Gewürzdrogen

K. KrützfeldtIngwer – das "göttliche Feuer"

"Die Chinesen haben ... Schießpulver, Papier und Porzellan erfunden. Außerdem haben sie mit der unansehnlichen Wurzel einer unansehnlichen Pflanze so lange hantiert, sie angebissen, ausgespuckt, neu nachgedacht, sie gehackt, gesotten, getrocknet und gegoren, bis das hinreißende Gewürz Ingwer entdeckt wurde", schrieb Friedrich Müller in seinem Buch "Wo der Pfeffer wächst". Kein anderes Gewürz verknüpfen wir in unserer Vorstellung so eng mit dem Reich der Mitte wie Ingwer. Vermutlich sind daran die kandierten Ingwerstäbchen in ihren fernöstlich angehauchten Verpackungen nicht ganz unschuldig, die wir zum Tee oder gegen Magenverstimmung knabbern. Doch der Schein trügt. Ursprünglich stammt Ingwer (Zingiber officinale) nicht aus China, sondern aus den feuchtwarmen Tropenwäldern Hinterindiens. Er zählt Ų ebenso wie Galgant und Gelbwurz (Curcuma) Ų zur großen Familie der Zingiberaceae. Als Gewürz und Heilmittel wird der daumendicke Wurzelstock verwendet.

Während die Geschichte anderer Gewürze mit Blut geschrieben wurde, fanden im Namen des Ingwers keine Kriege oder abenteuerliche Entdeckungsfahrten statt. Ingwer war weder selten noch unerschwinglich teuer. Dafür glänzte er mit großen inneren Werten, die ihm seinen Weg in (fast) alle Küchen und Apotheken der Welt bahnten.

Tausende von Jahren galt das geweihartig verzweigte, geschuppte Rhizom als Mittel, "lustvollen Naturen zu helfen". Nostradamus legte allen Liebenden den Genuss von Ingwerkonfitüre ans Herz, "damit der Mann seine natürliche Pflicht erfülle". Doch Ingwer hat weit mehr zu bieten als die Sinne zu stimulieren. Heute ist bekannt, dass er unter anderem beruhigende, entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften besitzt. Er hilft gegen Übelkeit bei Reisekrankheit und Schwangerschaft ebenso wie gegen Beschwerden des Verdauungstraktes.

Günstige Wirkung wird Ingwer bei Haar- und Hautleiden zugesprochen, weshalb er zurzeit als Zutat in entsprechenden Kosmetika und Haarpflegeprodukten beworben wird. In der kälteren Jahreszeit "wärmt" Ingwer(tee) den Magen, schützt vor Erkältungen und lindert als Hausmittel die Beschwerden bei Husten und Schnupfen.

Erstaunlicherweise ist das aromatische Rhizom in der hiesigen Küche kaum zu finden. Doch seit Spitzenköche wie zum Beispiel Eckard Witzigmann das uralte Gewürz für ihre Sterne-dekorierten Gerichte neu entdeckten, gewinnt Ingwer auch bei uns ständig an Beliebtheit. Zur Weihnachtszeit kommt er allerdings groß heraus: Als würzige Zutat von Ingwerbrot, heißem Punsch und allerlei Plätzchen.

Ein Gewürz zum Anbeißen

Ingwer ist wohl das einzige Gewürz, in das man im frischen Zustand wie in einen Apfel hineinbeißen kann. Sein außen weißlich-graues, innen faseriges gelbes "Fleisch" schmeckt zitronig-pfeffrig und duftet leicht nach Campher. Die getrockneten Rhizome sind dagegen hart, brennend-scharf und riechen aromatisch.

Ingwer wird inzwischen überall dort angebaut, wo er warmes, tropisches Klima vorfindet: in großen Teilen Asiens, Australiens, Afrikas, aber auch in Jamaika, Mexiko oder Hawaii. Obwohl die Staude mehrjährig ist, wird nach jeder Ernte neu gepflanzt. Dafür verwenden die Pflanzer fingergliedgroße Rhizomteile mit Augen und setzen sie am Ende der Regenzeit in die Erde. Die Pflanze wächst mit schilfähnlichen lanzettförmigen Blättern bis zu einer Höhe von 1,50 Metern heran. Ihre gelben und orangefarbenen Blüten verströmen einen aphrodisierenden Duft, weshalb sie gern in Liebestees verarbeitet werden.

Bei der Ingwerernte neun bis zwölf Monate später dreht man die Wurzelstöcke mit einer kleinen Grabgabel aus dem Boden, ohne ihre hellbräunliche Haut zu beschädigen. Je nach Herkunft wird der Ingwer anschließend höchst unterschiedlich aufbereitet. Zunächst werden die Rhizome sortiert, gewaschen und kurz in kochendes Wasser getaucht oder begast, um Bakterien und Schädlinge abzutöten. Danach trocknen sie, auf Matten ausgebreitet, drei bis vier Tage lang in der Sonne. Während westafrikanischer Ingwer ungeschält getrocknet wird, schält man in Indien die Rhizome mit speziellen Messern aus Bambus (Metall beeinträchtigt das Aroma) und legt sie in Kalkmilch, um sie aufzuhellen und zu konservieren.

In Jamaika wäscht man den Ingwer zunächst in kaltem Wasser, dann wird er geschält und erneut gewässert. Gewaschener und getrockneter Ingwer gelangt als "schwarzer", "grauer" oder "bedeckter" Ingwer in den Handel, während geschälte Ware als "weißer" oder "unbedeckter" Ingwer bezeichnet wird.

Wie bei allen Gewürzen gibt es auch beim Ingwer verschiedene Handelsklassen, die geschmacklich und qualitativ variieren. Das feinste Aroma hat Jamaika-Ingwer. Er verdrängte bei uns die beißenderen bengalischen Ingwersorten. Westafrikanischer Ingwer enthält am meisten ätherisches Öl und ist dementsprechend die schärfste aller Sorten.

