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DAZ aktuell
Forderung nach Offenlegung aller klinischen Studien (DPhG-Statement)
In jüngster Zeit werden mehr und mehr Stimmen laut, die fordern, Ergebnisse aller klinischen Studien der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch die offensichtlich verbreitete Praxis pharmazeutischer Unternehmen, negative Ergebnisse von klinischen Studien nicht zu publizieren bzw. unter Verschluss zu halten. Zweifelsfrei wird mit den erhobenen Forderungen nach Offenlegung aller Studien ein Problem angesprochen, das in der Vergangenheit als eine Art Tabu-Thema behandelt wurde.
Spontan mag die Frage, ob es sinnvoll sei, alle – und nicht nur ausgewählte – klinische Studien zu publizieren, verwundern. Diese Sichtweise weicht allerdings schnell einer bedrückenden Ernüchterung, wenn man Berichte und Studien liest, die dieses Problem eingehend analysieren. Offensichtlich werden, wie eingangs bereits erwähnt, Protokolle und Ergebnisse vieler Studien nicht publiziert, besonders dann, wenn die Ergebnisse in den Augen der Sponsoren negativ ausgefallen sind. Ferner scheitert die Publikation klinischer Studien häufig auch an den Peer-Review-Prozessen internationaler Journale, die Studien bzw. deren Ergebnisse nicht publizieren, wenn sie einen bestimmten Qualitätsstandard nicht erfüllen und häufig leider auch, wenn die Studien nicht "positiv" ausgegangen sind.
In Zeiten, in denen evidenzbasiertes Handeln in der Medizin immer nachdrücklicher gefordert wird, ist die Unterschlagung von Evidenz vom ethischen Standpunkt aus betrachtet nicht hinzunehmen. Die Folge ist ein unakzeptabler Evidenz-Bias, der ein Bild medizinischer Interventionen zeichnet, das sich im Wesentlichen von (zufällig) positiver Evidenz ableitet. Dies überzeichnet das Potenzial medizinischer Interventionen, bei denen negative Evidenz nicht publiziert wurde.
Andererseits diskreditiert ein antizipierter positiver Evidenz-Bias das Potenzial solcher Interventionen, für die wirklich jegliche Evidenz konsequent publiziert wurde. Eine solche Situation kann auf Dauer nicht toleriert werden, weshalb sich die DPhG den Forderungen anschließt, alle klinischen Studien (Protokoll und Ergebnisse) in einem möglichst einheitlichen, übersichtlichen Format zu publizieren bzw. mindestens der Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine ideale Plattform für eine solche Publikation wäre eine zentrale europäische oder auch internationale Datenbank, die von der EU oder der FDA administriert wird und die über das Internet für Fachkreise zugänglich ist. Diese generelle Forderung der DPhG schließt nicht aus, spezielle Verfahrensdetails oder Zugangsbeschränkungen durch ein unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium zu regeln.
Der generelle Zwang zur Registrierung und Publikation aller klinischer Studien würde sich mit Sicherheit auch auf die derzeit sehr unterschiedliche Qualität klinischer Studien auswirken und käme nicht zuletzt denen zu Gute, die sich als Patienten oder Probanden an Studien beteiligen. Hinsichtlich der Anforderungen an die Qualität klinischer Studien unterstützt die DPhG vorbehaltlos die Ziele von CONSORT (Consolidated Standards of Reporting Trials). Das CONSORT-Konzept ist unter www.consort-statement.org einzusehen werden.
Für die DPhG: Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe (Präsidentin), Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, (Vizepräsident), Dr. Fritz Stanislaus (Vizepräsident), Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler, Prof. Dr. Theo Dingermann (Altpräsident)
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