Die Seite 3

Ausgemustert

Peter Ditzel

Ärztemuster – gedacht sind sie als Arztinformation und in diesem Sinn auf drei Muster je Pharmazentralnummer und Arzt im Jahr beschränkt. Aber nur gedacht. Gemacht wird dagegen in der Realität viel mehr: Ärztemuster haben sich zu einem Marketinginstrument mit Kosten- und Risikofolgen ausgeweitet. Als unbemerkte und nicht dokumentierte Medikation entziehen sie sich jeglicher Kontrolle, kritisierte Frank Diener, ABDA-Geschäftsführer für Wirtschaft und Soziales, auf dem diesjährigen Apothekertag die Mustersituation. Und mit dieser Kritik hat er, wie Erfahrungen in der Praxis bestätigen, mehr als Recht.

Nachdem die Pharmaindustrie sich selbst einen Ehrenkodex gegeben hat und auf großzügige Werbegeschenke und Reisen für Ärzte verzichtet, ist das Arzneimittelmuster mehr denn je zum Werbeträger geworden und wird dementsprechend großzügig unter die Ärzte gebracht. Kontrollieren lässt sich die Dreier-Regelung kaum, zumal die Ware aus dem Kofferraum des Pharmavertreters wohl einfach mal so auf den Tisch des Arztes wandert oder auch als Türöffner dient. Ich habe auch noch nichts davon gehört, dass eine Pharmafirma Buch darüber führt, wie viele Muster sie von einem Präparat an einen Arzt geschickt hat und gar Mitteilungen versendet, dass das Musterkontingent erschöpft sei oder bereits drei Packungen geliefert worden seien.

Zuweilen stapeln sich die Muster in den Arztpraxen – manche Apotheken, die von ihrem Arzt gebeten werden, die überquellenden Musterschränke zu entsorgen, können davon ein Lied singen. Gerade in Zeiten knapper Kassen nimmt das Musterunwesen zu und wird vermehrt von Firmen und Ärzten als Marketinginstrument eingesetzt. Ärzte können in Zeiten von Praxisgebühr und erhöhten Zuzahlungen ihren Patienten gezielt etwas Gutes tun. Und Pharmafirmen halten sich Ärzte damit gewogen.

Welche kreativen Lösungen es gibt, Muster an den sehr geehrten Herrn oder die sehr verehrte Frau Doktor zu bringen, zeigt sich, wenn man sich hiermit ein wenig näher befasst. Eine neue Variante: Das Pharmaunternehmen stellt dem Arzt zusammen mit dem Kaffeeröster Nespresso kostenlos und leihweise einen hochwertigen Kaffeeautomaten zur Verfügung. Der Kaffeeröster schickt dem Arzt nun regelmäßig die dafür nötigen Kaffeekapseln, schick und repräsentativ verpackt – der Pharmahersteller legt dem feinen Gourmet-Päckchen Produktinfos zu seinen Arzneimitteln oder eben auch Arzneimuster bei. Handling und Versand übernimmt der Kaffeeröster. Da es sich bei den Kaffeemaschinen nicht um einen Kauf handelt, fallen für die Industrie keine Kosten an, die unter den Pharmakodex fallen. So einfach umgeht man Kodex und Musterbeschränkungen.

Wie sehr das Muster derzeit als Marketinginstrument in ist, zeigen auch Angebote von Logistikunternehmen an Pharmafirmen. Da bietet zum Beispiel der Logistik-Spezialist Med-X-Press an, die Ärzte zielgenau ohne Streuverluste mit Mustern zu beliefern: Der Logistiker übergibt nicht irgendein Päckchen, sondern händigt ein attraktiv aufgemachtes Paket wie ein Geschenk persönlich dem Arzt oder der Arzthelferin aus. Die Aufmerksamkeit in der Praxis ist damit sicher.

Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, welch hohen Stellenwert im Marketingkonzept der Firmen das Muster hat und wie weit man sich vom eigentlichen Sinn des Musters entfernt hat. Was passiert, wenn Pharmafirmen sich noch der herkömmlichen Methode bedienen und ihre Muster per Post oder Spedition versenden, zeigt ein Leserbrief in dieser Ausgabe. Da liegt das Musterpäckchen – immerhin eine Arzneimittelsendung – schon mal im Hausflur oder außen auf dem Briefkasten, für jedermann zugänglich, wenn der Arzt vom Auslieferer nicht angetroffen wurde.

Ist da die Zeit nicht reif, ernsthaft über das Musterunwesen nachzudenken? Auf dem Apothekertag berichtete Diener von einem Modellversuch in den USA, wo Muster über die Apotheke ausgegeben werden, wenn der Patient einen entsprechenden Gutschein vorlegt, den er vom Arzt ausgehändigt bekommen hat. Der Apothekertag hat sich dafür ausgesprochen, in Deutschland ebenso zu verfahren. Ob wir von der Politik gehört werden?

Ein Wort in eigener Sache: Wir freuen uns, Ihnen heute eine DAZ vorlegen zu können, die sich verjüngt hat. Face lifting nennt man in der Fachsprache die kleinen feinen Korrekturen am Erscheinungsbild. Sie sollen zeigen, dass wir nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch mit der Zeit gehen. Mit der neuen Gestaltung der DAZ möchten wir Sie noch mehr als bisher zum Lesen Ihrer Fachzeitschrift einladen. Information und Fortbildung sollen Freude machen und anregen, sich mit dem Gelesenen zu befassen. Wir sind sicher, die neue alte DAZ wird Ihnen noch besser gefallen.

Peter Ditzel

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