Malabar-Ingwer hat einen zitronenartigen Beigeschmack, australischer Ingwer ist besonders mild und aromatisch. Stern-Ingwer weicht geschmacklich oft vom typischen Ingwer-Aroma ab, er wird deshalb in Zuckerlösung eingelegt und kandiert. Die zum Kandieren bestimmten Rhizome reifen kürzer, sie sind milder im Aroma und nicht so hart. Wie in alten Zeiten stammen sie meist aus China.

Chinesische Mumien und ein Säckchen Ingwer

Als chinesische Archäologen 1973 in Changsha das Fürstengrab von Mawangdui (datiert 168 v. Chr.) öffneten, entdeckten sie neben einer in Seide gehüllten Mumie zahlreiche Säckchen mit Arzneidrogen. Zu den identifizierten Heilmitteln gehörte getrockneter Ingwer (chin. ganjiang) – ein Beweis dafür, dass dieses Gewürz schon vor 2200 Jahren zu den wichtigsten Arzneimitteln Chinas zählte.

Die überraschten Ausgräber fanden außerdem eine Reihe von Gefäßen, die mit Ingwer gewürzte Speisen enthielten. Die alten Chinesen mochten also selbst im Jenseits nicht auf ihn verzichten! Nur das Modegetränk jener Zeit suchten sie vergeblich: Tee, der wie eine dicke Suppe aus pulverisierten Teeblättern, Ingwer, Schalotten und Tangerinenschale gekocht wurde.

Niemand weiß, wann Ingwer ursprünglich nach China gelangte. Erstmals schriftlich erwähnt wurde er in den "Gespräche(n) des Konfuzius". Darin heißt es über den berühmten Philosophen (551 – 479 v. Chr.): "Wenn er aß, war er nie ohne Ingwer." Heute kennen die Chinesen angeblich elf Rezepte mit Ingwer für jeden Tag des Jahres – ein unerreichter Weltrekord! Die im Frühling geernteten zarten Seitensprossen des jungen Ingwers gelten als Delikatesse und werden wie Gemüse zubereitet.

Eine wichtige Rolle spielt Ingwer bei der Zubereitung von Saucen: Ihre Hauptwürzen Ingwer, Essig, Reiswein und Salz variieren je nach Jahreszeit in ihrer zugegebenen Menge. Nicht zufällig: Sie sollen für die Balance zwischen (kalter) Yin- und (heißer) Yang-Energie in den Speisen sorgen. Ingwer wird dabei als trockenes, warmes Gewächs mit viel Yang-Energie geschätzt, das besonders gegen Beschwerden durch kaltes, feuchtes Wetter eingesetzt wird. Es ist daher kein Zufall, dass man an eisigen Wintertagen überall in Nordchina heißen Ingwertee kaufen kann, der innerlich wärmt und vor Erkältung schützen soll.

Andererseits schätzt man Ingwertee durchaus auch in heißen Gegenden der Erde, da er schweißtreibend und durch die Verdunstung auf der Haut kühlend wirkt. Instant-Ingwertee mit (Rohr-)Zucker wird deshalb nicht nur in China, sondern auch in Thailand oder Indonesien angeboten. Selbst hierzulande gehört er immer öfter zum Sortiment asiatischer Supermärkte.

Um das Gewürz stets frisch zur Hand zu haben, werden die Rhizome in Reiswein eingelegt oder in mit Erde gefüllte Töpfe gepflanzt. Eine Konservierungsmethode, die schon Marco Polo (1254 – 1324) beeindruckte, als er mit eigenen Augen die eingetopften Ingwer-Pflanzen von Kain-du (Beijing/Peking) sah. Eine Vorratshaltung, die nachweislich mindestens seit dem fünften Jahrhundert bekannt ist. Bereits damals exportierten die Gewürzhändler große Mengen Ingwer von China nach Südostasien.

Auf der langen Reise verfaulten die Rhizome oft in den feucht-warmen Frachträumen der Schiffe oder sie wurden von Käfern angefressen – ein Problem, mit dem sich noch heutige Ingwerhändler auseinander setzen müssen. Die Chinesen fanden eine perfekte Lösung: Um einwandfreie Ware liefern zu können, verschickten sie ausschließlich in Töpfen gezüchtete Ingwerpflanzen. Eingetopfter frischer "grüner" Ingwer gelangte schließlich sogar bis nach Europa.

Ingwerbäder, Brandwunden und Schlangenbisse

Schon die im Mawangdui-Grab gefundene Rezeptsammlung Wushier Bingfang ("Rezepturen gegen 52 Krankheiten") erwähnt Ingwer. Die traditionelle chinesische Medizin verwendet ihn in Form von Öl, als Extrakt oder getrocknet und gemahlen als Pulver. Aber auch frischer Ingwer (chin. shengjiang) kommt zum Einsatz. Nach chinesischen Vorstellungen hilft Ingwer, Phlegma zu lösen und die Magen- und Verdauungsfunktion zu stärken. Daneben wird er gegen Übelkeit, Rheumatismus, zur Behandlung von Haarausfall, Zahnschmerzen, Lungenerkrankungen und Schlangenbissen eingesetzt. Als Kontraindikationen gelten Yin-Mangel und innere Hitze. Auch bei Augenkrankheiten, Hämorrhoiden und Hypertonus soll er nur vorsichtig eingesetzt werden.

Frischer Ingwer wird in China oft genutzt, um Brandverletzungen ersten und zweiten Grades zu behandeln. Dafür wird er in fünf oder sechs Lagen Reispapier gewickelt und mit heißen Kohlen bedeckt. Nachdem sich das Papier schwarz gefärbt hat und entfernt worden ist, presst man den Saft aus und appliziert ihn auf den Brandwunden.

Bei Moxabehandlungen schützen frische Ingwerscheiben die Haut vor der Hitze der angezündeten Heilkräuter. Besonders günstige Wirkung wird Ingwer bei Haar- und Hautleiden zugesprochen. Er fördert dabei die Durchblutung, reguliert die Lebensenergie Chi und die Feuchtigkeit.

