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Aus der Hochschule
Ära Hans Becker geht zu Ende
Käse und Wein gehören zu den ältesten Produkten, die mit biotechnologischen Methoden hergestellt werden. Voraussetzungen waren einerseits die Viehzucht, andererseits die Kultur der in der warmgemäßigten Zone Eurasiens verbreiteten Weinrebe. Die Anwendung der biotechnologischen Methoden beruhte auf reiner Empirie, bevor die dabei ablaufenden Prozesse naturwissenschaftlich erforscht und auf dieser Grundlage optimiert wurden.
Der Übergang von der Tradition zu High-tech vollzog sich in der jüngsten Zeit, und ein Ende der Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Durch die Technisierung wird generell die Produktivität und meistens auch die Qualität gesteigert, von Fall zu Fall sind jedoch auch Einbußen beim Geschmack zu verzeichnen.
Wo kommen die Löcher
im Käse her?
...lautete das Thema der Abschiedsvorlesung von Professor Becker. Um Käse herzustellen, benötigt man vier Dinge: Milch, Lab oder ein anderes Gerinnungsmittel, Kulturen von Mikroorganismen und Salz. Die Milch stammt ausschließlich von Säugetieren, und die Zahl der vom Menschen als Milchlieferanten genutzten Tierarten ist zweistellig, doch ist das Rind wegen seiner enormen Produktivität – die Jahresleistung hochgezüchteter Rassen beträgt 6600 Liter – bei weitem am wichtigsten.
Milch besteht aus Wasser, Fett, Proteinen, Milchzucker und Mineralien, doch schwankt ihre Zusammensetzung von Spezies zu Spezies erheblich. So beträgt der durchschnittliche Fettgehalt von Kuhmilch 3,7%, von Ziegenmilch 4,5%, von Schafsmilch 7,4% und von Rentiermilch sogar 16,9%; fettreiche Milch ist besonders nahrhaft, was bei extremer Kälte von Vorteil ist.
Die Proteinfraktion der Milch besteht vor allem aus Casein. Dieses ist in der Milch suspendiert, indem es Micellen bildet. Das ursprünglich aus dem Kälbermagen gewonnene Lab, ein Gemisch aus Enzymen mit dem Hauptbestandteil Chymosin, lässt die Milch dadurch gerinnen, dass es mit einer Untereinheit des Caseins, dem k-Casein, interagiert, worauf dieses seine Löslichkeit verliert. Heute wird Chymosin von gentechnisch veränderter Hefe produziert. Die Enzyme haben ihr Wirkungsoptimum bei einer Temperatur von etwa 35 °C, die der Käsemeister früher durch Eintauchen seines Arms in die Milch zu prüfen pflegte. Zur Gerinnung können anstelle von Lab auch Pflanzenteile wie das Labkraut (Galium) und bestimmte Distelblätter oder Milchsäurebakterien verwendet werden – im letzteren Fall entsteht Sauermilchkäse.
Bei der Gerinnung bildet sich der Käsebruch, der von der Molke getrennt und dickgelegt wird. Danach beginnt der Käse mit Hilfe von Schimmelpilzen und Bakterien zu reifen. Die Zugabe von Salz dient dem Wasserentzug und der Verfestigung. Schmelzsalze, die aus Phosphaten, Citraten und Lactaten komponiert werden, stoppen den Reifeprozess, verlängern dadurch aber auch die Haltbarkeit des Käses.
Seinen spezifischen Charakter bekommt der Käse hauptsächlich durch das Wirken von Mikroorganismen. Beim Roquefort, der aus Schafsmilch hergestellt wird, ist es z. B. der Pinselschimmelpilz Penicillium roquefortii, der früher in Brot gezüchtet wurde. Er sorgt u.a. für eine Beta-Oxidation freier Fettsäuren, wodurch sich die sehr geruchsintensiven Methylketone bilden.
Viele Käsesorten wie z. B. der Camembert reifen von außen nach innen. Will man jedoch die Mikroorganismen im Innern des Käses aktivieren, muss man ihnen Luft zuführen, indem man den noch weichen Käse perforiert; wo die Nadeln zugestochen haben, entstehen dann bei Blauschimmelkulturen die blauen Adern. Im Falle des Morbier werden zwei Käseschichten von einer Ascheschicht getrennt, die gut belüftet ist und dadurch den typischen blauen Streifen verursacht.
