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DAZ aktuell
Steuer- und Arbeitsmarktreform: Parteispitzen einigen sich auf "halbe Reform"
Die Bürger können nun ab 2004 mit einer Steuerentlastung von rund 15 Mrd. Euro rechnen – Rot-Grün hatte zunächst eine Entlastung um insgesamt 22 Mrd. Euro angestrebt. Die zweite Stufe der Steuerreform, die wegen der Flutkatastrophe 2002 in Ostdeutschland um ein Jahr verschoben wurde, kommt wie geplant.
Die dritte Stufe wird allerdings nicht vollständig, sondern nur teilweise vorgezogen: Der Eingangssteuersatz wird zum Januar 2004 von 19,9 auf 16 Prozent und der Spitzensteuersatz von 48,5 auf 45 Prozent gesenkt. Ab dem 1. Januar 2005 gilt dann ein Eingangssteuersatz von 15 Prozent und ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Der Grundsteuerfreibetrag steigt im nächsten Jahr auf 7664 Euro.
Finanziert werden soll die Steuerentlastung zu rund 25 Prozent über neue Kredite. Im Wert von 5,3 Mrd. Euro will der Bund eigenes Vermögen privatisieren. Verkauft werden sollen Aktien der Telekom und der Post sowie möglicherweise von Flughäfen. Rund die Hälfte der Einnahmen aus diesen Verkäufen werde an die Länder weitergeleitet.
Lockerungen beim Kündigungsschutz
Für Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigen wird zudem das Kündigungsschutzrecht gelockert: Wer im kommenden Jahr in einem solchen Betrieb neu eingestellt wird, genießt keinen umfassenden Kündigungsschutz mehr. Bestehende Arbeitsverhältnisse sind von der Regelung nicht betroffen. Bislang liegt die Grenze noch bei fünf Beschäftigten.
Bei der Tabaksteuer, deren Erhöhung künftig der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dienen soll, hat man sich ebenfalls einigen können: Ab März 2004 wird jede Zigarette in drei Schritten um jeweils 1,2 Cent teurer.
Weitere Regelungen sind etwa die Kürzung der Eigenheimzulage um 30 Prozent und die Senkung der Pendlerpauschale von 36 auf 30 Cent pro Kilometer. Zudem ist die von Rot-Grün angestrebte Einführung der Gewerbesteuer für Freiberufler vom Tisch. 2005 sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt werden.
Die Bezieher dieses neuen Arbeitslosengelds können auf Wunsch auch von Kommunen betreut werden. Weiterhin soll Langzeitarbeitslosen künftig grundsätzlich die Annahme jeder Arbeit zumutbar sein – auch wenn sie nicht tariflich oder ortsüblich bezahlt wird.
Ein Kompromiss, mit dem alle Seiten leben können?
Bundeskanzler Gerhard Schröder räumte nach den nächtlichen Verhandlungen ein, dass man das gewünschte Ergebnis nicht erzielt habe. Dennoch sei der Kompromiss "absolut in Ordnung".
Die CDU-Parteichefin Angela Merkel bezeichnete das Ergebnis als gut – es trage die Handschrift der Union. Die Union habe dank ihrer Geschlossenheit eine "Menge von dem erreicht, was unser Anliegen war", so Merkel. Nur die Verknüpfung von Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt mit steuerlichen Entlastungen unter der Maßgabe solider Finanzen bringe das Land wirklich voran.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Krista Sager, sprach von "bitteren Pillen", die der Kompromiss beinhalte – so etwa bei der Aufweichung des Kündigungsschutzes. "Mit Blick auf das Gesamtergebnis halten wir diese Zugeständnisse an die Union aber für vertretbar", so Sager.
FDP-Parteichef Guido Westerwelle sagte zum Ergebnis: "Hier ist ein solider Schritt in die richtige Richtung gemacht worden." Die große Steuerstrukturreform müsse aber erst noch kommen.
Es gab jedoch auch Kritik: So etwa von den SPD-Linken Ottmar Schreiner, Sigrid Skarpelis-Sperk und Horst Schmidbauer sowie dem Grünen Christian Ströbele. Sie kritisieren insbesondere die Arbeitsmarktreformen.
Gesetzgebung im Eilverfahren
In einer abschließenden, so genannten Bereinigungssitzung am Nachmittag des 16. Dezember (nach Redaktionsschluss der DAZ) sollten die gefundenen Kompromisse in Gesetzesform gebracht und letzte offene Details abgestimmt werden. Grundlegende Änderungen der vereinbarten Eckpunkte wurden nicht mehr erwartet.
Damit die Reformen zum 1. Januar 2004 in Kraft treten können, ist nun Eile angesagt: Am Donnerstag sind die Fraktionen gefragt, am Freitag, dem 19. Dezember sollen die Reformvorhaben sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat beschlossen werden.
Trotz kritischer Äußerungen aus den Reihen der Koalition setzt der Bundeskanzler bei der Bundestagsabstimmung auf eine rot-grüne Mehrheit. Zuletzt muss Bundespräsident Johannes Rau das über 2000 Seiten starke Gesetzespaket absegnen. Um das zu bewältigen, verzichtet das Staatsoberhaupt auf seinen Weihnachtsurlaub.
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