Bei Alopecia werden frische Scheiben von Ingwer oder ausgepresster Ingwersaft auf die Kopfhaut gerieben, um die Durchblutung anzuregen. Aber auch eine Mischung aus pulverisiertem chuanwu (eine Art Aconitum) und Ingwersaft oder eine Tinktur aus Dictamnus, Biota-Blättern, Ingwer, Crataegus und Angelica wird ein- bis zweimal am Tag auf die blanke Haut aufgetragen.

In Japan sind Ingwerbäder bekannt, die gegen Hautleiden helfen. Da sie etwas reizend wirken, dürfen sie nicht oder nur in verringerter Dosis bei empfindlicher Haut angewendet werden. Ingwer ist darüber hinaus Bestandteil vieler traditioneller Arzneimittelmischungen. Schon vor 1800 Jahren verschrieb Zhang Zhong-Jing bei Fiebererkrankungen eine Brühe aus Cassia, Ingwer, Paeonia lactiflora, Glycyrrhiza uralensis und Ziziphus jujuba, um Kranke von Fieber, Schweißausbrüchen, Kältegefühl und Übelkeit zu befreien.

Gegen Ende der Han-Dynastie (ca. 220 n. Chr.) erwähnte die Abhandlung Jingui Laoyue eine Kräutermischung für die Behandlung von Halserkrankungen, die in heutiger Zeit dank der Forschung japanischer Wissenschaftler in der Kampomedizin weithin bekannt wurde: Pinellia-Magnolia-Rezeptur (Banxia Houpu Tang) aus je zwölf Gramm Pinellia und Hoelen, je neun Gramm frischem Ingwer und Magnolia und sechs Gramm Perilla. Sie wirkt bei Spasmen des Ösophagus, Schluckbeschwerden bei (älteren) Männern und Frauen bis hin zu einer normalen Erkältung. Die Mischung verbessert den Schluckreflex bei Lungenentzündung, Schlaganfall und fortgeschrittener Parkinsonerkrankung.

Aus der Ming-Dynastie stammt die heute immer noch gebräuchliche Rezeptur Zhisuo Erchen Tang, die unter anderem aus Kardamom, Magnolia-Rinde, Ingwer, Citrus, Fenchel, Süßholz hergestellt wird. In der chinesischen Medizin wird sie bei Magenschmerzen und -geschwüren, Angina pectoris und Rückenschmerzen verschrieben [1]. Ingwer spielt darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Vorbehandlung der Drogen für traditionelle chinesische Arzneien (Pao Zhi). Dabei dient Ingwerpresssaft als eines der Mittel, um die pharmakologischen Eigenschaften der Drogen zu modifizieren oder um ihre Toxizität zu reduzieren oder zu beseitigen. Auch um Pillen zu formen, werden die Zutaten häufig mit Ingwersaft verarbeitet.

Unverzichtbar war und ist Ingwer als Aphrodisiakum. Als stimulierende Tonika galten Pillen aus Ingwer- und Ginsengwurzel, Opium, Moschus und pulverisierten Shrimps. Eine Kur mit Tee, der zu gleichen Teilen aus Ginseng, Ingwer, Süßholz und Brustbeeren besteht, soll den ganzen Unterleib mit Sexualenergie durchfluten. Zusätzlich hilft man mit erotischen Tees aus duftenden Ingwerblüten und -rhizomen den Männern auf die Sprünge.

Wer früher auf Nummer sicher gehen wollte, hängte zwei Scheiben frischen Ingwers an die Seiten des Hausaltars oder legte ein paar seiner Wurzelstöcke zu den Opfergaben. Das sollte die Götter günstig stimmen, männliche Nachkommen zu schicken. Stellte sich der ersehnte Nachwuchs endlich ein, durfte auf dem Festmahl zu seinen Ehren nie ein Schälchen mit eingelegten Ingwerscheiben fehlen. Durch den Kontakt mit Essig nahmen sie eine glückverheißende rosa Farbe an. Auch hierzulande kennt man diesen rosigen Ingwer, wenn auch in einem ganz anderen Zusammenhang: als Würzmittel für Sushi.

Das "göttliche" Feuer lodert auf

In Indien wird Ingwer ebenfalls seit Jahrtausenden geschätzt. Kaum ein Gericht der berühmten indischen Küche kommt ohne ihn aus. Viele Speisen werden sowohl mit getrocknetem als auch mit frischem Ingwer abgeschmeckt. Er ist darüber hinaus fester Bestandteil der meisten indischen Gewürzmischungen, deren bekanntester Vertreter sicher Curry ist. Andere Mischgewürze dienen gleichzeitig als ayurvedische Heilmittel. Dazu zählt "Hingwasthaka", das aus Ingwer, Asa foetida, zwei Sorten Pfeffer, Cumin und Kochsalz besteht. Die Gewürzmischung kann entweder übers Essen gestreut oder als Pille eingenommen werden. Sie wirkt bei schwacher Verdauung, speziell bei Stauungen des Phlegma.

Ein wichtiges Anregungs- und Verjüngungsmittel ist die in Indien weithin bekannte Gewürzmischung "trikatu" ("drei Gewürze"), die zu gleichen Teilen aus Langem Pfeffer, Ingwerstückchen und schwarzem Pfeffer besteht. Man setzt sie auch als begleitendes Mittel in Medizinzubereitungen ein, da durch ihre anregenden Eigenschaften die Aufnahme von Wirkstoffen aller Art verbessert werden soll.

In der Ayurvedamedizin gilt Ingwer traditionell als magenstärkend, speicheltreibend, verdauungsfördernd, schleimlösend und entzündungshemmend. Er soll agni, das innere göttliche und schöpferische Feuer anregen, den Kreislauf stärken und den Darm reinigen [6]. Ingwer wird in der Ayurvedamedizin intensiv verwendet, um Blutgerinnsel zu vermeiden (z. B. bei Herzleiden), den Cholesterinspiegel zu senken oder Arthritis zu bekämpfen.

