Arzneimittel und Therapie

Neuer Proteaseinhibitor: Atazanavir zur HIV-Behandlung eingeführt

Atazanavir ist noch ein neuer Proteaseinhibitor, der in Kombination mit Ritonavir (Norvir®) und weiteren antiretroviralen Wirkstoffen bei der Therapie behandlungserfahrener HIV-Patienten eingesetzt wird. Es ist der erste in Europa zugelassene Proteaseinhibitor zur einmal täglichen Gabe.

Ab dem 22. März 2004 wird Reyataz® als Kapseln mit jeweils 100 mg, 150 mg und 200 mg Atazanavir erhältlich sein. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 300 Atazanavir (zwei Kapseln á 150 mg), die einmal täglich während einer Mahlzeit in Kombination mit 100 mg Ritonavir und weiteren antiretroviralen Medikamenten eingenommen wird. Die einmal tägliche Gabe ist besonders günstig für die bei der antiretroviralen Therapie wichtige Compliance des Patienten.

Atazanavir hilft, gesund auszusehen

Seit 1996 ist für HIV-Patienten die "HAART" (hochaktive antiretrovirale Therapie) die Standardbehandlung. Die Behandlung ist – richtig durchgeführt – sehr erfolgreich: Die Überlebenschancen der Patienten sind dramatisch gestiegen. Daher steht immer mehr das handling der unerwünschten Wirkungen der Arzneimitteltherapie im Mittelpunkt.

Eine für den Patienten unangenehme, sichtbare Nebenwirkung einer antiretroviralen Therapie ist die Lipodystrophie mit einem Verlust von subkutanem Fett im Gesicht, an Armen, Beinen und am Gesäß, oft verbunden mit Fettanlagerungen im Bereich von Stamm, Brust, Nacken (buffalo hump) und Bauch. Insbesondere der Fettverlust im Gesicht führt zu einer Stigmatisierung, denn so Peters, die Patienten sehen sehr krank aus, obwohl sie sich absolut gesund fühlen.

Neben Wirksamkeit, der reduzierten Anzahl an Tabletten, die eingenommen werden müssen, sind hier die Vorteile des neuen Proteaseinhibitors zu sehen: Atazanavir ist gut verträglich hinsichtlich metabolischen und gastrointestinalen Nebenwirkungen, Durchfälle sind deutlich seltener und es kommt nicht zu Störungen des Fett- oder Zuckerstoffwechsels.

Überzeugende klinische Studien

Die Zulassung von Atazanavir für den europäischen Markt basiert auf Daten aus klinischen Studien mit mehr als 1500 HIV-positiven Patienten. Bislang wurde Atazanavir seit der Zulassung im Juni 2003 in den USA an fast 30000 HIV-positiven Patienten als Bestandteil von Kombinationstherapien verabreicht. Darüber hinaus wurde Atazanavir mehr als 7000 Patienten im Rahmen von so genannten Early Access/ATU-Programmen (Programm für Vorläufige Genehmigung zum Gebrauch) weltweit verabreicht. In Kombination mit Ritonavir zeigte das Medikament bei vorbehandelten Patienten eine mit Lopinavir/Ritonavir vergleichbare Wirksamkeit. Atazanavir wies darüber hinaus ein günstigeres Lipidprofil auf und führte zu weniger Durchfällen als Lopinavir (Kaletra®) geboostert mit Ritonavir.

Resistenzprofil und Lipidprofil sind vorteilhaft

Atazanavir weist ein besonderes Resistenzprofil auf: In klinischen Studien entwickelten lediglich 2% der Patienten eine Resistenz gegen Atazanavir. Da vor allem die I50L-Mutation vorlag, die nicht zu Kreuzresistenzen, sondern sogar in vitro zu erhöhter viraler Empfindlichkeit gegenüber anderen Proteasehemmern führte, bleiben zukünftige Therapieoptionen offen.

Ein Vorteil von Atazanavir ist sein günstiger Einfluss auf das Lipidprofil. Selbst mit Ritonavir geboostert steigen unter Atazanavir die Triglyzerid- und Cholesterinwerte nicht wie unter Lopinavir/Ritonavir an, sondern werden vermindert. Der positive Einfluss auf den Stoffwechsel ist von großer klinischer Bedeutung, da angenommen wird, dass Proteaseinhibitoren das kardiovaskuläre Risiko erhöhen könnten.

Diesem Aspekt muss in Zukunft vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt werden, da auf Grund der zur Verfügung stehenden verbesserten Behandlungsmöglichkeiten die Lebenserwartung der HIV-Infizierten steigt. Immer mehr Betroffenen müssen zu dieser Risikogruppe gezählt werden - genau wie im "gesunden" Anteil der Bevölkerung dieser Alterstruktur.

Atazanavir scheint zudem nicht zu einer Insulinresistenz zu führen. In einer neuen Studie zeigte Atazanavir keinen ungünstigen Einfluss auf die Insulinsensitivität, die Insulin-stimulierte Glucoseaufnahme sowie die Glykogenspeicherrate, während Lopinavir/Ritonavir alle diese Parameter verschlechterte.

Unangenehme gastrointestinale Nebenwirkungen wie Diarrhö trat unter Atazanavir signifikant seltener auf als unter Lopinavir/Ritonavir. Viermal so viele Patienten mussten zusätzlich zur Therapie mit Lopinavir/ Ritonavir noch Loperamid einnehmen.

Atazanavir ist ein neuer Proteaseinhibitor, der in Kombination mit Ritonavir (Norvir) und weiteren antiretroviralen Wirkstoffen bei der Therapie behandlungserfahrener HIV-Patienten eingesetzt wird. Es ist der erste in Europa zugelassene Proteaseinhibitor zur einmal täglichen Gabe. Ab dem 22. März 2004 wird Reyataz als Kapseln mit jeweils 100 mg, 150 mg und 200 mg Atazanavir erhältlich sein.

Bisher haben wir den größten Teil unserer Zeit darauf verwendet, die Komplexität der Krankheit "HIV-Infektion" zu verstehen. Jetzt müssen wir uns erstmals mit der Komplexität der Komplikationen einer HIV-Behandlung beschäftigen. Prof. Dr. Barry Peters

HIV-Übertragung wird nicht verhindert

Atazanavir hemmt als Proteaseinhibitor die Aktivität der HIV-Protease. Dieses Enzym zerschneidet HIV-Proteinvorläuferstränge in fertige Proteine, die sich dann zu einem infektiösen HI-Virus zusammenfügen.

Die Blockierung dieses Enzyms führt zu unreifen, nicht-infektiösen Viren, d. h. sie können keine weiteren Zellen mehr infizieren. Proteaseinhibitoren verhindern deshalb bei HIV-infizierten Personen neue Infektionszyklen, aber auch Atazanavir kann die HIV-Infektion nicht heilen oder die Übertragung des HI-Virus auf andere nicht verhindern.

Zum Weiterlesen: Die antiretrovirale Behandlung HIV-infizierter Patienten. Med Monatsschr Pharm 2003;26(4):111-20. www.deutscher-apotheker- verlag.de/MMP

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