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Forum Leipzig: Arzneimittelrichtlinien und Negativliste fortentwickeln!
Da im Entwurf für das neue Gesundheitsreformgesetz die Herausnahme der apothekenpflichtigen Medikamente aus der Erstattungspflicht weiterhin vorgesehen ist, und die Kriterien bis auf die Zahl der Indikationen gleichgeblieben sind, wenden wir uns an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Wir befürchten, dass die Patienten belastet werden, ohne dass es zu einer Einsparung für die Krankenkassen kommen wird. Dies wollen wir im Folgenden begründen:
Die Tatsache, dass für diese Regelung bereits drei Ausnahmen vorgesehen sind, bedeutet einen hohen bürokratischen Aufwand, der in sich schon kostentreibend ist.
Zu den drei Ausnahmen im einzelnen ist Folgendes zusagen:
1. Die Begrenzung auf 12 Jahre enthält eine Gesetzesunlogik, da im Punkt 7.4 des Eckpunktepapiers weiterhin eine Zuzahlungsbefreiung bis zum 18. Lebensjahr vorgesehen ist.
2. Der Missbrauch der Ausnahme für "Jugendliche mit Entwicklungsstörungen" ist nicht oder nur mit hohem bürokratischem Aufwand zu kontrollieren.
3. Die Tatsache, dass auch die Medikation für alternative Heilmethoden in den Indikationskatalog aufgenommen werden soll (z. B. Mistelpäraparate bei Krebs), führt zu einer Ausweitung über die vorgesehenen und sicherlich auch rechnerisch zu Grunde gelegten 10 bis 12 Indikationen hinaus. (Dieser Punkt wurde im Entwurf bereits berücksichtigt – eine Einschränkung der Anzahl der Indikationen ist nicht mehr vorgesehen.)
Schon hier zeigt sich, dass das geplante Einsparvolumen nicht zu erreichen ist.
Es sollten folgende Punkte in die Überlegungen einbezogen werden, die zusätzlich zur Kostensteigerung auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Patienten befürchten lassen und damit weitere Folgekosten verursachen:
1. Die Compliance ist bereits heute ein großes Problem in der Pharmakotherapie. Viele Patienten, vor allem aus sozial schwachen Schichten, verbinden mit "Nicht- Erstattungsfähigkeit" Unwirksamkeit und werden entweder aus diesem Grunde oder aus finanziellen Gründen eine notwendige Therapie unterlassen mit den Folgen der Verschlechterung des Krankheitsbildes und damit zusätzlicher Kosten für die Krankenkassen.
2. Um dies zu vermeiden und auf Druck der Patienten ist mit einem nicht unerheblichen Teil von Substitutionsverordnungen zu rechnen, sowohl innerhalb der Wirkstoffgruppen (Antiallergika) als auch verschiedener Wirkstoffgruppen (Paracetamol – Novalgin). Dies führt neben einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko zu einer Kostensteigerung, da nach der zukünftigen Regelung verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige Präparate einer unterschiedlichen AMpreisV unterstellt werden.
3. Es ist damit zu rechnen, dass die Pharmaindustrie versuchen wird, ihre Präparate in der Verschreibungspflicht zu belassen, um damit die Erstattungsfähigkeit zu erhalten. Dies bedingt neben den genannten Gründen Kostensteigerungen durch einen zusätzlich notwendigen Arztbesuch, auch wenn eine Behandlung im Rahmen der Selbstmedikation ausreichen würde.
Zum Schluss möchte wir noch darauf hinwiesen, dass
1. der einheitliche Arzneimittelpreis dem Schutze der Patienten dient, damit er im Krankheitsfall nicht einer Preiswillkür ausgesetzt ist. Eine unterschiedliche Preisgestaltung für ärztliche Verordnungen gegenüber des Erwerbes zur Selbstmedikation ist nicht vertretbar. Auch lässt sich durch die Preisfreigabe im OTC-Markt längerfristig keine Einsparung für den Patienten realisieren, wie Beispiele aus anderen europäischen Ländern beweisen.
2. in Deutschland das Kriterium Verschreibungspflicht – Apothekenpflicht ein reines Arzneimittelsicherheitskriterium ist, dessen Systematik durch die geplante Regelung durchbrochen würde.
3. viele der betroffenen Präparate auf der WHO-Liste der notwendigen Arzneimittel stehen und daher eine Verweigerung der Erstattung nicht vertretbar ist.
Zusammenfassend erklären wir hiermit, dass wir die Herausnahme der apothekenpflichtigen Arzneimittel aus der Verordnungsfähigkeit und die Freigabe der OTC-Preise ablehnen, da
- wir sie für sozial unausgewogen halten,
- ein erhöhtes Arzneimittelrisiko zu erwarten ist,
- die erwarteten Kosteneinsparungen, wie wir in unserem Schreiben versucht haben darzulegen, nicht realisierbar sein werden.
Wir schlagen stattdessen die Fortentwicklung der Arzneimittelrichtlinien und der Negativliste vor, wobei wir die Einbeziehung praktischer pharmazeutischer Kompetenz für unbedingt notwendig erachten.
Wir bitten Sie dringend, unsere Argumente bei Ihren Beratungen über das neue Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz zum Wohle der Patienten mit einzubeziehen.
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