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Streit um TK-Selbstbehalt-Tarif: Neue Ideen in der GKV unerwünscht?

BERLIN (ks). Der vergangene Woche bekannt gewordene Vorstoß der Techniker Krankenkasse (TK), einen Selbstbehalt-Tarif einzuführen, erntet von vielen Seiten Zuspruch Ų aber auch viel Ablehnung. Während die gesundheitspolitischen Sprecher von Union, FDP und Grünen das Modellvorhaben grundsätzlich begrüßen, hält Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wenig von der Idee: "Wir werden ganz genau gucken, wie wir das rückgängig machen können", sagte die Ministerin am 7. Dezember in Berlin. Die TK will ihr Projekt dennoch zum 1. Januar starten Ų eine notfalls gerichtliche Auseinandersetzung scheut die Kasse nicht.

Das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde hatte das für die TK-Versicherten freiwillige Modellvorhaben bereits Ende September genehmigt. Auch das Ministerium soll bereits vor einem guten Jahr über das Projekt informiert worden sein.

Mit dem neuen Selbstbehalt-Tarif sollen TK-Mitglieder die Wahlmöglichkeit erhalten, einen jährlichen Bonus von 240 Euro ausgezahlt zu bekommen – im Gegenzug verpflichten sie sich zur Selbstbeteiligung an möglichen Kosten im Krankheitsfall. Maximal 300 Euro müssen die Versicherten selbst aufbringen. Dabei schlägt ein Arztbesuch pauschal mit 20 Euro zu Buche – Vorsorgeuntersuchungen wie der jährliche Zahnarztbesuch bleiben vom Selbstbehalt unberührt. Vorgesehen ist, das Projekt vom 1. Januar 2003 an für eine Dauer von fünf Jahren durchzuführen und durch ein externes Institut wissenschaftlich begleiten zu lassen.

Schmidt: Selbstbehalt passt nicht in solidarisch finanzierte GKV

Schmidt ist der Auffassung, das geltende Recht decke diesen Modellversuch nicht ab. Zudem sei der Selbstbehalt-Tarif unsolidarisch: "In der gesetzlichen Krankenversicherung führen Selbstbehalte zur Schmälerung der Einnahmen, indem sich Gesunde auf Kosten von kranken Menschen entlasten", erklärte sie am 9. Dezember.

Meist sei der Arztbesuch teurer als 20 Euro – den darüber hinausgehenden Betrag müsse dann die Versichertengemeinschaft zahlen. Zudem führe die Abrechnung für jeden einzelnen Versicherten, der diesen Tarif wählt, zu bürokratischem Aufwand, so die Ministerin. Sie will nun alles tun, die Solidarität zu stärken und zu erhalten. Abstriche daran seien nicht hinnehmbar – "auch nicht als so genannte Modellversuche."

Streit in der Koalition?

Selbst der kleine Koalitionspartner regagierte irritiert über Schmidt klares Nein. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Biggi Bender sagte, es stünde einer "reformbereiten Ministerin" gut an, sich das Experiment der TK anzuschauen, statt es zu verbieten. Es handle sich lediglich um einen Modellversuch, vor dem man keine Angst haben sollte. Zeige sich, dass junge Gutverdienende dadurch von einem Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) abgehalten werden können, nütze dies dem Solidarsystem.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dieter Thomae hielt Schmidt vor, sie verhalte sich gegenüber der TK "völlig unflexibel": "Statt sich darüber zu freuen, dass Krankenkassen nach alternativen Anreizmodellen suchen und mit wettbewerblichen Mitteln potenzielle PKV-Versicherte an sich binden zu wollen, arbeitet sie lieber mit dem staatsdirigistischen Mittel einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze". Er forderte die Regierung auf, mehr auf die Verantwortung und Entscheidungsbereitschaft des Einzelnen zu setzen.

Unterstützung vom DGB

Unterstützung erhält Schmidt von anderen gesetzlichen Kassen wie etwa der AOK oder der Barmer Ersatzkasse. Auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer steht dem geplanten Tarif der TK skeptisch gegenüber: "Dies ist unsolidarisch, denn vor allem chronisch Kranke, alte und behinderte Menschen werden systematisch benachteiligt und müssen noch dazu den Bonus für die jungen und gesunden Versicherten mit ihrem Beitrag mit finanzieren", sagte die DGB-Vize am 9. Dezember in Berlin.

Zu verstehen sei der Ansatz der TK insofern, als sie attraktiv werden wolle für Personen, die überlegten zur PKV zu wechseln. Hierzu seien jedoch andere Maßnahmen nötig, so Engelen-Kefer.

BVA überprüft Genehmigung erneut

Nachdem der Selbstbehalt-Tarif ins Gerede gekommen ist, überprüft auch das BVA seine Genehmigung erneut. Allerdings teilt die Behörde nicht die Rechtsauffassung der Ministerin – der Grund, sich die Genehmigung nochmals anzuschauen, sei vielmehr die ab Januar geplante Anhebung der Versicherungspflichtgrenze. An sich wollte die TK das Selbstbehalt-Modell testen, um ihren freiwillig Versicherten eine Alternative zur PKV zu bieten. So erzielte Beitragseinnahmen sollten dabei Verluste durch die Bonusregelung überkompensieren.

Mit der Anhebung der Versicherungspflichtgrenze wird sich die Anzahl der freiwillig Versicherten reduzieren. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das BVA seine Genehmigung zurück ziehen wird. In diesem Fall will sich die TK ihr Recht auf den Modellversuch vor dem Sozialgericht erstreiten.

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