Schon in der Susruta mushkakdigana (vermutlich 4. Jh. vor Chr.) zählte Ingwer zu den Gewürzen, die verschrieben wurden, um Fett zu reduzieren, Harnwegs-, Hämorrhoidenleiden und Gelbsucht zu heilen. Um die Verdauung zu stärken, empfehlen Vorschriften der Ayurvedamedizin, vor der Mahlzeit frischen, nassen Ingwer mit etwas Salz zu kauen.

Eine aus Ingwer, Milch und Zucker gekochte Paste dient als Haustrank bei Erkältungen und Schnupfen. Ein Hustensirup aus Honig und Ingwer gehört noch heute zu den beliebtesten Hausmitteln der Inder.

Auch bei Rheumakranken wird Ingwer zur Schmerzlinderung eingesetzt. Bei rheumatischen Herz- und anderen Entzündungskrankheiten führt man Kuren mit Ingwer durch. Sie beginnen mit zehn Gramm Ingwer pro Tag mit einer gleichen Menge Zucker. Die gesteigerte Dosis wird der individuellen Verträglichkeit angepasst. Ingwer hilft nach ayurvedischem Verständnis sowohl bei chronischem Durchfall wie auch bei chronischer Verstopfung.

Als Aphrodisiakum empfahl Sargadhara Samhitha aus dem 13. Jahrhundert ein Pulver, das unter anderem aus Ingwer, Opium, Kubebenpfeffer, Muskat, Nelken, Sandelholz bestand. In Indonesien gilt Ingwer als Liebesmittel für Männer und Frauen gleichermaßen. Mütter, die gerade entbunden haben, bekommen in Malaysia und Indonesien 30 Tage lang Ingwersuppe verabreicht, um Unreinheiten auszuschwitzen. In der tibetanischen Medizin wird Ingwer verwendet, um Schmerzen zu lindern.

Der Name des Ingwers stammt übrigens vom Sanskrit-Wort "singabera" ("geformt wie ein Horn") ab. Daraus entwickelte sich lateinisch "zingiber", italienisch "zenzero", französisch "gingembre", englisch "ginger" und deutsch "Ingwer".

Die "Wurzel des Pfefferbaumes"

Über die alten See- und Landhandelswege gelangte getrockneter und frischer "grüner" Ingwer in Töpfen zu den Griechen und Römern. Damit war es eines der ersten asiatischen Gewürze, das seinen Weg gen Westen antrat. Vor allem die Griechen liebten sein Aroma. Sie wickelten Ingwerscheiben in Brot und aßen es nach den Mahlzeiten als Verdauungshilfe – ein Vorläufer von Ingwerbrot und -konfekt. Tatsächlich soll schon 300 Jahre vor unserer Zeitrechnung ein Bäcker auf Rhodos Ingwerbrot gebacken haben. Auch der Feinschmecker und Erfinder extravaganter Gerichte Marcus Gavius Apicius (geb. ca. 25 n. Chr.) liebte Ingwer. Er würzte Fleischgerichte, gefülltes Huhn, Erbsen- und Bohnenpürees mit dem aromatischen Gewürz.

Die Köche dieser Zeit verwendeten oft Ingwer anstelle von Pfeffer, da er geschmacklich ein wenig an das "schwarze Gold" erinnert. Mehr noch: Ingwer galt sogar als Wurzel des Pfefferbaumes, was Plinius in seiner Naturgeschichte jedoch dementierte. Er war der Meinung, dass Ingwer die weiße Wurzel eines "bestimmten kleinen Krautes" sei und wild in Arabien wachse. Weiter berichtete er, dass Ingwer leicht von Würmern angefallen und verdorben werde, obwohl er sehr bitter und beißend sei.

Eine Darstellung, die Dioskurides im ersten Jahrhundert n. Chr. in "De Materia Medica" bestätigte: "Der Ingwer ist ein Gewächs eigener Art, welches am meisten im troglodytischen Arabien wächst; sie gebrauchen den jungen Schössling zu vielerlei, wie wir die Raute, indem sie ihn für den Vortrunk kochen und dem Gekochten zumischen. Die Wurzeln sind klein (...), weißlich, an Geschmack dem Pfeffer ähnlich und wohlriechend." Beim Kauf sollte man darauf achten, dass sie nicht von den Würmern zerfressen sind. "Wegen leicht eintretender Fäule werden sie von Einigen eingemacht und in irdenen Behältnissen nach Italien gebracht; sie sind zur Speise sehr geeignet und werden mit der Sauce genommen." [2]

Dioskurides nutzte Ingwer jedoch nicht nur für die Küche. Er schrieb über die Wurzeln: "Sie haben erwärmende, die Verdauung befördernde Kraft, regen den Bauch milde an und sind gut für den Magen. Sie wirken auch gegen Verdunkelungen auf der Pupille, werden den Gegengiften zugemischt und gleichen überhaupt in ihrer Kraft dem Pfeffer."

Ingwer kam auch in Rezepten gegen Appetitlosigkeit zum Einsatz. So verschrieb der griechisch-römische Arzt Galen von Pergamon (131 – 201 n. Chr.) dagegen eine Mischung aus etwas weißem Pfeffer, Ingwer, Honig, Quittensaft und Essig. Von Galen wird überdies berichtet, dass er Lähmungen mit Ingwer kurierte, die durch ein Ungleichgewicht des Phlegma im Körper hervorgerufen wurden.