Zurück zur Ausgangsfrage: Für die Löcher im Käse ist das Kohlendioxid verantwortlich, das entsteht, wenn Propionsäurebakterien die Milchsäure zu Propionsäure und Essigsäure abbauen.
In modernen Betrieben wird die Käseproduktion von Computern gesteuert, die z. B. Temperatur und pH-Wert regeln. Es findet eine kontinuierliche In-Prozess-Kontrolle statt, die für ein Endprodukt von gleichbleibender Qualität sorgt.
Im Wein liegt Wahrheit?
... fragte Prof. Dr. Manfred Wießler vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und gab eine Lektion über die Qualitätskriterien des Weins. Subjektiv entscheiden Geschmack und Bekömmlichkeit, die individuell durchaus variieren, über die Qualität, doch gibt es für diese Kriterien schon großenteils objektiv messbare Äquivalente. Dies eröffnet Möglichkeiten, die Qualität des Weins durch Manipulationen gezielt zu beeinflussen. Wie bei der Käseherstellung ersetzt die moderne Biotechnologie auch bei der Weinproduktion zunehmend traditionelle Methoden, wobei die Grenzen des Erlaubten in verschiedenen Weltregionen stark differieren und die Auswirkungen auf die Qualität des Weins unter Fachleuten umstritten sind.
Wein enthält schätzungsweise tausend Inhaltsstoffe, von denen derzeit etwas mehr als 600 bekannt sind. Außer Wasser, Ethanol, Zucker, organischen Säuren und den unter gesundheitspräventivem Aspekt vieldiskutierten Polyphenolen sind hier die Aromastoffe von großer Bedeutung. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Monoterpene und ihre Derivate. Besonders gut untersucht sind Weine der weißen Rebsorte Sauvignon blanc und ihres roten Pendants Cabernet Sauvignon. Typisch für diese Sorten sind Pyrazine, die ihnen eine pfeffrige Note geben.
Süße und Säure werden von der Zunge wahrgenommen, fast alle anderen Substanzen vom Riechepithel der Nase. Das bedingt sehr unterschiedliche Wahrnehmungsschwellen: Zucker schmeckt man erst ab einer Konzentration von 2 g pro Liter, die meisten Aromastoffe dagegen im Mikrogrammbereich oder sogar darunter: Trichloranisol beispielsweise, das den unangenehmen Korkgeschmack verursacht, ist schon ab einer Konzentration von 10 ng pro Liter wahrnehmbar.
Während der Lagerung oxidieren viele geruchsintensive Substanzen – vorausgesetzt, die Weinflasche ist nicht mit einem Schraubdeckel, sondern mit einem Korken verschlossen – zu Verbindungen, die weniger gut wahrnehmbar sind. Deshalb sollten Weine jung getrunken werden, es sei denn sie sind gerbstoffreich (hier kann die Oxidation erwünscht sein).
Durch den Ausbau in Barrique-Fässern gehen etwa hundert Substanzen in den Wein über. Da ein solches Fass etwa 600 Euro kostet, hat man preiswertere Alternativen gesucht und gefunden: Man kann für den Ausbau den sonst üblichen Stahltank verwenden und in ihn Eichenholzbretter oder einfach nur Eichenholzspäne für eine gewisse Zeit hineinhängen. Diese Methoden werden in Übersee praktiziert, sind bei uns jedoch (noch) verboten. Eine auch hierzulande erlaubte Manipulation der Weinbereitung ist dagegen die Zugabe von gentechnisch veränderten Hefen, die jeweils ganz bestimmte Duftnoten hervorbringen, auch solche, die man von einem genuinen Wein nicht erwarten würde.
Wießler wagte einen Blick in die Zukunft: Die gesetzlichen Beschränkungen bei der Weinproduktion werden wahrscheinlich gelockert, im Gegenzug sei aber zu fordern, dass bestimmte Manipulationen auf dem Etikett deklariert werden müssen.
Einsatz für den beruflichen Nachwuchs
Das Leben von Professor Becker hat sich hauptsächlich in der Pfalz und ihren Randgebieten abgespielt. 1940 in Neustadt an der Weinstraße geboren, machte er sein Abitur in Zweibrücken, studierte Pharmazie in Mainz und Paris, wurde als Apotheker approbiert, setzte seine wissenschaftliche Laufbahn als Doktorand an der TH Karlsruhe fort, habilitierte sich dort 1973 und wurde im selben Jahr Leiter des neu gegründeten Instituts für Pharmazeutische Biologie an der Universität Heidelberg. 1987 wechselte er als Nachfolger von Prof. Dr. Egon Stahl an den Lehrstuhl für Pharmakognosie und Analytische Phytochemie an der Universität des Saarlandes.
