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Vogelgrippe - Krisenmanagement in der Kritik (Außenansicht)
Nun ist sie also doch (noch) nicht über uns gekommen, die Vogelgrippe, obwohl wir monatelang informiert, gewarnt und beschwichtigt wurden. Während die einen warnten und verkündeten, dass das Pandemierisiko so hoch sei wie seit Jahrzehnten nicht mehr, beruhigten andere mit dem Hinweis, Vogelgrippe sei nur eine Tierseuche, mit der wir Menschen leben müssten wie mit anderen Tierseuchen oder alltäglichen Gefahren auch.
Viel Aktionismus
Wie immer die Situation auch eingeschätzt wurde, getan wurde für uns viel. Bund und Länder haben die Arzneivorräte gegen Vogelgrippe beim Menschen massiv aufgestockt. Die vom Himmel gefallenen Vögel wurden gemeldet, von Soldaten in ABC-Schutzanzügen entfernt und von Spezialisten untersucht. Von Rügen bis zum Bodensee wurde jeder tot gefundene Vogel gewissenhaft untersucht, und um den Fundort herum richtete man Sperrbezirke ein, worüber uns die Medien täglich verantwortungsvoll informierten. Und auch Ulla Schmidt und Horst Seehofer haben ihr Verantwortungsbewusstsein beständig gezeigt und uns über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden gehalten. Da wollte auch der einfache Bürger nicht tatenlos zusehen: Wer konnte, hat sich mit Tamiflu versorgt und gegen Grippe impfen lassen, viele zum ersten Mal, so dass im vergangenen Herbst sogar Engpässe mit Impfstoffen eingetreten sind (und im Winter erstmals die jährliche Influenza-Welle ausblieb, wenigstens das!).
So meint ein Großteil der Bevölkerung denn auch, dass das Krisenmanagement des Staates eigentlich ganz gut funktioniert hat, aber viele andere meinen dies nicht. Nutzgeflügel wurde in die Ställe verbannt (und muss auch weiterhin dort verbleiben), Zehntausende von Tieren wurden notgeschlachtet, der Verzehr von Geflügel ging (vorübergehend) zurück. Viele Betriebe der Geflügelwirtschaft erlitten großen (teilweise existenzbedrohenden) wirtschaftlichen Schaden, der Öko-Landbauverband Bioland befürchtet bei anhaltender Stallpflicht weitere erhebliche Verluste.
War das wirklich nötig?
In dieser Situation erinnern viele sich wieder an die schon in Vergessenheit geratene BSE-Krise, bei der es auch nicht so schlimm gekommen ist, wie der Staat und seine Experten befürchtet hatten. Und so fragen sich viele, ob all die Aktionen überhaupt nötig waren oder uns alle nur Geld gekostet haben.
Die Frage ist gleichermaßen berechtigt wie schwer zu beantworten. Vernünftiges Risikomanagement ist eine immens schwierige Sache. Das liegt vor allem daran, dass die Kontrollorgane des Staates ständig von außen – den unterschiedlichen Interessens- und Parteienvertretern, den Medien und Verbraucherverbänden – unter Druck gesetzt werden, dadurch sofort in Handlungszwang geraten und ihre Entscheidungen stärker auf kommenden Möglichkeiten als auf gegenwärtig erkennbaren Wahrscheinlichkeiten aufbauen. Durch überhastete Aktionen versuchen sie, mit der sich ständig ändernden Situation Schritt zu halten, so dass ihre Reaktionen eher zufälligen als systematischen Charakter haben. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir rückblickend feststellen müssen, dass so manche Entscheidung überflüssig oder sogar falsch war.
Die Angst vor der Schuld
Die Situation wird für die Verantwortlichen noch dadurch erschwert, dass sie wissen, dass jemand am Schluss für die falsche Entscheidung zur Rechenschaft gezogen wird, dass also die Schuld an der Sache mit persönlichen Konsequenzen verbunden ist.
Deswegen gehen sie bei der Beurteilung der Lage auch immer von der schlechtesten Alternative aus und treffen ohne Kosten und Mühen zu scheuen die weitreichendsten Entscheidungen. Solche Aktionen schützen dann meist weniger die Gefährdeten als diejenigen, die für die Gefährdeten Verantwortung tragen, und niemand wird zur Rechenschaft gezogen, wenn das, wovor er warnt, gar nicht eintrifft.
Notwendig: Eine flexible Konfliktökonomie
Nach allen Erfahrungen, die mit staatlichem Krisenmanagement bisher gemacht wurden, weiß man, dass die vorgenommenen Aktionen oft nur der Verminderung eines Scheinrisikos, nicht unbedingt der Beseitigung einer wirklichen Gefahr dienen, dass sie also wenig dazu beitragen, das Leben der Bürger sicherer, aber viel dazu, es teurer zu machen.
Was wir also in Zukunft benötigen, ist eine flexible Konfliktökonomie. Denn wenn wir unser Verhalten ständig nur auf Möglichkeiten aufbauen und nicht auf Wahrscheinlichkeiten, dann werden wir uns ständig mit viel Geld gegen mögliche Risiken zu schützen versuchen, und werden mittellos und unvorbereitet sein, wenn die wahrscheinlichen eintreten.
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