Das heilige Gewürz des Propheten

Pflanzen, die im Koran genannt werden, gelten als heilig. Ingwer ist eine davon. Er versüßt sogar den Bewohnern des Paradiesgartens das Dasein, wie es in der 76. Sure heißt: "Man gibt ihnen dort aus einem Becher Wein mit Ingwer-Wasser zu trinken, aus einer Quelle, welche Salsabil heißt." Darüber hinaus nennt der Koran Ingwer als Mittel zur Förderung der Verdauung und zur Stärkung der geschlechtlichen Aktivität. Der Prophet und Religionsgründer Mohammed (570 – 632) war als junger Mann selbst erfolgreicher Gewürzhändler in Mekka. Er schätzte Ingwer sehr, wie Abu Sa'id, einer seiner Begleiter, berichtete.

Zu jener Zeit hatte Ingwer einen geradezu legendären Ruf. Al Tabari, der Autor von Firdaus-ul-Hikmat (Paradise of Wisdom, ca. 850), schreibt: "Wenn eine Person sieben Stücke Zanjabil (getrockneten Ingwer) in Form von Marmelade, die mit Honig zubereitet wird, einnimmt, sieben Tage im Monat für einige Zeit, wird er beschützt vor Phlegma-Krankheiten wie Lähmung, Rheumatismus (...) und es beruhigt auch den Magen. Es ist eine Hilfe im Alter."

Der berühmte arabische Arzt Avicenna (980 – 1037) behandelte Gichtkranke mit Ingwer und verschrieb ihn mit Honig und etwas Pfeffer vermischt als Mittel, um die Sexualität zu stimulieren. Avicenna hielt Ingwer für ein Nahrungs- und Heilmittel zugleich [3].

Tatsächlich gelangte das Gewürz in viele Würzmischungen der arabischen Küche. Noch heute enthält die weit bekannte Gewürzmischung garam masala neben Nelken, Koriander, Pfeffer und Cumin viel Ingwer. Im jüdischen Talmud heißt es, dass Ingwer für den ganzen Körper hilfreich sei. Unter anderem galt er als eines der Mittel, die bei der Behandlung von Furunkeln eingesetzt wurden. Ingwer, den "eine Frau in ihren Mund nimmt", vertreibt darüber hinaus Mundgeruch.

Im 12. Jahrhundert waren sich arabische und jüdische Gelehrte der medizinischen Schule von Salerno einig, was den Einsatz des Ingwers betraf: "Der Kälte des Magens, der Nieren, der Lunge Tritt der erhitzende Ingwer zu Recht entgegen Er löscht den Durst, belebt und regt an Im Alter erweckt er aufs neue die Liebe im Mann."

Königliche Lebkuchenmänner

Spätestens seit dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung war Ingwer in weiten Bereichen des Abendlandes bekannt. Islamische Kaufleute brachten Ingwer über das Rote Meer und Mekka nach Alexandria oder durch den Persischen Golf nach Konstantinopel. Später übernahmen ihn die Venezianer in Alexandria und verbreiteten ihn in ganz Mittel- und Nordeuropa. Nach Deutschland gelangte das Gewürz im 9. Jahrhundert und fand begeisterte Aufnahme.

Bereits im Lorscher Arzneibuch von etwa 800 tauchte Ingwer in einem Rezept gegen Bauchschmerzen auf. Der arabische Arzt und Händler Ibrahim Ibn Yaakub entdeckte die begehrte Würze im Jahr 973 sogar in Mainz. Im Kloster Hirsau gebrauchten die frommen Brüder unter Abt Wilhelm (1069 – 1091) Pfeffer und Ingwer, und auch Kochbücher wie das aus dem 14. Jahrhundert stammende "Buch von guter spise" kamen ohne große Mengen Ingwer nicht aus. So würzte man Hühner ebenso mit Ingwer wie Stockfisch oder Gewürzweine. Im Mittelalter wurde er schließlich so beliebt, dass die Baseler Gasse der Gewürzkrämer in "Imbergasse" umgetauft wurde.

Die Römer brachten Ingwer nach Britannien – und die Engländer kamen nie wieder davon los. Schon im 10. Jahrhundert entwickelten sie eine Vorliebe für Ingwer, die bis heute erhalten blieb. Erhaltene Klosterrezepte zeigen, dass er für süße und salzige Zubereitungen verwendet wurde.

Englands Königin Elisabeth I. soll höchstpersönlich mit Ingwer gewürzte Lebkuchenmänner erfunden haben, als sie anordnete, kleine Ingwerküchlein zu backen, die nach dem Bild der Mitglieder ihres Zirkels geformt waren. Besonders begehrt waren Gingerbeer und Gingerbread. Der Name "ginger bread" leitet sich vermutlich von "ginginbrat" (eingemachter Ingwer) oder von "gingimbratus" (mit Ingwer zubereitet) ab.

Aus der Selby Abbey stammt ein Rezept für eines dieser Ingwerbrote aus dem 16. Jahrhundert:

1/4 l Honig, gut 1/4 Teel. Ingwerpulver, 1/8 Teel. Nelken, gemahlen, 1/8 Teel. Zimt, 1/8 Teel. Süßholz, geraspelt, 140 g Semmelmehl, 1 Teel. Anissamen. Honig im Wasserbad schmelzen, Gewürze (bis auf Anis) hineinrühren, dann Semmelmehl zugeben und alles zugedeckt 15 Minuten kochen. Die Mischung muss dick und feucht sein. Den Teig auf ein eingefettetes Pergamentpapier geben und zum Rechteck formen. Anissamen drüberstreuen und mindestens zwei Stunden ruhen lassen, bevor er in dünne Scheiben geschnitten wird.

Kandierter Ingwer gegen die Pest

Hildegard von Bingen konnte dem Ingwer dagegen nicht viel abgewinnen: "Ingwer schadet einem gesunden und fetten Menschen, weil er ihn unwissend und unkundig und matt und zügellos macht." Die heilkundige Äbtissin hielt ihn für sehr warm und warnte davor, zu viel davon zu essen: "Aber sobald es ihm besser geht, esse er es nicht mehr, damit er davon keinen Schaden nimmt."

