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Großbritannien: Schlechte Noten für britische Apotheker
Ein britischer Verbraucherverband veröffentlichte fast zeitgleich mit der Stiftung Warentest die Ergebnisse von 84 Tests in Einzelapotheken als auch in Filialläden von großen Ketten. In 35 Fällen mussten die Verbraucherschützer eine ungenügende Beratung feststellen. In der ersten Testreihe hatten sich insgesamt fünf Apotheker weder nach der gleichzeitigen Einnahme anderer Arzneien erkundigt noch vor möglichen Wechselwirkungen gewarnt.
Testpersonen hatten im Verlauf der Gespräche angegeben, ein Verhütungsmittel einzunehmen, welches gegen die Anwendung des zu verkaufenden Medikamentes sprach; dennoch wurde das Produkt durch die Apotheker ausgehändigt. Der Bitte um ein Gespräch unter vier Augen über die so genannte "Pille danach" wurde in weniger als der Hälfte der Tests entsprochen.
In einer dritten Versuchsreihe beklagten Kunden anhaltenden Durchfall nach einem Urlaub in Malaysia, welcher nach ihren Angaben bereits Wochen zurücklag. Nur sieben Apotheker rieten zum Aufsuchen eines Arztes. In 14 Fällen wurden ungeeignete Medikamente verkauft, während vier Apotheker es ganz unterließen, sich nach den Symptomen zu erkundigen.
Andere Testpersonen wiederum fragten nach Aspirin und baten um Produkte mit geringer Dosis. In neun Fällen blieb die durch die Verbraucherschützer angestrebte Frage nach möglichen Herzerkrankungen des Patienten sowie die Erkundigung nach der generellen Verträglichkeit von Aspirin aus.
Bemühung um Schadensbegrenzung
Während die britische Presse die Untersuchungsergebnisse nutzt, um die Vertrauenswürdigkeit des Berufsstandes zu hinterfragen, bemühen sich Regierung wie Apothekerverbände um Schadensbegrenzung.Gesundheitsministerin Rosie Winterton sprach den Apothekern das Vertrauen aus und bekräftigte die Überzeugung der Regierung, die professionelle Beratung in guten Händen zu wissen.
Zugleich äußerte sie die Erwartung der weiteren Verbesserung des Services durch Trainingsprogramme, die sowohl von der Regierung als auch den Unternehmen selbst getragen werden müssten. Der Vorstoß der Ministerin, so Beobachter, kommt nicht von ungefähr. Seit längerem plant die Regierung, das angeschlagene Gesundheitssystem durch den erweiterten Apothekenservice aufzuwerten.
Die Königliche Pharmazeutische Gesellschaft Großbritanniens (Royal Pharmaceutical Society) wandte sich inzwischen an den verantwortlichen Verbraucherverband, um jene Apotheken ausfindig zu machen, die den Qualitätsansprüchen nicht genügt hatten. Zur Begründung führte die Gesellschaft an, die Apotheker über die Geschehnisse befragen zu wollen, um sich ein objektives Bild machen zu können. Zudem könne so zugleich ein Lernprozess in Gang gebracht werden, der allen nutze.
John D'Arcy vom Apothekerverband, der National Pharmaceutical Association, machte zwar auf die Grenzen solch kleiner Studien aufmerksam, verwies jedoch zugleich auf die nicht zu unterschätzende Bedeutung der zu analysierenden Grundaussagen.
Nach Ansicht der drittgrößten Apothekenkette Großbritanniens (Moss Pharmacy) wird die Studie der generell sehr professionellen Tätigkeit der Mitarbeiter in den 900 Filialen des Unternehmens nicht gerecht. Selbst der Großhändler AAH Pharmaceuticals drückte sein Bedauern aus, da der Bericht der Verbraucherschützer dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Apotheken schade, wenngleich dort Tausende Mitarbeiter fachmännisch mit Rat und Tat dienten.
So sehr sich Regierung, Verbände und Firmen auch bemühen, den Apothekern den Rücken zu stärken, das Image der Branche ist angekratzt. Wie lange die britischen Apotheker brauchen werden, um aus den Negativ-Schlagzeilen zu kommen, ist ungewiss. Über die Lösung scheinen sich die Betroffenen indessen einig – ausführliche Beratungsgespräche statt Beteuerungen und Versprechen.
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