Berichte

Praxis: Probleme bei der Rezeptur

Um die Rezeptur in der Apotheke ging es in dem Ganztagesseminar der Apothekerkammer und der DPhG-Landesgruppe Schleswig-Holstein am 22. November 2003 im Pharmazeutischen Institut in Kiel. Im Mittelpunkt standen chemische und physikalische Inkompatibilitäten sowie mikrobiologische Instabilitäten von Rezepturen und alternative Herstellungsmöglichkeiten. Vor dem Seminar waren die Teilnehmer aufgefordert worden, ihre Problemfälle aus der Rezeptur einzusenden. Kieler Pharmaziestudierenden des 3. und 7. Fachsemesters hatten sie in ihrem Praktikum bearbeitet, und die gefundenen Lösungswege wurden im Seminar präsentiert.

Tipps für den Apothekenalltag

Dr. Hartwig Steckel, Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie des Pharmazeutischen Instituts, referierte über die BAK-Leitlinie "Herstellung und Prüfung der nicht sterilen Rezeptur- und Defekturarzneimittel" und über die Hygienerichtlinie der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD).

Er stellte die Klassiker der manifesten und larvierten Inkompatibilitäten wie z.B. Erythromycin, Thesit, Clotrimazol, Metronidazol und Salicylsäure vor und gab damit den Teilnehmern das Rüstzeug für die täglichen Schwierigkeiten in der Rezeptur an die Hand.

Anhand von Beispielen erläuterte er, wie man schnell und zuverlässig mit den üblichen "Bordmitteln der Apotheke" Lösungen für diese und ähnliche Fragestellungen finden kann. Er gab wertvolle Hinweise zu bedenklich eingestuften Rezepturstoffen und zu den oberen Richtkonzentrationen in dermatologischen Rezepturen.

Umstrittene Rezepturen und Rezepturbestandteile standen im Focus des Vortrages von Dr. Holger Reimann, Pharmazeutisches Laboratorium des Neuen Rezeptur Formulariums (NRF). Dabei stellte er heraus, dass die Bewertungen differenziert zu sehen sind.

So wird Phenol als bedenklich eingestuft, findet aber als Konservierungsmittel in Impfstoffen oder zur Sklerosierung von Hämorrhoiden Verwendung. Ähnliches gilt für Schwefel, der zur Anwendung bei Krätze für Schwangere oder Säuglinge durchaus seine Bedeutung hat. Generell ist die obere Richtkonzentration dermatologischer Wirkstoffe zu beachten.

Reimann zeigte auf, wie vielfältig das Informationsangebot des NRF ist, von dem die Apotheken aber noch immer zu wenig Gebrauch machen. Die Hilfestellungen des NRF für Apotheken enthält ab 2003 zusätzlich zu den früheren Inhalten Entscheidungskriterien für die Festlegung von Aufbrauchfristen.

Auswahl der Konservierungsmittel

Prof. Dr. Dr. B. W. Müller, Kiel, erläuterte das Vorgehen zur mikrobiologischen Stabilisierung von Dermatika. Allgemeingültige Vorhersagen über die mikrobiologische Haltbarkeit von Rezepturen können nicht gemacht werden, jedes konservierte System muss speziell untersucht werden.

Bei der Auswahl eines geeigneten Konservierungsmittels sind zu beachten:

  • das Wirkungsspektrum,
  • der pH-Einsatzbereich,
  • Stabilitäten und Inkompatibilitäten,
  • die Beeinflussung der Wirksamkeit durch Tensidzusatz,
  • das Verteilungsverhalten zwischen wässriger und öliger Phase.

Bei der Festlegung der Konzentration muss u.a. das mögliche Abwandern des Konservierungsmittels in das Packmittel berücksichtigt werden.

Wie Müller ausführte, werden 30% der gemeldeten Allergien durch Konservierungsstoffe hervorgerufen, gefolgt von Duftstoffen mit 28%. Der Wunsch nach guter Verträglichkeit ruft in der Bevölkerung die Forderung nach so genannten "natürlichen" Konservierungsmitteln hervor. Eine vergleichende Auswertung lässt die Sorbinsäure als "natürliches" Konservierungsmittel als Gewinner hervorgehen.

Auch wenn Hinokitiol (aus der Scheinzypresse Chamaecyparis obtusa var. formosana) in niedrigen Dosierungen ein hervorragendes Konservierungsmittel sei, so habe es sich "als Kontaktallergen par excellence" herausgestellt.

Aus medizinischer Sicht leistete Dr. med. Jens-Gerd Steffen, niedergelassener Dermatologe in Kiel, seinen Beitrag zum Thema Magistralrezepturen. Er verdeutlichte, dass 50% der Wirkung eines dermatologischen Präparates durch die galenische Grundlage erzielt werde. Er veranschaulichte die Vorteile der Individualrezeptur, die besonders bei seltenen Indikationsstellungen oder dort, wo industriell gefertigte Produkte keine zufriedenstellende Wirkung entfalten, ihren Wert hat.

Praktika

Vertiefendes Wissen wurde den Teilnehmern in sechs Praktikumstationen vermittelt, wo sie von den Doktoranden des Instituts betreut wurden.

Die PC-Station bot ihnen die Gelegenheit nachzuvollziehen und selbst zu üben, wie eine Internetrecherche für pharmazeutische Belange durchzuführen ist.

Bei den maschinellen Rührsysteme konnten sie die beiden handelsüblichen und verbreiteten Rührsysteme mit ihren Vor- und Nachteilen kennen lernen.

In der Praktikumeinheit "Liposomen-Mikroemulsionen" wurde auf die typischen Eigenschaften dieser Systeme und auf bereits im Markt befindliche Produkte hingewiesen, insbesondere auf Sandimmun optoral®, das eine deutlich höhere und konstantere Bioverfügbarkeit als andere galenische Formen hat.

Mit Hilfe eine Polarisationsmikroskops konnten sich die Apotheker davon überzeugen, dass die zuvor hergestellten Salicylsäure- und Metronidazol-Rezepturen aufgrund unterschiedlicher Herstellungsmethoden und Lagertemperaturen sehr unterschiedliche Kristallgrößenverteilungen aufwiesen. Kristallgrößen über 100 µm verursachen ein Fremdkörpergefühl und können die Compliance verschlechtern.

In Kleingruppen diskutierten die Teilnehmer Beispielrezepturen hinsichtlich ihrer Plausibilität (s. Kasten).

In der Station "Inkompatibilitäten" wurden Kombinationen von Erythromycin, das in der Liste der Dermatika-Rezeptursubstanzen den 4. Platz einnimmt, mit anderen Substanzen kritisch hinterfragt. Eine Kombination mit Salicylsäure verbietet sich z.B. wegen des Stabilitäts- und Wirkoptimums von Erythromycin bei pH 8 bis 8,5. Bei einer Kombination mit Metronidazol oder Benzoylperoxid sollten bei dem herstellenden Apotheker ebenfalls die Alarmglocken läuten.

Die Teilnehmer des Seminars wurden für mögliche Probleme sensibilisiert und mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet, um entsprechende Lösungswege herbeizuführen. In der Abschlussdiskussion bot Prof. Müller ihnen die Unterstützung seines Lehrstuhls bei Rezepturfragen an.

Plausibilität Die Prüfung einer Rezeptur auf Plausibilität beinhaltet laut BAK-Leitlinie die Prüfung auf Dosierung der Einzelstoffe, Konservierung, Inkompatibilität der Bestandteile, Applikationsformen und bedenkliche Arzneistoffe nach § 5 AMG.

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