Dennoch behandelte sie eine ganze Reihe von Erkrankungen mit Ingwer. Sie verordnete ihn bei Verstopfung im Magen und Bauch und bei Magenschmerzen. "Kann man eine genossene Speise nicht verdauen, so nehme man zwei Drachmen Saft von Osterluzei und eine Drachme Bibernellensaft und Springkrautsaft im Gewicht von einem Skrupel und einen Skrupel Ingwer und etwas Weizenmehl und stelle daraus Pastillen her in der Größe eines Groschens, aber etwas dick, und erwärme sie an der Sonne oder in einem lauwarm gewordenen Ofen.

Wer nun an Verdauungsbeschwerden der angegebenen Art leidet und innerlich warm ist, sodass die Speise in ihm zersetzt ist, nimmt frühmorgens nüchtern eine Pastille; wenn aber vor innerlicher Kälte die Speise in ihm erstarrt und sich zusammenballt, nimmt er ebenso 2 oder 3 Pastillen. Die erste Nahrung, die er dann zu sich nimmt, muss Suppe sein; dann kann er auch andere gute und leichte Speisen essen. So verfährt er, bis er merkt, dass sein Magen frei ist."

In einem anderen Rezept zur Verdauungsförderung heißt es: "Man nimmt Ingwerpulver, mischt es mit dem Safte der so genannten Ringelblume, macht aus diesem Pulver und etwas Bohnenmehl Pastillen und erhitzt sie in einem mäßig warmen Ofen und nimmt sie nach dem Frühstück oder nüchtern." [4] Auch äußerlich verwendete Hildegard von Bingen Ingwer: Sie behandelte geschwürige und trübe Augen äußerlich mit Ingwerwein und strich auf Haut-Flechten am Körper eine Mischung aus Ingwer, Galgant und Zitwer-Pulver, die mit Essig und etwas Wein befeuchtet wurde.

Das Arzneimittel Ingwer erlebte vor allem während der Pestzüge einen wahren Boom, da es als wirksames Mittel gegen die gefürchtete Krankheit galt. Man trank Wein und Bier mit starkem Ingwerzusatz oder kaute kandiertes Ingwerkonfekt, das in Apotheken feil gehalten wurde. Eine Ulmer Apotheke verkaufte im Jahr 1453 Konfekt aus grünem Ingwer. Ein kurze Zeit später entstandenes Rezept aus einer Tegernseer Handschrift erklärt, "Wie man grünen Ingwer machen soll": "Ebenso nimm ein Pfund Ingwer, schabt ihn ein wenig ab und legt ihn acht Tage in kaltes Wasser und gib alle Tage zweimal frisches Wasser daran. Und macht dann eine Lauge von einem ungelöschten Kalk und leg den Ingwer darein auch acht Tage in kaltes Wasser, das mit Honig gemacht sei. Und immer am dritten Tag kocht ihn eine gute Weile darin. Und wenn ihr ihn kandieren wollt, so fischt ihn aus dem Honig und macht dann Sirup von einem Pfund Zucker daran. Ihr könnt ihn auch gut machen, dass ihr nicht Honigwasser dazu braucht, sondern nur ein einfaches frisches Wasser." [5]

Ingwer war oft Bestandteil von "Aqua Vitae", vieler Hippocras-Gewürzweine und medizinischer Gewürzsirupe. Auch in der Alten- und Krankenernährung galt er als hilfreich, wie Hieronymus Bock in seinem Kreütterbuch von 1577 schrieb: "(...) fürnemlich für die alten kalten schwachen menschen/den solt man ihr kost stäts mit Ingber und Pfeffer wurtz abbereitten (...)"

Und in einem Merkvers für den Januar empfahl das "Calendarium perpetuum" von Johann Colerus 1592: "Bad nicht zuviel, arznei dich maß. Brauch Ingwer, Fenchel, Pfeffer lang." Im Rezeptbuch der Tiroler Landesfürstin Philippine Welser (1527 – 1580) wurde Ingwer als Bestandteil eines "gar guten Magenpulvers" und eines "guten Pulvers für den Schwindel" erwähnt. Auch bei den Seeleuten sprach sich seine heilsame Wirkung schnell herum: Sie kauten Ingwer und Minze als Mittel gegen die Seekrankheit.

Ingweranbau im 16. Jahrhundert

Durch die ausgedehnten Eroberungs- und Handelsreisen nach Asien nahm das Wissen über die Pflanze ständig zu. Antonio Pigafetta, der Ferdinand Magellán auf seiner Weltumseglung begleitete, schrieb 1520: "Ingwer ist nicht – um es genau zu sagen – die Frucht eines Baumes, sondern die eines Strauches.

Dieser Strauch treibt Wurzelsprossen, ungefähr eine Spanne lang, ähnlich wie die Keimlinge des Zuckerrohrs. Auch die Blätter ähneln denen des Zuckerrohrs, sind aber etwas schmaler. Die Sprossen haben keinen Wert. Nur die Wurzel ist der Ingwer, der in den Handel kommt. Grüner Ingwer ist bei weitem nicht so stark wie der getrocknete. Zum Trocknen wird Kalk verwendet, da man ihn auf andere Weise nicht haltbar machen könnte."

In der 1588 erschienenen "Cosmographia" von Sebastian Münster ist bereits beschrieben, wie Ingwer gepflanzt wurde: "Es wechßt auch an diesem ort Imber vast schön/und ist ein Wurtzel in der Erde/die da under sich wechßt drey oder vier spannen wie die Ror. Und so sie den Imber außnemen/brechen sie ein Aug od Zincken darvon un stossen es wider in Grundt/unnd uber jar ist es vast gewachsen dz sie widerumb Imber darvon nemmen. Diese Wutz wechßt zu Berg un Thal im roten Erdtrich."

