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Fortbildung
Wechseljahre mit und ohne Hormontherapie
Strenge Indikationsstellung
Wie Prof. Dr. Martina Dören von der Charité in Berlin ausführte, gelten nach den Ergebnissen der US-amerikanischen WHI-Studie nur folgende Symptome als Indikation zur Behandlung mit Hormonen in den Wechseljahren: Hitzewallungen, nächtliches Schwitzen und vaginale Trockenheit. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Berufsverband der Frauenärzte haben dementsprechend Empfehlungen zur Hormontherapie im Klimakterium und in der Menopause entwickelt (s. Kasten).
Geschichte der Hormonsubstitution
Aus Sicht der Versorgungsforschung machte Prof. Dr. Petra Kolip, Universität Bremen, deutlich, wie schwierig es ist, die bis Anfang 2000 gängige Lehrmeinung "Mit Hormonen tut man Frauen etwas Gutes!" umzukehren. Zu Beginn der 1960er-Jahre wurden die Östrogene als Behandlungsmöglichkeit für die Wechseljahre entdeckt. Um 1975 zeigte sich, dass viele Frauen, die mit Östrogenen behandelt worden waren, an Gebärmutterhalskrebs erkrankten. Weil man aber feststellte, dass man diesem Risiko durch die Kombination mit Gestagenen entgegenwirken kann, und weil man Anfang der 1980er-Jahre auch den positiven Einfluss der Östrogene auf den Knochenhaushalt und das Herz-Kreislauf-System erkannte, stand dem Siegeszug der Hormontherapie nichts mehr im Wege.
Erste Hinweise, dass die Hormontherapie einen Einfluss auf Brustkrebserkrankungen haben könnte, wurden 1989 bekannt. Doch bis Mitte der 1990er-Jahre galt die These, dass es sich bei den Wechseljahren um eine Östrogenmangelkrankheit handelt und dass man sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig macht, wenn man der Frau dieses Medikament vorenthält.
Kurskorrektur durch die WHI-Studie
Obwohl der Sachverständigenrat bereits 2000 die Hormontherapie als Beispiel für Medikalisierung einstufte, galt die Behandlung weiterhin als sinnvolle Prävention. Mit dem Abbruch eines Arms der 1996 gestarteten WHI-Studie im Juli 2002 wurde eine zunächst sehr emotional gefärbte Diskussion geführt. So wurde argumentiert, dass die Ergebnisse für die Therapie nicht relevant seien, weil die Altersstruktur und das Risikoprofil der Studienteilnehmerinnen anders gelagert seien, die Studie nicht von Gynäkologen durchgeführt wurde und anderes mehr. Doch das BfArM war anderer Meinung und änderte die Indikation der entsprechenden Präparate. Auch die DGGG und der Berufsverband der Frauenärzte reagierten und verabschiedeten 2002 ihre Konsensusempfehlungen.
Noch keine echte Trendwende?
Zwar entstanden auch noch danach Informations- und Fragebogen für die gynäkologische Praxis, die die Hormontherapie verharmlosend darstellten, doch sind von Mitte 2002 bis Dezember 2004 die Verordnungszahlen von Hormonersatzpräparaten um 50% zurückgegangen (nach Angaben des WIdO, Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen). Ob es sich dabei um eine echte Trendwende in der Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden handelt, ist noch offen. Kolip mahnte, dass bislang Studien zur Frage fehlen, wer in welchem Alter warum und über welchen Zeitraum mit Hormonen behandelt werden sollte. Auch gebe es kaum sachliche Informationen, wie man eine Hormontherapie sinnvoll beenden soll, weshalb es auch nicht ungewöhnlich sei, dass über 70-Jährige immer noch mit Hormonen therapiert werden.
Das Problem der Medikalisierung der Wechseljahre besteht nach Ansicht Kolips trotz rückläufiger Verordnungszahlen weiterhin. Sie forderte ein Umdenken in der Gesellschaft ein, damit z. B. eine Internet-Seite, die mit einem Foto von Sophia Loren und der Darstellung von Dürers Mutter für Hormone als Jungbrunnen und als Anti-Aging-Mittel wirbt, keine Wirkung mehr hat (www.scholz-koeln.de/antiaging/antiaging2.html).
Empowerment als Therapiestrategie
Als Beispiel für einen kritischen Umgang mit der Hormontherapie stellte die Kölner Gynäkologin Dr. Maria J. Beckermann ein qualitätsgesichertes Diagnose- und Therapieschema für Wechseljahrsbeschwerden vor. Neben der Abklärung möglicherweise auch internistischer und psychiatrischer Erkrankungen hält sie das Empowerment der Frauen für wichtig. Die meisten Frauen verbinden mit Wechseljahren Defizite, Probleme und Ängste. Wenn man sie aber auf die positiven Veränderungen fokussiere, sei in vielen Fällen eine Hormontherapie völlig überflüssig.
Frauen sollten bereits vor Einsetzen der Wechseljahre Sport treiben. Nur 5% der Leistungssportlerinnen leiden unter Hitzewallungen. Wer erst in den Wechseljahren mit Sport beginnt, erleidet zunächst meist eine Verschlimmerung der Beschwerden.
Die Hormontherapie ist bei Hitzewallungen die effektivste Behandlung. Bei einem Einnahmezeitraum von unter zwei Jahren, so zeigen die Ergebnisse der WHI-Studie, besteht im wesentlichen nur ein Thromboserisiko, weshalb eine kurzfristige Anwendung in manchen Fällen sinnvoll sein kann.
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und Berufsverband der Frauenärzte Konsensusempfehlungen zur Hormontherapie im Klimakterium und in der Postmenopause (2002/04): http://leitlinien.net.
M.J. Beckermann Evaluation epidemiologischer Studien zur Östrogen-Gestagen-Hormontherapie (2001): www.medicalforum.ch/set_archiv_d.html Kurzfassung: www.akf-info.de/conpresso/3_3_aktuell/detail.php?nr=299&kategorie=3_3_aktuell
Wechseljahre und Hormontherapie
Koordinationsstelle Frauen und Gesundheit NRW
www.frauengesundheit-nrw.de
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und Berufsverband der Frauenärzte Konsensusempfehlungen zur Hormontherapie im Klimakterium und in der Postmenopause (2002/04): http://leitlinien.net.
M.J. Beckermann Evaluation epidemiologischer Studien zur Östrogen-Gestagen-Hormontherapie (2001): www.medicalforum.ch/set_archiv_d.html Kurzfassung: www.akf-info.de/conpresso/3_3_aktuell/detail.php?nr=299&kategorie=3_3_aktuell
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