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Die Seite 3
Nahrungsergänzungsmittel hatten rechtlich bisher einen schwierigen Stand. Das Gesetz kannte nur Arzneimittel oder Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel waren expressis verbis bisher nicht vorgesehen. Sie tummelten sich in einer Grauzone. Gleichwohl waren sie in den letzten Jahren zu einer stattlichen Produktkategorie herangewachsen, auch wenn man nicht immer eindeutig wusste, wie sie genau definiert sind und welche Auflagen sie zu erfüllen hatten.
Kurzerhand ordnete man sie in rechtlichen Kommentaren dem Lebensmittelrecht zu – was freilich nicht so richtig befriedigend war. So gab es denn auch den einen oder anderen Rechtsstreit um diese Produkte, insbesondere wenn es um werbliche Aussagen zu den Produkten ging. Oder wenn Hersteller ihre Nahrungsergänzungsmittel-Produkte schon gerne mal aufwerteten und sie in Aufmachung, Anmutung und Aussagen in Richtung Arzneimittel zu positionieren versuchten, um dem Kunden zu suggerieren, er tue etwas für seine Gesundheit, wenn er sie einnimmt.
Das rief Wettbewerbshüter und Behörden auf den Plan, die sich das Produkt genauer anschauten und mitunter zu der Auffassung gelangten: das vermeintliche Nahrungsergänzungsmittel will sich heimlich als Arzneimittel positionieren – hat aber keine Zulassung dafür. Die Folge: es musste unwiderruflich vom Markt verschwinden oder eine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz einleiten, was illusorisch für solche Produkte gewesen ist.
Da es dieses Problem wohl europaweit gab, nahm sich schließlich die EU dieser Produkte an. Sie schuf 2002 eine Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie, die von den Ländern in nationales Recht umgesetzt werden musste. In Deutschland ist dies mittlerweile geschehen: Der Bundesrat stimmte der "Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel" am 14. Mai zu. Er holte diese Produktkategorie damit aus ihrer Grauzone heraus. Nahrungsergänzungsmittel gehören nun eindeutig zu den Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, die Ernährung zu ergänzen – hört sich trivial an, war aber in seiner rechtlichen Konsequenz bisher so nicht ausgeführt.
Die Verordnung besagt auch, dass es nur bestimmte Nährstoffkonzentrate oder Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung sein dürfen, die "in dosierter Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in Verkehr gebracht" werden. Diese Angaben lassen demnach zu, dass Nahrungsergänzungsmittel in ihrer Aufmachung praktisch wie Arzneimittel daher kommen – was übrigens früher mitunter ein Streitpunkt war. Denn manche sahen darin bereits eine Irreführung der Verbraucher.
Eindeutig regelt der Verordnungstext auch, was Nahrungsergänzungsmittel enthalten dürfen: Vitamine und Mineralstoffe einschließlich Spurenelemente. Basta. Das ist klar und deutlich. Und damit kein Missverständnis aufkommt, was hierunter zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber gleich zwei Anlagen mit dazu gepackt, welche Stoffe im Einzelnen darunter zu verstehen sind.
Zu Problemen kann es kommen, wenn Hersteller ihre Produkte mit unangemessener gesundheits- bzw. krankheitsbezogener Werbung versehen. Das ist nach dem Lebensmittelrecht zwar verboten, aber eine klare Trennungslinie dürfte nicht immer einfach sein. Abhilfe könnte schaffen, dass ein Nahrungsergänzungsmittel bei seiner Einführung dem Bundesamt für Verbraucherschutz vorgelegt werden muss.
Dass das Feld für diese Produkte jedoch nicht von heute auf morgen transparent wird, dafür sorgen großzügige Übergangsregelungen, die es erlauben, dass Produkte, die heute mit anderen Stoffen als Vitamine und Mineralstoffe auf dem Markt sind, noch bis Ende 2009 verkehrsfähig sind.
Eine Grauzone anderer Art hat das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe (Nr. 22 vom 24. Mai) thematisiert: die Herstellerrabatte an die Apotheken. Derzeit tobe eine Rabattschlacht zwischen den Herstellern, das Kampfgebiet habe sich, so wird ein Generikahersteller zitiert, in die Apotheke verlagert. Es ist eine Schlacht um die Gunst der Apotheker, weiß der Spiegel in martialischer Sprache zu berichten. Versicherte und Krankenkassen profitierten davon allerdings nicht.
Durch Naturalrabatte, Bar- und Rückvergütungen, schwarze Ware aus dem Kofferraum der Pharmavertreter und Großhandelsrabatte seien dem Gesundheitswesen im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Euro entzogen worden. Woher der Spiegel dieses Zahlenwerk hat, lässt er allerdings weitgehend im Nebulösen, nur NDC Health, ein statistisches Institut, das u. a. Abverkäufe von Arzneimitteln misst, wird als eine Quelle namentlich genannt.
Schuld an diesem "Kampfgebiet" sind nach Auffassung des Spiegel z. T. die Gesundheitspolitiker selbst, die mit der Aut-idem-Regelung und der neuen Arzneimittelpreisverordnung dem Apotheker die Möglichkeit geben, sich beim Einkauf an den größten Rabatten zu orientieren. Unsachlich vergleicht der Spiegel z. B. die Zunahme der "Gratispackungen" von 2003 mit dem Jahr 1999 (Zunahme um 115%). Unerwähnt bleiben natürlich auch die Lasten, die Apotheken mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz tragen mussten und dass Apotheker sehr wohl auch Kaufleute sind. Wieder einmal: Leistungen des Apothekers werden nicht erwähnt. Ob sich das jemals ändert?
Peter Ditzel
Raus aus der Grauzone
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