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Berichte
Medica Düsseldorf: Korruption und Intransparenz im Gesundheitswesen
Grauer und Schwarzer Arzneimittelmarkt
Dr. Gabriele Bojunga, Präsidentin der LAK Hessen, die korporatives Mitglied von IT Deutschland ist, machte unter dem Thema "Im Dunkeln lässt sich gut munkeln" auf den Vertrieb von gefälschten Arzneimitteln aus ausländischer Produktion in Deutschland aufmerksam.
Der Graue Arzneimittelmarkt führt hauptsächlich Produkte mit gefälschter Verpackung und gefälschtem Beipackzettel. Die Ware wird durch Sondereinkäufe vom Großhandel über Zwischenhändler und Broker aus vielerlei Quellen billig auf dem Weltmarkt erstanden und hier in den normalen Vertriebskanal eingeschleust.
Die Fälschungen auf dem Schwarzen Arzneimittelmarkt, bei denen es sich häufig um Produkte mit falschen Inhaltsstoffen oder ohne Wirkstoff handelt, betreffen hauptsächlich Dopingmittel, Lifestyle-Medikamente und Partydrogen.
In Afrika und Asien zählt der größte Anteil der gefälschten Arzneimittel zu den Antibiotika. Herkunft und Qualität der Arzneimittel seien kaum überprüfbar. Die Arzneimittel werden oft weder nach GMP-Richtlinien, noch von Fachpersonal, noch unter behördlicher Überwachung hergestellt und auch nicht fachgerecht gelagert und transportiert. Laut Bundeskriminalamt seien die Gewinne mit Arzneimittelfälschungen durchaus mit denen in der Rauschgiftszene vergleichbar.
Bojunga forderte eine lückenlose Dokumentation des Arzneimittels in der Vertriebskette vom Hersteller des Wirkstoffs bis zum Verbraucher, die Entwicklung fälschungssicherer Verpackungen - wie zum Beispiel in Italien üblich - sowie mehr Engagement und regulatorische Eingriffe seitens der Politik, um diesem Problem zu begegnen.
Interessengeflechte und Korruption aufdecken
Dr. Anke Martiny, stellvertretende Vorsitzende von TI Deutschland, meinte, dass das äußerst komplexe und intransparente System des Gesundheitswesens besonders anfällig für den Missbrauch von Macht zum privaten Nutzen sei. Generell äußert sich Korruption in Vorteilsgewährung und Vorteilsnahme, Bestechung und Bestechlichkeit, meist in Verbindung mit Betrug.
Ziel von TI ist es, das Wechselspiel der beteiligten Akteure sowie die dahinter stehenden Interessen zu erhellen. Im Einzelnen untersucht TI die Beziehungen zwischen Ärzten und Pharmaindustrie, das Interessengeflecht bei den Abrechnungssystemen, die Strukturen der Krankenkassen und der Körperschaften der Selbstverwaltung, insbesondere auf Bundesebene, sowie illegale Handelsstrukturen im Gesundheitsmarkt.
Die beiden Ärzte Dr. Arne Schäffler und Dr. Wolfgang Schwinzer schilderten Transparenzmängel bei den Ärzten (z. B. in der Weiterbildung), ihren Körperschaften (z. B. Informationspolitik der Kassenärztlichen Vereinigungen) und den Krankenkassen.
"Pharma-Marketing" durch Therapieempfehlungen
Prof. Dr. Peter Schönhöfer widmete sich dem Thema "Pharma-Marketing", das nach seinen Beobachtungen die medizinische Forschung im Wege von Datenfälschung, Scheininnovationen und Manipulation mit der Folge eines sinkenden Niveaus der medizinischen Versorgung korrumpiert. Schönhöfer kritisierte vor allem das Missverhältnis der Ausgaben für Forschung und Entwicklung einerseits und für Marketing andererseits.
Auch das Zustandekommen der Therapieleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften kritisierte er: Hier würden korrumpierende Einflüsse der Hersteller in lukrative, wenn auch nicht immer ideale Therapieempfehlungen umgesetzt.
Indem er die "Karriere eines habilitierten Pharmareferenten" beschrieb, machte Schönhöfer klar, dass der medizinische Experte als Meinungsbildner ganz besonders im Fokus von Beeinflussung und Korruption stehe. Bei den Ärzten forderte er u. a. einen speziellen Verhaltenskodex und die Offenlegung von Beziehungen bei fachlichen Aussagen.
Kommerzialisierung der Forschung
Der Vorstandsvorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen, kritisierte ebenfalls die zunehmende Kommerzialisierung der Forschung und deren institutionelle Verflechtungen. Er forderte eine neue Unabhängigkeit der Experten. Das Wechselspiel zwischen den Institutionen und Forschern, die klinische Studien durchführen, und der pharmazeutischen Industrie sei bisher wenig untersucht.
Selbst die sog. unabhängige Forschungsförderung sei oft politisch ausgerichtet und von wirtschaftlichen Interessenslagen beeinflusst. Müller-Oerlinghausen forderte, die jeweiligen Interessen offenzulegen und transparente Strategien zu entwickeln, die den Nutzen für den Patienten bzw. für den Hersteller erkennen lassen.
Auch bei den Zulassungsbehörden und bei den medizinischen Fachgesellschaften (s.o.) müsse nach innen und außen für mehr Transparenz gesorgt werden.
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