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Berichte
Was erwartet das Gesundheitswesen von der Klinischen Pharmazie?
Nachdem beim ersten Hamburger Symposium zu diesem Thema am 23. Juni 2001 die Pharmazeuten selbst aus verschiedenen Perspektiven ihre Sicht des neuen Faches präsentierten, hatten diesmal die Partner das Wort. Für diese Partner im Gesundheitswesen müssten die Apotheker klinisch-pharmazeutische Dienstleitungen anbieten, um selbst zu überleben und sich als Glied der Wertschöpfungskette zu bewähren, meinte Dr. Michael Baehr, der das Symposium moderierte. Baehr ist Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und Vorsitzender des Ausschusses der Apothekerkammer Hamburg zur Umsetzung der Klinischen Pharmazie.
Patienten brauchen koordinierte Versorgung, ...
Getreu der patientenorientierten Zielsetzung bildete deren Perspektive den Einstieg. Christel Kalesse, Landesverband Hamburg der Deutschen Rheumaliga e. V., stellte dar, wie Patienten das Gesundheitssystem erleben. Sie verglich die Versorgung mit einem Haus. Dabei müsse sowohl die Qualität der einzelnen Bausteine als auch die Abstimmung zwischen ihnen stimmen. Doch mangele es an der Zusammenarbeit unter den Ärzten, insbesondere zwischen ambulantem und stationärem Bereich.
Die finanziellen Beschränkungen seien immer stärker zu erleben. So würden wichtige Versorgungsbausteine weggelassen, z. B. Reha-Maßnahmen, in der trügerischen Hoffnung, sie würden nicht fehlen. Doch letztlich bedeute dies zusätzliches Leid und Schmerzen und später mehr Ausgaben für die Versicherung.
... Kompetenz und Vertrauen
Von den Apothekern wünschten sich die Patienten in erster Linie kompetente Beratung zu Arzneimitteln, aber auch Hinweise auf preiswerte Arzneimittel, Hintergrundinformationen zu Reformmaßnahmen in Gesundheitswesen und Hinweise zur gesunden Ernährung. Den chronisch Kranken könne durch Handzettel, Schaufenstergestaltungen und andere Hinweise der Weg zu Selbsthilfegruppen gewiesen werden, wo sie vielfältige Hilfe erhalten können.
In der Apotheke seien außerdem Botendienst und die übersichtliche Präsentation von Informationsmitteln gefragt. Ältere Chroniker seien nicht interessiert, Arzneimittel im Internet zu bestellen, vielmehr seien das Vertrauensverhältnis zur Stammapotheke und die persönliche Ansprache entscheidend.
In der Diskussion zeigte sich, dass das Angebot eines Apothekers auf Station im Krankenhaus offenbar in der Öffentlichkeit noch kaum wahrgenommen wird. Doch würde dies von den Patienten als sehr vorteilhaft angesehen, um im Krankenhaus mehr Informationen über Arzneimittel zu erhalten.
Verantwortung für Klinische Pharmazeuten
Prof. Dr. Dieter Hossfeld, Direktor der Medizinischen Klinik II, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, formulierte die Anforderungen an klinische Pharmazeuten speziell aus onkologischer Sicht. Insbesondere die unspezifische Wirkung und das große Gefahrenpotenzial der Zytostatika verpflichte die Mediziner zu einer großen Verantwortung, die sie mit den klinischen Pharmazeuten teilen sollten. Er erwarte, dass klinische Pharmazeuten die Therapiepläne auch anhand der Labordaten der Patienten kontrollieren und bei Ungereimtheiten zurückfragen.
Idealerweise sollten klinische Pharmazeuten als Teil der Klinik dort täglich verfügbar sein und das Bindeglied zur Apotheke darstellen. Sie sollten die Patienten und ihre Erkrankungen kennen und diese ebenso wie die Ärzte und Pfleger beraten. Klinische Pharmazeuten seien unabdingbar, um die immer schärfer werdenden Vorschriften, insbesondere im Umgang mit Zytostatika, umzusetzen. Außerdem sollten sie in die wissenschaftliche Aufbereitung von Therapiestudien einbezogen werden und dazu auch Dissertationen erstellen.
Nach Einschätzung von Hossfeld wissen Ärzte zu wenig über Arzneimittelinteraktionen. Dies sei ein weiterer wesentlicher Grund, klinische Pharmazeuten zu fordern. Außerdem sollten sie ihren Beitrag bei der Beobachtung unbekannter Nebenwirkungen leisten. Für die Zukunft lasse die Pharmakogenetik ein neues Aufgabengebiet erwarten. Prospektive Untersuchungen der individuellen Enzymausstattung könnten sogar Todesfälle verhindern.
