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Aus Kammern und Verbänden
Pharmazierätetagung Postdam 2003: Herausforderungen im Strukturwandel
Die Tagung wurde durch den Vorsitzenden der AGP, Pharmazierat Dr. Ulrich Krötsch, München, eröffnet und geleitet.
Die Grußworte des Gesundheitsministers von Brandenburg überbrachte Staatssekretärin Margret Schlüter. Sie lobte den ehrenamtlichen Einsatz der Pharmazieräte, die die staatliche Überwachung mit kollegialem Austausch verbinden, "aus der Praxis für die Praxis und nicht vom grünen Tisch". Sie rief dazu auf, die Herausforderung der Gesundheitsreform anzunehmen und mit Kraft, Ideen und Motivation die Zukunft mitzugestalten.
Die Grüße der Landesapothekerkammer Brandenburg überbrachte Präsident Dr. Jürgen Kögel. Er rief die AGP dazu auf, ihren Beitrag zur Lösung der vielen noch ungelösten Fragen zu leisten und den skeptischen und verunsicherten Kollegen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Versorgung von Alten- und Pflegeheimen
Die Belieferung von Heimbewohnern mit Arzneimitteln und Medizinprodukten unterlag bis zur Novellierung des Apothekengesetzes 2002 keinen speziellen Regelungen und bewegte sich in einer Grauzone. Ziel der Neuregelung war es, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Die Arzneimittel werden nicht länger nur geliefert, sondern das Heim und seine Bewohner werden umfassend pharmazeutisch betreut.
Bei der Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen in einem derart komplexen Bereich wird häufig mit unbestimmten – und damit auslegungsbedürftigen – Rechtsbegriffen gearbeitet. Zugleich ist den Überwachungsbehörden ein Ermessensspielraum eingeräumt. Um möglichst alle Aspekte der Heimversorgung zu beleuchten, hatte die AGP Referenten aus unterschiedlichen Bereichen der Pharmazie eingeladen.
Rechtsanwalt Lutz Tisch, Geschäftsführer der ABDA für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht, ging zunächst auf die Pflichten des Apothekenleiters ein. Dieser trage zwar die persönliche Verantwortung für die ordnungsgemäße Heimversorgung, Pflichten dürfe er aber auf sein pharmazeutisches Personal einschließlich der PTA übertragen, auch die Beratung bei der Arzneimittelabgabe. Diese Meinung wurde nicht von allen Referenten geteilt und führte auch im Auditorium zu Diskussionen.
Bei einer Heimversorgung durch mehrere Apotheken sollte nach Auffassung der ABDA sowohl die Wohnbereichsaufteilung als auch das Rotationssystem möglich sein. Der Begriff "benachbarte Kreise" sei enger auszulegen als bei der Krankenhausversorgung, weil im Heim eine Individualversorgung stattfindet. Das "Stellen von Arzneimitteln" sei nicht grundsätzlich verboten. Es müsse aber nach der Abgabe aus individuell verordneten und zugeordneten Packungen erfolgen und dürfe nicht unentgeltlich sein.
Ministerialrat Walter Frie, Leiter des Referates Arzneimittel, Medizinprodukte, Apotheken- und Transfusionswesen im Gesundheitsministerium NRW, erläuterte die Rechtsauffassung der leitenden pharmazeutischen Ministerialbeamten der Länder.
Dabei war es ihm besonders wichtig herauszustellen, dass bei der Heimversorgung noch mehr als in einer öffentlichen Apotheke die qualifizierte pharmazeutische Dienstleistung und Beratung (z. B. hinsichtlich Wechselwirkungen) im Vordergrund stehen sollten.
Im Gegensatz zur ABDA seien die Ministerialbeamten der Länder davon überzeugt, dass die angestrebte qualitativ hochwertige Versorgung beim Rotationssystem wegen der fehlenden Kontinuität nicht gewährleistet sei.
Zum Thema Stellen/Verblistern von Arzneimitteln meinte Frie, dass das Arzneimittelrecht zwar bei individueller Verblisterung im Heim im Auftrag des Heimes nach tatsächlich erfolgter Abgabe nicht tangiert sei, dass aber das Haftungsrecht nicht außer Acht gelassen werden dürfe.
Dr. Johannes Pieck, Ehrenmitglied der AGP, gab Antworten auf aktuelle Rechtsfragen. Im Gegensatz zu Frie hielt er das Stellen/Verblistern von Arzneimitteln in der Apotheke unter bestimmten Voraussetzungen für rechtlich zulässig. Es handle sich um eine Dienstleistung, die nicht zum genehmigungspflichtigen Inhalt des Heimversorgungsvertrages gehöre.
Aus der Sicht der von der Gesetzesänderung direkt betroffenen Apotheker schilderten der 1. und der 2. Vorsitzende des Bundesverbandes der krankenhaus- und heimversorgenden Apotheker (BVKA), Dr. Klaus Peterseim, Essen, und Klaus Grimm, Wesseling, die Problematik.
