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DAZ-Interview: Die Anzag setzt auf Kooperationssystem mit dem selbstständigen A
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Das GMG ist umfangreich und komplex. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Veränderungen?
Trümper:
Natürlich lassen sich derzeit noch nicht alle Konsequenzen für die Arzneimittelversorgung genau abschätzen. Aber klar ist, dass Veränderungen vor allem in drei Bereichen stattfinden: Die Strukturen der Arzneimitteldistribution verändern sich.
Die neuen Vergütungssysteme und der Wegfall der Preisbindung im nicht rezeptpflichtigen Bereich werden die Margen in wesentlichen Sortimentsbereichen unter Druck setzen, die wirtschaftlichen Spielräume für die Marktteilnehmer reduzieren sich. Und die stark verminderte Erstattungsfähigkeit im nicht-rezeptpflichtigen Bereich wird die Gewichte innerhalb wie auch zwischen den Sortimenten verschieben.
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Was sind die Folgen für die Apotheke?
Trümper:
Die Wettbewerbsbedingungen werden sich deutlich verschärfen. Einerseits wird sich das Marktwachstum verlangsamen, d. h. der Kuchen wird insgesamt nur noch langsam größer. Gleichzeitig führt die Liberalisierung des Marktes dazu, dass neue Wettbewerber auf den Plan treten.
Das GMG setzt eine Marktdynamik in Gang, die zu einem Verdrängungswettbewerb führen wird: Gut aufgestellte Apotheken können ihre Position ausbauen, Apotheken mit einer schwachen Wettbewerbsposition werden noch stärker unter Druck kommen.
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Soll die Apotheke jetzt möglichst schnell in den Versandhandel einsteigen?
Trümper:
Das macht für die meisten Apotheken nur wenig Sinn. Einige große Versandhandels-Apotheken werden dieses Marktsegment unter sich aufteilen. Durch die Preiskappung im hochpreisigen Segment ist der Versandhandel sowieso nicht mehr so attraktiv. Aufgrund der fixen, hohen Versandkosten werden Versandapotheken nur dann profitabel arbeiten können, wenn pro Bestellung möglichst viele Positionen ausgeliefert werden.
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Muss die Apotheke ihre Strategie jetzt grundsätzlich ändern?
Trümper:
Natürlich ist nicht alles, was gestern richtig war, jetzt plötzlich falsch. Aber durch das GMG werden die Weichen neu gestellt: Die Apotheke muss im rezeptpflichtigen Bereich vor allem die Steigerung des Absatzes im Auge haben.
Denn für jede verkaufte Packung erhält sie künftig ein Abgabehonorar von 8,10 Euro und einen Zuschlag von 3% auf den Apothekeneinkaufspreis. Der Apothekenrabatt wird mit 2 Euro je Packung festgesetzt. Und selbst wenn das Honorar aufgrund der jährlichen Rahmenvereinbarungen zwischen Apothekerverbänden und Krankenkassen in den Folgejahren sinkt, wird es darum gehen, sich ein möglichst großes Stück vom Honorar-Kuchen abzuschneiden.
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Aber gleichzeitig wird das Tor für neue Wettbewerber geöffnet. Hat die selbstständige Apotheke da überhaupt eine Chance?
Trümper:
Ich bin überzeugt, dass die meisten Apotheken diese Herausforderungen nicht als Einzelkämpfer bewältigen können. Denn hinter den neuen Marktteilnehmern stehen teilweise Konzerne und Kapitalgeber, die über erhebliche finanzielle Mittel verfügen.
Einzelkämpfer werden nur in Nischenpositionen überleben, das zeigt der Blick auf den Lebensmitteleinzel- und den Non-Food-Fachhandel. 1970 lag der Marktanteil der Fachhändler, die keiner Kooperation angehören, quer über alle Branchen noch bei über 70%, heute ist er auf 5% geschrumpft.
Die selbstständigen Apotheken brauchen einen starken Partner, um sich in ihrem regionalen Markt und gegen die neuen Anbieter erfolgreich behaupten zu können.
Denn auf die Apotheke kommen ganz neue Herausforderungen zu: der Aufbau von Marken, die das Besondere der eigenen Leistung aufmerksamkeitsstark kommunizieren; der Ausbau und die Vermarktung von ertragreichen Sortimenten; die Entwicklung und Durchsetzung einer eigenen Preisstrategie; Verhandlungen mit den Kassen zur Versorgung z. B. chronisch Kranker oder Basel II. Und natürlich müssen auch die Mitarbeiter der Apotheke die Veränderungen verstehen und aktiv unterstützen.
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Wenn man das so hört, hat man den Eindruck: Über kurz oder lang bleibt der Apotheke nicht anderes als die Kette. Hat auch die ANZAG schon ein Konzept in der berühmten Schublade?
Trümper:
Die ANZAG setzt auch in Zukunft ohne Wenn und Aber auf die selbstständige Apotheke. Unsere Antwort auf das GMG und die Anforderungen der Zukunft ist das Kooperationssystem. Im Herbst wird ein komplettes Vertragswerk vorliegen, und dann werden wir die Gespräche mit Apotheken aufnehmen. Ziel unseres Kooperationssystems ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der selbstständigen Apotheke in Deutschland unter sich verändernden Marktbedingungen zu stärken und ihr so eine erfolgreiche Zukunft zu sichern.
