phosphorylierung von Aminosäuren

In ihrer Antrittsvorlesung über die Protein-Histidin-Phosphatase erläuterte Frau Klumpp zunächst die allgemeinen Aspekte der reversiblen Phosphorylierung. Durch Anhängen oder Entfernen von Phosphatresten an Aminosäuren werden Proteine – vereinfacht dargestellt – in ihrer Aktivität beeinflusst, also an- oder abgeschaltet.

Die Bedeutung dieser Art von Regulation zeigt sich darin, dass über 50% aller Proteine phosphoryliert werden, dabei meist sogar mehr als eine Phosphorylierungsstelle tragen. Bei Säugern steht die Phosphorylierung von Serin, Threonin und Tyrosin im Mittelpunkt der Signaltransduktion. Insgesamt dreimal ist in den letzten zehn Jahren ein Nobelpreis für Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der reversiblen Phosphorylierung vergeben worden.

Beispielsweise dephosphoryliert die Protein-Phosphatase Typ 2C (PP2C) Phosphoserin und Phosphothreonin. In Kooperation mit Prof. Josef Krieglstein und seiner Arbeitsgruppe, Marburg, konnte Klumpp zeigen, dass lipophile Substanzen, welche die PP2C aktivieren, an Neuronen Apoptose – programmierten Zelltod – auslösen können.

Entdeckung der ersten Protein-Histidin-Phosphatase in Vertebraten

Die Histidin-Phosphorylierung erfolgt am Stickstoff-Atom der Aminosäure. Sie spielt die zentrale Rolle bei der Chemotaxis in Bakterien und ist dort eingehend charakterisiert worden. Obwohl es schon seit den 60er-Jahren Hinweise auf Histidinphosphat auch in Vertebraten gibt, wurden Enzyme, die Proteine an Histidin phosphorylieren und dephosphorylieren, nicht nachgewiesen. Um das Problem zu lösen, ging Klumpp 1994 in das Labor von Mel Simon. Dort war das ganze Know-how über Histidinphosphat von Bakterien vorhanden. Tatsächlich gelang es ihr dort, erstmals Histidinphosphatase-Aktivität in Organhomogenaten von Säugern nachzuweisen.

Anschließend, in Marburg, haben Klumpp und ihre Arbeitsgruppe eine Protein-Histidin-Phosphatase (PHP) mittels klassischer Proteinreinigung isolieren können und nachfolgend biochemisch charakterisiert. Die Sequenzierung (in Kooperation mit der Firma Merck) erbrachte den Beweis, dass es sich um ein "neues" Enzym handelt.

Mit biochemischen, molekularbiologischen und immunologischen Methoden wurde nach und nach die Funktion der PHP geklärt. Die ATP-Citrat-Lyase wurde als erstes Substrat der PHP in Vertebraten identifiziert. Entsprechend ist die PHP nicht nur in der Leber, sondern sehr prominent auch im Gehirn zu finden. Damit wurde eine Tür zu einem neuen Forschungsgebiet aufgestoßen, in dem sich auch die Arbeitsgruppe Krieglstein engagiert.

Frau Prof. Klumpp verstand es mit ihrer Vorlesung, das fachkundige Publikum durch ihre wissenschaftlichen Befunde zu fesseln und den Studierenden und jungen Mitarbeitern interessante Einblicke in den wissenschaftlichen Alltag zu geben. Das Publikum vollzog interessiert die Entdeckung eines neuen Enzyms nach und nutzte im Anschluss die Gelegenheit, die Laborräume zu besichtigen.

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