Unter der Überschrift "Versorgen statt Beliefern" gaben sie praktische Hinweise zur Umsetzung der Vorschriften, z.B. Kontrolle der Wohnbereiche, Organisation der Qualitätssicherung (hierzu gibt es auch bereits Dokumentationshilfen), Schulung der Pflegekräfte, Beratung von Bewohnern sowie Dialog mit den Ärzten.
Als Zukunftsvision wünschten sie sich eine Arzneimittelliste, wie sie im Krankenhaus üblich ist. Sie könnte zur Arbeitserleichterung, zur Verbesserungen der Arzneimittelsicherheit und möglicherweise auch zu Einsparungen führen.
Als Vertreter aktiver Apotheken erörterte Detlef Steinweg, Castrop-Rauxel, die Frage, welche Chancen die Heimversorgung eröffnet. Im Rahmen seines Vortrages stellte er das Verblistern mit Hilfe eines Baxter-Automaten vor und ging dabei auch auf Vor- und Nachteile ein.
Problematisch sei vor allem, dass eine solche Dienstleistung des Apothekers derzeit sehr rasch an die rechtlichen Grenzen stoße, was Frie nochmals bestätigte. Auch Steinweg hält eine Arzneimittelliste für eine wichtige Voraussetzung für ein fehlerfreies Stellen/Verblistern der Arzneimittel.
Veränderungen durch das GMG
Unter dem Titel "Folgen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) – Blütenträume und Fakten" nahm Lutz Tisch zu Filialbesitz und Versandhandel Stellung. Neben die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke ist die (eigenständige) Erlaubnis zum Betrieb einer Hauptapotheke mit bis zu (maximal) drei Filialapotheken (die jeweils allen durch die ApBetrO festgelegten Anforderungen an eine Apotheke genügen müssen) getreten. Ein Apotheker kann nach wie vor nur eine Erlaubnis erhalten. Mehrbesitz durch die Erteilung weiterer Erlaubnisse ist nicht zulässig.
Der Versandhandel ist nun zulässig, muss aber aus den Betriebsräumen einer öffentlichen Apotheke heraus erfolgen und ist erlaubnispflichtig. Die weitere Entwicklung des Versandhandels sei bisher noch nicht abzusehen.
In seinem Bericht ging der Vorsitzende der AGP, Dr. Ulrich Krötsch, nochmals auf die zahlreichen Veränderungen durch das GMG ein und forderte dazu auf, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern die Herausforderung anzunehmen und energisch und mutig die Zukunft (mit-)zugestalten. Trotz aller Veränderungen seien die schlimmsten Horrorszenarien nicht Realität geworden, und die Apotheker haben Wichtiges erhalten können, z. B.
- das Fremdbesitzverbot,
- das Mehrbesitzverbot, wenn auch eingeschränkt,
- die Apothekenpflicht für OTC-Arzneimittel,
- den freien Heilberufs-Apotheker. Der Arzneimittelversandhandel wurde so geregelt, dass er wahrscheinlich nicht sehr lukrativ ist, und in den integrierten Versorgungssystemen gebe es keinen Preiswettbewerb.
In Anknüpfung an vorherige Tagungen befasste sich Dr. Holger Reimann, Leiter des Pharmazeutischen Laboratoriums des Neuen Rezeptur-Formulariums NRF, mit der Kennzeichnung der wirksamen Bestandteile in Rezepturen. Hintergrund war die Forderung der Länderarbeitsgruppe AATB, alle wirksamen Bestandteilen – d. h. auch die von Salbengrundlagen – zu kennzeichnen. Dies musste zwangsläufig zu Problemen bei der Umsetzung in der Apotheke führen.
Reimann stellte anhand von Fallbeispielen Vereinfachungen vor, durch die das Ziel der Kennzeichnung
- Transparenz der arzneilich wirksamen Bestandteile,
- Transparenz sonstiger Bestandteile sowie
- Reproduzierbarkeit der Rezeptur
seiner Meinung nach praxisnah erreicht werden könnte. Nicht nur die Kennzeichnung von Rezepturen kann dem Apotheker Kopfzerbrechen bereiten, sondern vor allem auch die Festlegung der Aufbrauchfristen. Das neue NRFp 2003 enthält hierzu eine Liste mit Richtwerten. Erläuterungen gab Apothekerin Rosemarie Eifler-Bollen, stellvertretende Leiterin des NRF-Labors.
Da nur etwa 8% der Rezeptur-Verordnungen Standardrezepturen sind, können die Richtwerte nur als Anhalt dienen. Unterschieden werden muss zwischen chemisch-physikalisch stabilen, unkonservierten und mikrobiell anfälligen Rezepturen, solchen mit zweifelhafter Stabilität und solchen mit therapiebedingt kurzer Anwendungsdauer. Zur Kennzeichnung der Aufbrauchfristen auf dem Behältnis entscheidet sich die AGP mehrheitlich für "haltbar bis".