Nachdem bekannt war, wie die Pflanze angebaut wurde, brachte der Spanier Mendoza Ingwer nach Westindien. Anfang des 16. Jahrhunderts breiteten sich die Plantagen rasch auf Jamaika, Haiti und Barbados auf. Ingwerknollen entwickelten sich zum bedeutenden Exportartikel: Bereits 1547 wurden eine Million Kilogramm Ingwer ausgeführt. Die Preise für das Gewürz sanken dramatisch. Die Geschäftsbücher des Memminger Handelshauses der Gebrüder Zangmeister vermeldeten 1560, dass ein Pfund Safran 6 Gulden und ein Pfund Ingwer weniger als einen Gulden kostete.

Ende des 17. Jahrhunderts gelang es den Holländern, das portugiesisch-spanische Handelsmonopol zu brechen und weitgehend die Kontrolle über den Gewürzmarkt zu übernehmen. Sie hielten ein Monopol für bestimmte Gewürze, zu denen neben Muskat und Pfeffer auch Ingwer gehörte. Heute ist Indien der größte Ingwerexporteur der Welt.

Blütezeit des Ingwers

In den Königshäusern Europas war Ingwer hoch begehrt. Friedrich der Große verzehrte mit Vorliebe scharf gewürzte Speisen, und so musste an alle seine Suppen Ingwer gegeben werden. Vom Sonnenkönig Ludwig XIV. ist bekannt, dass er stets einen Spezialkorb bei Tisch wünschte, der neben Zahnstochern auch Salz, Pfeffer und Ingwer enthielt. Nebenbei naschte der Herrscher liebend gern kandierten Ingwer.

Sein Nachfolger Ludwig XV. fand schnell Geschmack an Omelett mit frischem Ingwer, das ihm seine Mätresse Marie Comtesse du Barry nicht ohne amouröse Hintergedanken servieren ließ. Doch im Verlauf des 18. Jahrhunderts verschwand das ehemals so gefeierte Gewürz Ingwer nach und nach aus den Küchen. Als "hitzig" oder gar als "höllische Zutat, die Auge, Geruch und Geschmack verletzt", verhöhnten Feinschmecker das markante Gewürz und verbannten es von ihren Tellern.

In der Medizin gehörte Ingwer weiterhin zu den oft und gern eingesetzten Arzneimitteln. In John Gerards "Herball or General Historie of Plantes" von 1633 wird er kandiert, grün oder eingemacht als erhitzendes und verdauungsförderndes Mittel beschrieben. In John Culpepers Herbal heißt es, dass Ingwer bei der Verdauung hilft, den Magen wärmt, die Sicht klärt und dass er "gut für alte Männer" sei. Viele Arzneipräparate Culpepers enthielten Ingwer, beispielsweise solche gegen Erkältungen, Husten und Magenprobleme.

Adam Lonitzer schreibt in seinem Kräuterbuch (Ausgabe 1679): "Imber ist gantz gut dem bösen erkalten Magen. Wem die Zähne wehe thun, der nemme imberzehen und schneid sie klein, siede die in Wein und wasche die Zähne nüchtern und warm damit. Imber in die Kost vermischt ist fast gut für schwinden. Ein halb Loth Imber mit Essig genützt, deß Abends wann du wilt schlaffen gehen, auf einen Trunck eingenommen, benimmt die böse Feuchtigkeit durch den Schweiß, also, daß man sich nach Mitternacht wol zu decke, und also schwitze. Imber ist allen Menschen gut, so innerlich erkaltet seyn, fürnemlich der grün und eingemachte Imber."

Ein geradezu heroisches Rezept gegen Zahnschmerzen ist von Thomas Fuller (1654 – 1734) in seiner "Pharmacopoeia extemporanea" überliefert. Eine Mischung aus einem Skrupel Tabak, je einem halben Skrupel Ingwer und Schwefelblüte sollte gemischt und eine kleine Menge davon vom Patienten in die Nase gezogen werden. Das Gefühl, wie durch den Kopf geschossen zu werden, war dabei durchaus erwünscht. Das anschließende heftige Niesen soll selten verfehlt haben, den Zahnschmerz zu beseitigen [6].

Im 19. Jahrhundert nutzen Mediziner Ingwer, um den Appetit zu stärken, Schweißausbrüche zu provozieren oder um Übelkeit zu kurieren. "Der Ingwer ist ein kräftiges aromatisches Mittel, welches sehr erregend und erhitzend wirkt und in kleinern Gaben besonders bei Magenschwäche und gestörter Verdauung meist als Hausmittel gebraucht wird", heißt es bei Ernst Schäfer in seiner "Pharmaceutische(n) Waarenkunde" von 1852 [7].

Bei atonischer Dyspepsie, vor allem wenn sie von Flatulenz begleitet wurde, galt das Gewürz als ebenso wirksam wie äußerlich als Mittel zur Verbesserung der Durchblutung – eine Eigenschaft, die sich auch die Pferdehändler zunutze machten, allerdings für höchst unlautere Geschäfte: Sie führten ihrer Ware ein Stück Ingwer als Zäpfchen ein, um die unglücklichen Tiere dazu zu bringen, den Schwanz hochzuhalten.

Dies wurde als Zeichen von Feuer und Gesundheit bei den Pferden gewertet und gut bezahlt! Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts kam Ingwer in dem Lied "Ist dein kleines Herz noch für mich frei, Baby" noch einmal groß raus und wurde zu einem der wenigen Gewürze mit Star-Ruhm: "Könnt' ich die Richtige finden, / in alle Rinden / grüb' ich es ein; / wenn sie ein reizendes Ding wär', / kauft' ich ihr Ingwer und Näscherei'n!" heißt es in dem bis heute populären Gassenhauer.

Ingwer heute

Heute werden Ingwer oder Ingwerextrakte als Gewürz für die Herstellung von Lebensmitteln, Backwaren, Süßigkeiten und Getränken verwendet. Daneben wird das Rhizom in der Kosmetik und Parfümerie verwendet. In der Medizin begann man in der Zwischenzeit, sich ernsthaft mit den Inhaltsstoffen und Indikationen dieses Gewürzes auseinander zu setzen. Bereits 1899 wurde Gingerol, das Oleoresin des Ingwers, entdeckt. Heute ist bekannt, dass Ingwer ein bis vier Prozent ätherisches Öl enthält.