Becker war bei Studierenden und Kollegen gleichermaßen beliebt. Sein pädagogischer Anspruch ging weit darüber hinaus, nur seine Pflichtveranstaltungen abzuleisten. Besonders großen Anklang fanden seine pharmazeutisch-botanischen Exkursionen. Er hat seine Studierenden auch vielfach dazu motiviert, ihren Bildungshorizont über ihr Studienfach hinaus auszuweiten, und hat ihnen persönliche Ratschläge zur Lebensführung gegeben. So hat er sie stets ermahnt, regelmäßig Sport zu treiben und nicht zu rauchen, denn ein Heilberufler sollte in Sachen Gesundheit mit gutem Beispiel vorangehen. Die Saarbrücker Studierenden dankten ihm sein Engagement mit einem Fackelzug am 10. Februar – eine Ehre, die nur wenigen Professoren zuteil wird.
Becker hat schätzungsweise 2000 pharmazeutische Staatsexamina abgenommen, aber sich auch für seine praktisch tätigen Apothekerkollegen eingesetzt, z. B. durch Fortbildungsveranstaltungen der Apothekerkammern und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Auch in der akademischen Selbstverwaltung hat er sich engagiert. Sein ausgleichendes, kooperatives, bescheidenes Wesen wurde von seinen Kollegen hoch geschätzt: Sie haben ihn stets mit der höchsten Stimmenzahl aller Kandidaten in den Senat gewählt.
Liebe zu Moosen
und Pflanzen
Zur Zeit von Beckers Berufung nach Saarbrücken erlebte die Naturstoffchemie einen strukturellen Wandel. Bis dahin war es üblich gewesen, dass ein Ordinarius wie ein "monolithischer Block" sämtliche Bereiche seines Faches abdeckte und neben sich keine gleichwertige fachliche Kompetenz anerkannte. Nun bürgerte es sich ein, dass einzelne Wissenschaftler sich auf ihre Spezialgebiete konzentrieren und miteinander im Team zusammenarbeiten.
Als Pionier dieses Strukturwandels gründete Becker 1987 mit den Professoren Eicher (Organische Chemie), Zinsmeister und Mues (beide: Botanik) den interdisziplinären Arbeitskreis "Chemie und Biologie der Moose", der überaus erfolgreich war. So wurde in Lebermoosen eine immense Anzahl von Inhaltsstoffen mit teils interessanten pharmakologischen Eigenschaften entdeckt und in ihrer Struktur aufgeklärt.
Arzneipflanzen, mit den sich Becker intensiv befasst hat, sind u. a. die Mistel – die er auch als Motiv in der Kunst des Jugendstils erforscht hat – und der Hopfen, in dem er in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum die krebspräventive Substanz Xanthohumol entdeckte – diese Forschung wurde 2003 mit dem Phoenix-Pharmazie-Wissenschaftspreis ausgezeichnet.
Becker hat sechs Bücher und über 250 Aufsätze publiziert, 56 Doktoranden zur Promotion geführt und Gastwissenschaftler aus 16 Ländern in seinen Instituten betreut. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann und die Becker als endgültig ansieht. Er bekannte, dass er nun tatsächlich in den Ruhestand geht.
"Ich war immer gern Apotheker und habe gern Apotheker ausgebildet."
Professor Hans Becker
"Manche können ein einziges Ei so aufschlagen, dass daraus ein ganzer Eimer Schaum entsteht; andere brauchen dazu nicht einmal ein Ei."
Professor Hans Becker
"Jugendstil und Mistel halten jung."
Professor Eicher über die Hobbys von Professor Becker
Genuss in Maßen
Der griechische Dichter Eubulos (4. Jh. v. Chr.) schrieb in einer seiner Komödien: "Drei Schalen Wein empfehle ich dem verständigen Mann; die erste für die Gesundheit, die zweite für die Liebe und den Genuss, die dritte für den Schlaf; wenn sie diese ausgetrunken haben, gehen kluge Gäste nach Hause. Die vierte Schale ist nicht mehr mein, denn sie führt zu Übermut, die fünfte zu Geschrei, die sechste zu Tumult, die siebente zum blauen Auge (u.s.w.)."
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