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Hilfsorganisation
C. BrunnerGrenzen sprengen, Hilfe bringen
Vorbild des nun knapp drei Jahre alten Vereins: die Pharmaciens sans FrontiŹres in Frankreich, die die Idee zur Hilfe aus Apothekerreihen vor knapp 19 Jahren in die Tat umsetzten. Eine Idee, die auch in anderen Ländern gegriffen hat: Apotheker ohne Grenzen gibt es mittlerweile auch in Kanada, Luxemburg, Schweden, Holland, Belgien und Dänemark.
Zu den Zielen des Vereins in Deutschland zählt beispielsweise "weltweit Arznei- und Verbandmittel, Krankenpflegeartikel und medizinische Geräte für Menschen in Not zu beschaffen" oder "die Gesundheitsversorgung in Ländern, die von Krieg, Naturkatastrophen und Armut betroffen sind, gemeinsam mit den Einheimischen neu beziehungsweise wieder aufzubauen". So sagt es die Satzung, doch wie sieht es in der Praxis aus?
Richtig spenden
Beispiel Indien: Mitte Februar 2001 reiste im Rahmen des ersten Einsatzes der Apotheker ohne Grenzen Andreas Portugal, ein Apotheker aus Jarmen, in das damalige Erdbebengebiet von Gujarat/Indien, um dort gemeinsam mit indischen Apothekern und Ärzten Erdbebenopfer zu betreuen. Was er vorfand, würde in Deutschland jeden Pharmazierat am Sinn seines Jobs zweifeln lassen.
Portugal berichtet: "In dem von indischen Ärzten provisorisch eingerichteten Hospital stapelten sich eine Unmenge von Kartons, gefüllt mit einer Vielzahl von Arzneimittelpackungen, hauptsächlich Ärztemuster. Es war keinerlei Ordnung erkennbar. Alle möglichen Arzneimittel waren durcheinander geworfen." Wer sollte in dieses Chaos System bringen, wenn nicht ein Apotheker als Arzneimittelfachmann.
Portugal mühte sich durch Spenden, eine Form der Hilfe, die zu würdigen ist, in der Ausführung aber mehr Schaden als Nutzen bringen kann: Blister ohne Hüllen, wahllos in Kartons geworfen, eine Vielzahl verfallener Arzneimittel, ein Sammelsurium unterschiedlichster Indikationen, nicht abgestimmt auf den Bedarf vor Ort. Hier genau setzt ein Schwerpunkt der Arbeit der "Apotheker ohne Grenzen", an, unter dem Motto: "Arzneimittel richtig spenden, Spendenmüll vermeiden."
Den Bedarf ermitteln
Vor Spendenschnellschüssen sollte man den Bedarf im jeweiligen Land kennen, er unterscheidet sich deutlich von dem in Deutschland gängigen Profil. In Notgebieten braucht man eben nicht hauptsächlich Antihypertonika und Antidiabetika – sie machen aber einen großen Teil der in Deutschland gespendeten Altarzneimittel aus. Viel wichtiger sind Mittel zum Beispiel gegen Malaria oder Tuberkulose.
Unwissen führt dazu, dass bis zu 50 Prozent der Arzneimittel am Bedarf vorbei gespendet und dann aufwändig entsorgt werden müssen, erklärt Ulrich Brunner, seit 2000 Erster Vorsitzender der Hilfsorganisation. Medizinisches Personal in Notgebieten kann mit Beipackzetteln in deutscher Sprache wenig anfangen. Deshalb gilt: Arzneimittel müssen in einer Sprache beschriftet sein, die dem Gesundheitspersonal geläufig ist. Dazu gehört immer der internationale Freiname.
Um Verordnungsfehler durch verwirrende Angaben zu vermeiden, sollte ein Wirkstoff möglichst nur in einer Stärke und Darreichungsform ins Notgebiet gelangen. Und hier längst entsorgte, weil bereits abgelaufene Arzneimittel sind auch in anderen Ländern nicht etwa "besser als nichts".
Ein Jahr mindestens noch sollte die Haltbarkeit betragen. Wer diese Punkte beherzigt und weiterhin darauf setzen möchte, Altarzneimittel zu sammeln, stellt rasch fest, dass Sammeln, Sortieren und im Zweifel Vernichten von Altarzneimitteln weitaus mehr Anstrengung, Manpower und Kosten verursacht als der Einkauf von Bulkware nach den genannten Prinzipien.
Hilfe für Lateinamerika
Ein Vorgehen, das sich für die Apotheker ohne Grenzen bislang bezahlt gemacht hat: Im August 2002 führte die Organisation gemeinsam mit dem Familienministerium DIF in Mexiko eine Gesundheitskampagne durch. Ziel war, etwa 1500 Bedürftige im Bundesstaat Puebla medizinisch und pharmazeutisch zu versorgen.