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Mit welchen Instrumenten wollen Sie das leisten?
Trümper:
Unser Apothekenkooperationssystem unterstützt die Apotheke umfassend in allen Bereichen, die für ihren Erfolg in Zukunft wichtig sind: Von Anfang an wird der druckvolle Aufbau einer nationalen Dachmarke zur professionellen Endverbraucheransprache den Aktivitäten eine hohe Aufmerksamkeit sichern.
Das Kooperationssystem umfasst alle Leistungen, die ein selbstständiger Apotheker benötigt, um mittel- und langfristig im Markt bestehen zu können: ein Einkaufsmodul, Zentralregulierung, Category Management, gezielte Endverbraucheransprache und der Aufbau von Erfa-Gruppen. Schulungs- und Motivationsmaßnahmen werden die Umsetzung des Kooperationssystems in der Apotheke unterstützen.
Dies ist jedoch nur der Anfang: In 2004 werden wir die Dachmarke systematisch ausbauen, durch Image-Werbung, einen eigenen Internet-Auftritt und insbesondere durch Marketing in der Apotheke. Mit weiteren Leistungsbausteinen wird das ANZAG Kooperationssystem alle wesentlichen Zukunftsanforderungen der selbstständigen Apotheke abdecken bis hin zur Unterstützung im Kontakt mit Leistungsträgern, Ratingunterstützung im Kontext von Basel II und Shops für Zusatzsortimente.
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Ist die Apotheke selbst nicht die beste Marke?
Trümper:
Eine starke Marke wird auch für die Apotheke zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Denn gerade wenn neue Anbieter und Angebote in den Markt kommen, suchen die Verbraucher Orientierung und Sicherheit durch Marken. Marken vermitteln Glaubwürdigkeit und schaffen Vertrauen, sie geben ein Leistungsversprechen und dienen der Unterscheidung vom Wettbewerb.
Das rote Apotheken-A reicht dafür als Markenzeichen nicht mehr aus. Denn es steht ja für ein Sortiment und Leistungsangebot, das mehr oder weniger alle Apotheken offerieren.
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Viele Apotheken haben auch in den Aufbau ihres eigenen Profils investiert ...
Trümper:
Das war auch richtig. Aber klar ist auch, dass die einzelne Apotheke nicht stark genug ist, um sich mit ihrem eigenen Namen gegenüber nationalen Marken zu profilieren. Andererseits kann ich verstehen, dass die Apotheke ihren eigenen guten Namen und ihr eigenes Profil nicht aufgeben will, zum Beispiel in einer Kette.
In unserem Kooperationsmodell setzen wir deshalb auf eine Dachmarkenstrategie. Wir bauen eine starke deutschlandweite Marke zur professionellen Endverbraucheransprache auf. Hier haben wir uns für den Namen vivesco® und den Slogan vivesco®: Gesundheit erleben! entschieden.
Doch im Unterschied zu Kette und Franchisesystem bleibt die Einzelmarke der Apotheke, also z. B. der Name "Sonnenapotheke" bestehen. So bleibt das bereits angesammelte Vertrauenskapital erhalten. Die Apotheke bewahrt ihre Identität und ihren eigenen Namen, und sie partizipiert doch an der Anziehungskraft einer starken Marke.
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Mit der Kooperation wird die Zusammenarbeit zwischen Apotheke und Großhandel enger. Ist die Kooperation doch der Einstieg in die Kette?
Trümper:
Das würde unserer Tradition als Partner der Apotheke widersprechen und ist mit unserem unternehmerischen Auftrag nicht vereinbar. Schließlich sind unsere Eigentümer wie auch unsere Kunden selbstständige Apotheker.
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Heißt das, auch die ANZAG würde lieber die Kette machen?
Trümper:
Im Gegenteil: Ich bin überzeugt, Kooperationssysteme mit einem starken Systemkopf können der Kette Paroli bieten. Das zeigt der Blick in den Einzelhandel – denken Sie zum Beispiel an die erfolgreichen Kooperationssysteme im Elektronik-Handel.
Professionelle Kooperationssysteme bieten den Partnern ähnliche Effizienzvorteile wie die Kette, die Anziehungskraft einer nationalen Marke und den Zugang zu modernen Konzepten und Instrumenten. Aber das Kooperationssystem hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Kette, und das ist der selbstständige Unternehmer vor Ort:
Gerade in einem sensiblen Gebiet wie der Gesundheit kommt es auf Glaubwürdigkeit und persönliches Engagement an – wie es nur der selbstständige Apotheker den Patienten bietet. Wir bei der ANZAG sind überzeugt: Wenn wir ihn durch unser Kooperationssystem umfassend unterstützen, ist und bleibt der selbstständige Apotheker das Erfolgsmodell auch für die Zukunft.
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Herr Trümper, wir bedanken uns für das Gespräch!
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