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Feuilleton
Allein unter Frauen: Der "Adonis von Zschernitz"
Am 19. August des vorigen Jahres wurde bei Grabungen auf der Trasse einer künftigen Erdgasleitung bei Zschernitz im westsächsischen Landkreis Delitzsch der Rest einer Tonfigur mit männlichen Geschlechtsmerkmalen geborgen. Der Fund erwies sich als spektakulär, denn die ursprünglich etwa 25 Zentimeter hohe Statuette ist vor etwa 7000 Jahren geformt und gebrannt worden und somit die älteste bekannte Männerplastik Mitteleuropas.
Doch kein Matriarchat?
Nun steht der "Adonis von Zschernitz" im Mittelpunkt einer Sonderausstellung, in der er, soweit es die menschlichen Skulpturen betrifft, nur von Frauen umgeben ist, zum Beispiel von der 1964 ebenfalls in Sachsen geborgenen, elegant geformten "Venus von Zauschwitz". Solche weiblichen Statuetten des Neolithikums (Jungsteinzeit) wurden bisher gern als Muttergöttinnen interpretiert. Nach dem Fund des "Adonis von Zschernitz" müssen wohl die damit einhergehenden Vermutungen, die Gesellschaft des Neolithikums sei matriarchalisch geprägt gewesen, revidiert werden.
Weitere Objekte aus Sachsen sowie Leihgaben aus Bayern, Hessen, Niedersachsen und Thüringen gewähren einen facettenreichen Einblick in die faszinierende Kunst der Jungsteinzeit zwischen 5500 und 4000 vor Christus. Den Auftakt bildet Keramik mit Kreuz- und Dreizackmustern und Krötendarstellungen.
Strichmenschen mit abgewinkelten Armen regen zur Diskussion an, ob sie Betende darstellen oder aber einen noch tieferen Symbolgehalt haben. Wichtige Motive der neolithischen Kunst sind Tiere – insbesondere Gefäße in Form von Rindern, Schweinen und Schafen. Objekte mit Darstellungen von Vögeln und Schlangen wurden dagegen bisher nur selten gefunden.
Geometrische Tätowierung?
Zuweilen verzierten die Künstler der Jungsteinzeit Menschenbildnisse mit geometrischen Mustern. So auch den "Adonis von Zschernitz", dessen Gesäßpartie mit netzartigen Linien überzogen ist. Da der Körper unbekleidet ist, stellt die Gravur möglicherweise eine Tätowierung dar.
Der "Adonis" ist nur ein Torso. An der Fundstelle wurden noch ein – vermutlich von ihm stammendes – Schulterstück, Teile einer zweiten Figur sowie einige kleinere Bruchstücke, die bisher noch nicht zugeordnet werden konnten, geborgen. Hier stellt sich die generelle Frage, warum man an neolithischen Ausgrabungsstätten zumeist nur Fragmente von Tonstatuetten und figürlich verzierten Keramikgefäßen fand. Wurden sie schlicht als Abfall entsorgt, oder wurden sie vielleicht aus rituellen Gründen deponiert?
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