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Gesundheitsreform: Patientenvertreter: GMG-Entwurf enthält schwerwiegende Fehle
Bahlo erläuterte die Mängel des Reformvorhabens am 15. September in Berlin: Zunächst sei der Gesetzentwurf ungerecht, da eine einseitige Lastenverschiebung hin zum Patienten erfolge. Erhöhte Zuzahlungen, Praxisgebühren und die Ausgrenzung rezeptfreier Medikamente würde zudem viele Kranke davon abhalten, medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Die Reform halte die Patienten zudem weiterhin unmündig, so Bahlo. Von der behaupteten Stärkung der Patientensouveränität sei im Gesetzentwurf wenig zu erkennen. So sei etwa fraglich, welche Kompetenzen ein Patientenbeauftragter erhalten soll – Bahlo fürchtet, seine Funktion könne sich in der einer "Feigenblatt-Rolle" erschöpfen.
Auch werde die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) dem DGVP zufolge durch das GMG noch komplizierter und undurchsichtiger. Eine Vielzahl von Vertragsmöglichkeiten, Boni- und Selbstbehalt-Regelungen schaffen einen gigantischen Informationsbedarf bei den Versicherten, erklärte Bahlo. Der Durchblick und Zugang zum System werde erheblich erschwert. Zudem werde die Reform dem Verband zufolge eine ausufernde Bürokratie mit sich bringen.
Es würden vielfältige Kontrollmöglichkeiten und wenig freier Gestaltungsspielraum geschaffen. "Wir befürchten eine gewaltige Genehmigungsbürokratie", so Bahlo. Zudem würden Mehreinnahmen, z. B. Zuzahlungen, zu einem Großteil durch die Verwaltung aufgezehrt. Der DGVP-Präsident verwies auf eine Berechnung, wonach zwei Drittel des Zuzahlungsvolumens in der Verwaltung versickern würden.
Letztlich moniert die Patientenorganisation, dass sich die Leistungen der GKV bei steigenden Kosten verschlechtern werden: Für Leistungen wie Zahnersatz, Krankengeld oder auch nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel werden Versicherte künftig draufzahlen müssen.
Rechtsanwalt Herbert Wartensleben bekräftigt den DGVP in seiner ablehnenden Haltung zur Ausgrenzung rezeptfreier Medikamente aus der GKV-Erstattung. Sie sei systemwidrig und stelle überdies einen grundgesetzwidrigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und einen Angriff auf die Eigentumsgarantie der Hersteller von OTC-Präparaten dar.
Die Verschreibungspflicht diene dem Zweck, bisher unbekannte Gesundheitsrisiken zu minimieren, indem der Einnahme eine Nutzen-Risiko-Bewertung durch den Arzt vorausgeht, erläuterte Wartensleben. Soweit ein Arzneimittel nicht der Verschreibungspflicht nach dem Arzneimittelgesetz unterliege, sei davon auszugehen, dass weder eine potenzielle Gesundheitsgefährdung noch ein Missbrauch zu befürchten ist. Daher sei die Anknüpfung der GKV-Verordnungsfähigkeit an die Verordnungsfähig "extrem systemwidrig", so der Jurist.
Darüber hinaus sei es Herstellern aufgrund der Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes nur äußerst begrenzt möglich, für ihre Arzneimittel außerhalb der Fachkreise zu werben – auch wenn es sich um nicht-verschreibungspflichtige Präparate handelt. Sie müssen daher mit erheblichen grundrechtsrelevanten Einschnitten rechnen.
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