Mehr Forschung für die ambulante Versorgung
Dr. Detlef Niemann, Allgemeinmediziner und Sprecher des Hausarztkreises Harburg, erwartet, dass der wissenschaftliche Fortschritt zu einer immer weiter fortschreitenden Spezialisierung und damit zur fragmentierten Versorgung und Verantwortung führen wird. Das Problem dabei sei, dass der Hausarzt über die Maßnahmen anderer Ärzte teilweise nichts erfahre, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben sei. Stattdessen sollte der Hausarzt die Leistungen koordinieren.
Die Zusammenarbeit innerhalb der Versorgungskette, auch zwischen Arzt und Apotheker, müsse intensiviert werden. Ärzte und Apotheker müssten sich auf mehr Hausbesuche und einen erheblich steigenden Beratungsbedarf einrichten. Doch bleibe ungelöst, wer diese Beratung bezahlen soll. Die Apotheken würden außerdem eine größere Rolle in der Prävention einnehmen.
Die Versorgung sollte sich nicht allein an evidenz-basierten Leitlinien orientieren, die aus dem selektionierten Klientel der Krankenhäuser hervorgehen. Stattdessen sollte die Gesellschaft akzeptieren, dass Ärzte eine weniger aufwändige, aber praktikable und den Patientenbedürfnissen angemessene Therapie wählen. Dagegen sollte nicht mit der "Qualitätspeitsche" gedroht werden. Andererseits sei viel mehr Forschung für eine angemessene Therapie im ambulanten Bereich nötig, was auch eine wichtige Aufgabe für die klinisch-pharmazeutische Forschung darstelle.
Weitere Forschungsfelder für das neue Fach seien die Compliance, Neben- und Wechselwirkungen, optimierte Pharmakovigilanzsysteme und die Epidemiologie in Praxis und Apotheke. Denn viele eher banale Erkrankungen würden bisher in der Gesundheitsberichterstattung unzureichend erfasst. Außerdem sollte sich die Klinische Pharmazie an der Universität bemühen, die Marketingaussagen der Pharmaindustrie zu hinterfragen. Dies sollte nicht dem Arzneitelegramm überlassen werden, erfordere aber eine unabhängige Institution.
Von den Apotheken erwartet Niemann eine Beratung im Einklang mit der ärztlichen Beratung, Förderung der Compliance und systematisches Monitoring von Arzneimittelwechselwirkungen, auch in der Selbstmedikation, und ggf. die individuelle Verblisterung von Arzneimitteln. Die Apotheke sollte Teil eines Netzwerkes sein, das eine strukturierte Kommunikation mit dem Arzt ermöglicht und Rückmeldungen ermöglicht. Voraussetzung für die Zusammenarbeit sei, die "Reviere" zu akzeptieren. Die medizinische Verantwortung müsse beim Arzt bleiben.
Pflegen im Netzwerk
Gabriele Hackkamp, PTW Pflegeteam Hamburg, stellte das von ihrem Pflegedienst praktizierte Konzept des Entlassungsmanagements vor. Dabei werden schon beginnend mit der Einlieferung in das Krankenhaus alle notwendigen Maßnahmen für die Entlassung planmäßig vorbereitet.
Besondere Schwierigkeiten bereite die Zusammenarbeit mit der Apotheke. Hackkamp wünschte sich, dass Apotheken stärker an Pflegedienste herantreten. Die Apotheker im Auditorium zeigten sich dagegen erstaunt, dass Pflegedienste so offen gegenüber einer Kooperation sind und durchaus nicht nur mit jeweils einer Apotheke zusammenarbeiten.
In der Diskussion wurde deutlich, dass die begrenzenden Faktoren für das Engagement der Apotheken bei den Partnern im Gesundheitswesen kaum bekannt sind. Einerseits hat die Kooperation rechtliche Grenzen, und andererseits kann eine Apotheke keine Arzneimittel liefern, solange der Hausarzt nicht über die künftige Medikation entschieden hat. Dieser wartet wiederum viele Tage auf den Entlassungsbericht. Doch wurde von einer praktikablen Vorgehensweise berichtet, bei der das Krankenhaus dem Hausarzt die Entlassungsmedikation zeitnah zur Entlassung per Fax mitteilt. Wenn die Entlassung in einem Netzwerk organisiert wird, könnte auch eine beteiligte Apotheke rechtzeitig die nötigen Informationen erhalten.
Apotheken werden gebraucht
Als einen Weg zur Überwindung der Kommunikationsprobleme verwies Dr. Reinhardt Hanpft, Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg, auf das Projekt Carewerk im Hamburger Süderelbe-Raum, das im nächsten Jahr auf ganz Hamburg ausgedehnt werden soll. Außerdem sollte die Apothekerkammer intensiver über die Zusammenarbeit mit Pflegediensten informieren.
Insgesamt habe die Veranstaltung gezeigt, dass die Apotheke im Gesundheitswesen gebraucht wird, meinte Baehr abschließend. Die Türen seien weit geöffnet, die Apotheker müssten nur hindurchgehen und sich im Gesundheitswesen stärker anbieten.
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