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- DAZ 34/2005
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Frontal daneben
Testkäufe in Apotheken sind derzeit ungefähr so in Mode wie Schlaghosen und gelbgetönte Sonnenbrillen. Und weil das so ist, machten sich auch die investigativen Journalisten von Frontal 21 auf den Weg, den Apothekern eine Verfehlung nachzuweisen. Und tatsächlich meinte man fündig geworden zu sein. In der irrigen Annahme, Apotheker müssten bei der Wirkstoffverordnung das allerbilligste Medikament abgeben, filmte man mit versteckter Kamera jedoch nur Legales, nämlich die Auswahl eines der drei preiswertesten Präparate durch den Apotheker, ein vom Gesetzgeber ausdrücklich so vorgeschriebener Vorgang. Sollten vereinzelte Kollegen dennoch einen Fehler machen und ein teureres Präparat abgegeben haben, so wird die Differenz von den Krankenkassen im Wege der Retaxation wieder einbehalten, sodass wirtschaftlich für die Apotheken kein Vorteil entsteht. Doch hielt man, wen kümmern schon die Fakten, diesen Vorgang für ungeheuerlich und fand auch gleich willfährige Experten, die das Schlimmste attestierten: Abzocke, Betrug und sogar Korruption.
Solche Vorwürfe sind Straftatbestände und dürfen ohne vernünftige Beweise im seriösen Geschäftsleben nicht so unbedacht geäußert werden, ohne hinterher eine Verleumdungsklage am Hals zu haben. Aber im Fernsehen, das nach der Maxime verfährt, dass Gegendarstellungen sowieso keinen Menschen interessieren und bei dem der Verlauf des Diskurses allein vom Redakteur gesteuert wird, kann man zu solchen Unterstellungen greifen, um Meinung zu machen und den Vorurteilen skandalhungriger Zuschauer Futter zu liefern. Ein ganzer Berufsstand wird mit billiger Polemik und dem Vermischen von Halbwahrheiten und Tatsachen in anderem Zusammenhang diskreditiert und kriminalisiert, um ihn auf dem Altar der Einschaltquote publikumswirksam zu opfern. Deshalb verwundert es wenig, dass sachliche Gegenargumente wie die 1,2 Mrd. Euro, die Apotheken wiederum ihren Marktpartnern, den Krankenkassen, einräumen, sofort als unseriös gebrandmarkt werden. Hier zeigt sich dann auch die ideologisch verzerrte und von einer dirigistischen Regulationssucht geprägte Gesinnung der im Beitrag zitierten Stichwortgeber in besonders eklatanter Weise.
Es sei nochmals betont, Rabatte sind im Geschäftsleben eine ubiquitär anzutreffende Erscheinung, die keineswegs anrüchig oder gar illegal ist. Es hier in Nähe von Korruption und Vorteilnahme zu rücken, zeigt deutlich, dass es den Meinungsmachern von Frontal 21, die ansonsten stets das Banner der Deregulierung vor sich hertragen, nicht um Inhalte geht. Die Forderung nach Weitergabe ausgehandelter Rabatte zugunsten des Solidarsystems jedenfalls ist unter merkantilem Aspekt wohl eher der Planwirtschaft zuzuordnen und hat mit Korruption oder Abzocke rein gar nichts zu tun. Hiermit soll allerdings nicht der Anschein erweckt werden, im Gesundheitswesen wäre das Thema Korruption unbekannt. Es gibt sie und sie muss bekämpft werden. Der Weg hierzu ist unter Einbindung aller Beteiliger, auch von Transparency International, mit dem 6. Lüneburger Sicherheitsforum für die Wirtschaft beschritten worden. Außerdem würde ich mich freuen, wenn ich auch nur einen Teil der angeblichen 500 Mio. Euro als Rabatt in meiner Apotheke erhalten würde, dann könnte ich auch meinen Kunden einen Rabatt einräumen, der von denselben Experten gefordert, aber wahrscheinlich nur durch illegale Machenschaften zu erzielen ist.
Wer also zukünftig mentale Frontal-Zusammenstöße vermeiden möchte, sollte ein wenig mehr Wert auf Recherche und etwas weniger Effekt in Erwägung ziehen und auch mal den Mut haben, dem journalistischen Mainstream etwas entgegenzusetzen. Nur schlechtverborgene Vorurteile und Halbwahrheiten in einem diffusen Gemenge effektheischend zu präsentieren, hat aus meiner Sicht mit gutem Journalismus genau so viel gemeinsam wie Billigmode und Stil – nämlich nichts.
Dr. Günther Hanke
Präsident der Landesapothekerkammer
Baden-Württemberg
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