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Juniorprofessoren – was meinen Sie, Herr Stark?

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Durch die Änderung des Hochschulrahmengesetzes im Februar 2002 wurde der Juniorprofessor geschaffen, der an der Universität forscht und Vorlesungen hält, ohne habilitiert zu sein, im Laufe des dritten Jahres evaluiert wird und darauf die Voraussetzung für eine ordentliche Professur erfüllt. Dieses Verfahren sollte die Habilitation überflüssig machen und ab 2010 ganz ersetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 27. Juli diese bundeseinheitliche Planung zunichte gemacht und eine unklare Rechtslage geschaffen, dennoch meinen viele Bildungspolitiker, dass die Habilitation in den Naturwissenschaften ein Auslaufmodell ist. Was meinen Sie?

Stark:

Der internationale Wettbewerb findet nicht nur in der Wirtschaft statt, sondern auch die Forschung ist davon wesentlich betroffen. Ein Sinn der Juniorprofessur ist es neben der Verkürzung der Qualifikationszeiten den Austausch von Nachwuchswissenschaftlern nach Deutschland und aus Deutschland zu erleichtern. Für diese Zielsetzung war die alte Habilitation in den Naturwissenschaften wenig geeignet. Insofern wird die Bedeutung der Habilitation zukünftig deutlich nachlassen, auch wenn sich einige Aspekte als durchaus vorteilhaft im Vergleich zur Juniorprofessur erwiesen haben. Ein Nebeneinander verschiedener Qualifikationsmöglichkeiten ohne ein Verbot der einen oder anderen Möglichkeit erscheint am sinnvollsten, zumal mit dieser Diskussion ein frischer Wind durch die Naturwissenschaften weht, der verstärkt herausragende Jungwissenschaftler fördert, ohne dabei strikt auf traditionelle Formalien zu achten.

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Eine Juniorprofessur soll es dem Nachwuchswissenschaftler ermöglichen, sich möglichst frei von anderen Verpflichtungen seiner Forschung zu widmen und dabei zu bewähren. Dazu gehört auch, dass er eine eigene Forschungsgruppe aufbaut und leitet. Ist er damit nicht überfordert?

Stark:

Die freie Widmung des Juniorprofessors für die Forschung ist ein politisches Wunschdenken abseits der Realität. Zur Etablierung einer eigenen Arbeitsgruppe muss sich der Jungwissenschaftler neben den wissenschaftlichen Arbeiten verstärkt um Forschungsgelder kümmern, da die Hochschulen nach der Grundausstattung in der Regel nur noch einen Sockelbeitrag für die Forschung zur Verfügung stellen können. Dem nach der Post-Doc-Zeit beginnenden Juniorprofessor fehlen meist die entsprechenden ausführlichen wissenschaftlichen Reputationen, zumal er sich auf einem neuen Forschungsfeld befindet. Dies erschwert die Drittmitteleinwerbungen. Hinzu kommt eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung durch das Lehrdeputat. Ohne die Integration in einen aktiven Lehrstuhl oder ein Institut mit entsprechenden personellen und finanziellen Unterstützungen wird es für den Juniorprofessor schwierig, die erste Evaluierung nach drei Jahren erfolgreich zu überstehen. Ein Vorteil des Juniorprofessors gegenüber manchen Habilitanden besteht allerdings darin, dass er eigenständig Doktoranden betreuen kann.

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In der Pharmazie sind Habilitationen vergleichsweise selten. Erwarten Sie, dass sich durch die Juniorprofessuren mehr Pharmazeuten auf das Wagnis einer Hochschulkarriere einlassen, sodass es in Zukunft mehr Kandidaten und damit auch bessere Auswahlmöglichkeiten bei der Besetzung von Lehrstühlen geben wird?

Stark:

Gemessen an der Anzahl der Professuren halten sich die Habilitationen oder vergleichbare Qualifikationen mit denen in den anderen Naturwissenschaften annähernd die Waage. Ein mögliches "Tenure-track", das heißt Übernahme als Vollprofessor (C3, W2) nach 6 Jahren Juniorprofessur mit einer zweiten Evaluierung, ist sicherlich eine attraktive Perspektive. Insgesamt lassen die Diskussionen um Hochschulstandorte in Deutschland, die Auswirkungen der Gesundheitsreformen und auch die Neugestaltungen der Hochschulen die Attraktivität einer Hochschulkarriere mit unklaren Zukunftsperspektiven nicht in einem besseren Licht erscheinen als vorher. Es bleibt zu hoffen, dass der zahlreich vorhandene, viel versprechende, hoch qualifizierte pharmazeutische Nachwuchs sich von diesen Randbedingungen nicht irritieren lässt und weiterhin mit einem ausgeprägten Idealismus und der Liebe zum Fach die akademisch-pharmazeutische Forschung und Lehre vorantreibt. Die Juniorprofessur sollte nicht als Einbahnstraße für eine Hochschulkarriere verstanden werden. Die damit erworbene wissenschaftliche Qualifikation eröffnet in zahlreichen pharmazeutischen Betätigungsfeldern neue Türen, auch wenn die Universitätskarriere sicherlich den am nächsten liegenden Weg darstellt.

Durch die Änderung des Hochschulrahmengesetzes im Februar 2002 wurde der Juniorprofessor geschaffen, der an der Universität forscht und Vorlesungen hält, ohne habilitiert zu sein. Nach drei Jahren wird er evaluiert und erhält gegebenenfalls die Voraussetzung für eine ordentliche Professur. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem jüngsten Urteil dieses bundeseinheitliche Procedere zunichte gemacht. Wir fragten Professor Stark, Uni Frankfurt/Main, ob die Habilitation trotzdem ein Auslaufmodell ist. Was meinen Sie, Herr Stark?

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