Seine Zusammensetzung schwankt je nach geographischer Herkunft. Es besteht aus 200 bislang identifizierten Stoffen, darunter Zingiberene, Curcumene, Sesquiphellandrene und β-Bisabolene. Monoterpen-Aldehyde und -Alkohole lassen sich ebenfalls nachweisen. Die Inhaltsstoffe, die für den scharfen Geschmack der Droge verantwortlich sind, wurden als 1-(3-methoxy-4-hydroxyphenyl)-5-hydroxyalkan-3-one bestimmt, die besser als Gingerole und Shogaole bekannt sind.

Diese beiden Gruppen von Inhaltsstoffen sollen unter anderem für die analgetischen, antiemetischen, hypotensiven, sedativen und antipyretischen Eigenschaften des Ingwers verantwortlich sein [8]. Allein vom 6-Gingerol sind 14 Derivate bekannt, von denen die meisten stärker antioxidativ wirken als Vitamin E.

Gingerole und wässrige Ingwerextrakte hemmen zudem die Thrombozytenaggregation und die Biosynthese von Thromboxan und Prostaglandinen. Daneben enthält Ingwer Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, einige Mineralstoffe und Vitamine, wie Vitamin C und Riboflavin. Unter den Hunderten von Inhaltsstoffen findet sich auch eines der stärksten bekannten proteolytischen Enzyme, Zingibain, das ähnlich wirkt wie Bromelain in Ananas.

Viele der seit alters her bekannten Indikationen des Ingwers wurden durch heutige klinische Untersuchungen bestätigt. Er wird zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Des Weiteren kommt er gegen Dyspepsie, Flatulenz, Koliken, Diarrhö und Bauchkrämpfe zum Einsatz. Gepulverten Ingwer setzt man zur Behandlung von Erkältungen und Grippe ein, aber auch als entzündungshemmendes Mittel bei der Behandlung von Rheuma.

Verwendet werden heute die getrockneten Rhizome, Ingwerextrakt, Tabletten und Tinktur. Die eingesetzten Dosen schwanken stark. Bei Erwachsenen werden 250 mg getrockneter Ingwer viermal am Tag angegeben, während chinesische Heilkundler bis zum 10fachen der Menge verwenden. 0,5 g Ingwer-Pulver in einer Kapsel hat sich bei postoperativer Nausea bewährt [9]. Für Tee gilt als Dosis ein Teelöffel frische Ingwerwurzel auf ein bis zwei Tassen Wasser, zehn bis zwanzig Minuten kochen lassen. Nach Bedarf kann Pfefferminze oder Kamille dazugemischt werden. Bei Ingwertinktur gelten 1,5 bis 3 ml pro Dosis.

Verschiedene Studien an Tieren und Menschen zeigten, dass es keine akuten toxikologischen Risiken beim Verzehr von Ingwer oder durch seinen medizinischen Gebrauch gibt. Allerdings kann es bei empfindlichen Patienten zu milden Magenreizungen kommen. Erst bei sehr hohen Dosen von sechs Gramm oder mehr kann Ingwer zu Irritationen der Verdauung führen und die schützende Magenmucosa angreifen [11]. Als allergische Reaktion wurde eine Kontaktdermatitis beschrieben [10]. Eine chronische Toxizität ist nicht bekannt, und es gibt keine signifikanten mutagenen oder kanzerogenen Aktivitäten.

Manche Ärzte verweisen auf Kontraindikationen bei Patienten mit Herzproblemen, Gallensteinen, Diabetes oder Hypoglykämie. Es gibt aber keine nachweisbaren negativen Effekte.

Umstritten ist der Einsatz des Ingwers während der Schwangerschaft. In einer Doppelblindstudie in Thailand berichteten signifikant mehr Frauen von einer deutlichen Besserung ihrer Symptome bei Schwangerschaftserbrechen durch Ingwer als in der Plazebogruppe. Dennoch wird zur Zurückhaltung beim Einsatz von Ingwer geraten, da sein eigentlicher Wirkmechanismus noch unklar ist. Von einer völligen Gefahrlosigkeit des Ingwers in der Schwangerschaft kann nicht ausgegangen werden [12]. Aus naturheilkundlicher Sicht wird gelegentlich sogar gewarnt, dass Ingwer Wehen auslösen könne [13].

Zukünftige Untersuchungen werden dem Ingwer vermutlich weitere ungeahnte Geheimnisse abringen – so wird er neuerdings sogar als Schlankheitsmittel propagiert, da er vasodilatatorisch wirkt, Hyperthermie erzeugt und den Stoffwechsel steigern soll.

Ingwer ist in den tropischen Wäldern Hinterindiens beheimatet, gelangte aber schon vor der Zeitenwende nach China, wo er bis heute als Gewürz und als Arzneidroge höchste Wertschätzung genießt. Während die Geschichte anderer Gewürze mit Blut geschrieben wurde, fanden wegen des Ingwers keine Kriege oder abenteuerlichen Entdeckungsfahrten statt. Die Europäer wurden nie "süchtig" nach ihm. Heute wird das therapeutische Potenzial seiner Inhaltsstoffe intensiv erforscht.

Literaturtipp: Gewürzdrogen Ein Handbuch der Gewürze, Gewürzkräuter, Gewürzmischungen und ihrer ätherischen Öle. Von Eberhard Teuscher. XI, 468 Seiten, 173 farb. Abb., 36 s/w Abb., 498 Formelzeichnungen, geb. 108,– Euro.

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2003. ISBN 3-8047-1867-1

Literaturtipp: Teedrogen und Phytopharmaka Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage, 4. Auflage. Herausgegeben von Max Wichtl. XLIII, 708 Seiten, 519 farb. Abb., 314 s/w Abb., 447 Formelzeichnungen, geb. 118,– Euro.

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002. ISBN 3-8047-1854-X

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