Die Abgabe der Arzneimittel bedarf der Beratung. Sie ist im wesentlichen die Basis für das Honorar. Um die Beratung seriös und wissenschaftlich fundiert gestalten zu können, stellte Pharmazierat Dr. Walter Taeschner, Lörrach, einen Medikamenteninformationsdienst von Apothekern für Apotheker unter dem Titel "I.m@il Offizin" vor. Die Idee stammt aus der Schweiz und wurde von ihm für Deutschland adaptiert. Der Titel ist gleichzeitig die E-Mail-Adresse.
Aus der preußischen Geschichte
Die Tagung wurde mit einem allgemeinbildenden Vortrag abgeschlossen, den der ehemalige Pfarrer der Kirchengemeinde Bornstedt, Gottfried Kunzendorf, hielt. Auf dem Bornstedter Friedhof liegen bekannte Persönlichkeiten wie die Gärtnerfamilien Sello und Lenné, der Baumeister Persius, die Historiographen Manger und Makowsky, des Soldatenkönigs trauriger Spaßmacher Grundling, viele hohe Beamten der Hohenzollern, Generäle, Männer des 20. Juli 1944 und der Apotheker Maximilian Negwer (geb. 1872), der das Ohropax erfunden hat.
Schon Odysseus hatte seinen Gefährten die Ohren mit Bienenwachs verstopft, um sie vor dem betörenden Gesang der Sirenen zu schützen. Auch Negwer experimentierte anfangs mit Bienenwachs, das sich aber als zu wenig flexibel erwies. Nach drei Jahren fand er endlich die richtige Mischung: Baumwollwatte, getränkt mit Paraffinwachs und Vaseline. Das Rezept blieb seit 1907 praktisch unverändert.
Kunzendorf fesselte seine Zuhörer mit einem Einblick in die Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und malte aus, wie die Geschichte des 20. Jahrhunderts möglicherweise verlaufen wäre, wenn im Jahr 1888 Kaiser Friedrich III. nicht nach nur 99 Tagen im Amt gestorben wäre.
Vorbereitung und Betreuung der Tagung lagen wieder in den bewährten Händen der stellvertretenden Vorsitzenden der AGP, Sylvia Demelius. Um die finanzielle Basis kümmerten sich, wie immer umsichtig und zuverlässig, der Schatzmeister Dr. Helger Buttle und seine Frau Isolde. Den Organisatoren sei für ihren ehrenamtlichen Einsatz herzlich gedankt.
Die nächste Pharmazierätetagung wird voraussichtlich vom 10. bis 13. Oktober 2004 in Würzburg stattfinden.
Problemfelder bei der Heimversorgung
- Qualifikation des in der Heimversorgung tätigen Apothekenpersonals, auch unter dem Aspekt der Information und Beratung,
- Abgrenzung der Zuständigkeiten bei Versorgung eines Heimes durch mehrere Apotheken,
- Auslegung des Begriffs "benachbarte Kreise",
- Stellen/Verblistern von Arzneimitteln für den einzelnen Heimbewohner.
Resolutionen der AGP
Auf der Jahrestagung 2003 der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands wurden folgende Resolutionen beschlossen:
1. Voraussetzungen für eine qualitativ hochstehende Arzneimittelversorgung der Altenheim- und Pflegeheimbewohner Um eine qualitativ hochstehende Arzneimittelversorgung der Altenheim- und Pflegeheimbewohner zu gewährleisten, sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- angemessene Ausstattung der Apotheke mit pharmazeutischem Personal
- Fahrtzeit zwischen Apotheke und Alten-/Pflegeheim: höchstens 30 Minuten
- sachgerechte Dokumentation der Versorgung (siehe Empfehlungen der Bundesapothekerkammer)
- Laufzeit des Versorgungsvertrages: mindestens 1 Jahr.
2. Praxisnahe Kennzeichnung von Magistralrezepturen Die AGP unterstützt das von Dr. Reimann vorgestellte Konzept für eine praktikable Kennzeichnung von Rezepturen, hofft auf eine baldige Zustimmung der Länderarbeitsgruppe AATB und fordert eine rasche Umsetzung.
3. Straffen der vorgeschriebenen Gesetzessammlungen Der Präsident der Bundesapothekerkammer soll gebeten werden, sich bei den verantwortlichen Herausgebern der Gesetzessammlungen für dieses Anliegen der Kollegenschaft einzusetzen.
Mehr als Militär
In Potsdam mit dem Schloss Sanssouci, das von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben worden ist, verdichtet sich Preußens Rolle in der deutschen Geschichte auf einzigartige Weise. Das von so großartigen Könnern wie Knobelsdorff, Schinkel oder Lenné gestaltete Gesamtkunstwerk zeugt von der Offenheit und dem Kunstsinn preußischer Könige. Unter Friedrich II. galt Preußen als Hort der Aufklärung. Potsdam steht aber auch für die Teilung Deutschlands (Potsdamer Konferenz, 1945).
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