Die benötigten Arzneimittel beschafften die Mitglieder der Apotheker ohne Grenzen im Land selbst – ein Verfahren, das bei Quellen mit gesicherter Arzneimittelqualität im Drittland der Beschaffung in Deutschland vorzuziehen ist. Weiterhin koordinierten die Apotheker aus Deutschland die Abgabe der Arzneimittel und informierten Patienten darüber, wie sie das Mittel sachgerecht anwenden und lagern können.
Im Gegensatz zum zuvor genannten Einsatz in Indien steht hinter dem Projekt in Mexiko eine langfristige Planung: Gemeinsam mit Gemeinden, der Kirche und einheimischen Hilfsorganisationen streben die Apotheker ohne Grenzen in der Region Puebla den Aufbau von Gesundheitsposten an, um die Bevölkerung nachhaltig medizinisch versorgen zu können.
An die "gute Arzneimittel-Spendenpraxis" der WHO hält sich auch eine aus Argentinien stammende Apothekerin, die in Deutschland lebt und arbeitet. Für die Apotheker ohne Grenzen fliegt sie regelmäßig auf eigene Kosten mehrmals im Jahr nach Argentinien, kauft mittels Spendengeldern Arzneimittel und bringt sie direkt dorthin, wo sie gebraucht werden, etwa in das Gesundheitszentrum San Pantaleôn im Armenviertel Bajo Boulogne im Großraum Buenos Aires. Der direkte Weg verhindert, dass korrupte Beamte, in Argentinien allerorten zu finden, die Hilfe schon im Vorfeld vereiteln.
Auch der Süden Tansanias ist in den Blickpunkt der Organisation gelangt. Der durch Termitenplagen und Dürren gebeutelte Teil des Landes versucht in Chimala die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung mit drei Dispensaries zu sichern, die von einem Krankenhaus mehr schlecht als recht mit Arzneimitteln versorgt werden.
Im November 2002 kundschaftete ein Mitglied der Apotheker ohne Grenzen vor Ort aus, wie langfristig und nachhaltig geholfen werden kann. Bei Redaktionsschluss lag noch kein vollständiger Bericht vor, doch scheint sich die Versorgung der Dispensaries durch von den Apothekern ohne Grenzen organisierte Arzneimittel einrichten zu lassen.
Den eigenen Horizont ausdehnen
Die Apotheker ohne Grenzen arbeiten ehrenamtlich. Reisekosten werden in der Regel finanziert. Schon heute lässt sich jedoch absehen, dass der Verein auf lange Sicht hauptamtliche Mitarbeiter braucht, um die Flut von Aufgaben zu bewältigen, die gerade im Vorfeld von Einsätzen viel Zeit und Kraft brauchen.
Inzwischen hat die Organisation über 260 Mitglieder, neue Kolleginnen und Kollegen sind aber jederzeit willkommen. Nicht zuletzt, weil die Apotheker ohne Grenzen das in der Bevölkerung nach wie vor verbreitete Image des in seinem Laden verhafteten, schubladenziehenden Apothekers aufbrechen helfen.
Und Potenzial in der Apothekerschaft zutage fördern, das im Alltag womöglich verschüttet geht: So gibt es Mitglieder, die eine oder mehrere Fremdsprachen perfekt oder für den Alltagsgebrauch sprechen, solche, die bereits im Ausland gearbeitet haben oder sich in Einzelaktionen schon lange für Länder der dritten Welt engagieren.
Melden Sie sich, wenn Sie sich wiedererkennen, wenn Sie sich aktiv oder ausschließlich über einen Mitgliederbeitrag mit den Apothekern ohne Grenzen solidarisch zeigen möchten. Grenzen sprengen, über den eigenen Horizont hinausgehen und aktiv helfen, die Welt gut zu gestalten: Wer mehr darüber wissen möchte, kann sich informieren unter www.apotheker-ohne-grenzen.de.
Seit knapp drei Jahren gibt es in Deutschland die "Apotheker ohne Grenzen". Zu den Zielen des Vereins zählt es, weltweit Arznei- und Verbandmittel, Krankenpflegeartikel und medizinische Geräte für Menschen in Not zu beschaffen. Die Arbeit beginnt bei der Organisation der Spenden und endet bei der Distribution vor Ort. Um die Aufgaben bewältigen zu können, sucht die Organisation noch neue Mitglieder im Kollegenkreis.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank Frankfurt BLZ 500 906 07 Spendenkonto: 0 005 077 591
Wir schicken Ihnen eine Spendenquittung. Vermerken Sie deshalb unbedingt Ihre vollständige Adresse auf der Überweisung.
Unter www.apotheker-ohne-grenzen.de finden Sie darüber hinaus einen Bestellbogen. Oder faxen Sie einfach unter 07 00 / 26 42 64 10.
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