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- DAZ 37/2006
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Die Seite 3
Die deutsche Gesundheitspolitik ist gerade dabei, sehenden Auges ein Gesundheitswesen zu zerstören, das anerkanntermaßen zu einem der besten der Welt gehört. Viele Länder beneideten uns bisher darum: hochwertige ärztliche Leistungen und eine sichere und preiswerte Arzneimittelversorgung mit modernen Präparaten für alle. Sicher, es mag billigere Systeme geben, aber im Vergleich zu unserem bieten sie auf keinen Fall den gleichen Standard.
Jetzt hat sich eine rot-schwarze Koalition (wäre sie doch nie gekommen!) in den Kopf gesetzt, das System zu reformieren, zukunftsfest zu machen und vor allem bezahlbar zu halten. Was bisher davon als Entwurf auf dem Tisch liegt, lässt sich nur noch als ideologischer, von Parteiinteressen und von Machtgerangel bestimmter Murks bezeichnen. Das Verschieben des geplanten In-Kraft-Tretens wird an den Inhalten und an der Richtung kaum noch etwas ändern, im Gegenteil: Möglicherweise finden sich nach weiteren Beratungen noch verheerendere Vorschläge für unser bestehendes System als bisher.
Neuste Forderung, eingebracht von den Grünen: das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken muss fallen. Nach Ansicht dieser Partei ist die kleinteilige Struktur des Apothekenmarkts zu teuer, es finde kein effizienz- und effektivitätssteigernder Wettbewerb zwischen den Apotheken statt. So sei beispielsweise die Ausstattung und der Betrieb von Einzelapotheken deutlich teurer als dies bei größeren Einheiten der Fall wäre. Durch Fremd- und Mehrbesitz werde die Arzneimittelversorgung nicht gefährdet, und der Verbraucherschutz werde dadurch gewährleistet, dass jede Apotheke von einem Apotheker geführt werden müsse.
Solche Anträge könnten dem saarländischen CDU-Minister Hecken, der rechtswidrig die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken zugelassen hat, derzeit gut in den Kram passen. Er gehört zur achtköpfigen Arbeitsgruppe, die den Auftrag hat, den vorliegenden Reformentwurf zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Seine Intention und Richtung dürfte sich in der Frage des Fremd- und Mehrbesitzverbots voll und ganz mit der Position der Grünen decken. Auch der Gesundheitssachverständigenrat und die Monopolkommission haben bereits vor geraumer Zeit die Zulassung von Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken gefordert. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Beiträgen und Kommentaren in den öffentlichen Medien, die – aus welchen Motiven heraus auch immer – Ketten und Fremdbesitz herbeischreiben wollen.
Lässt man die zahlreichen öffentlichen Reaktionen der letzten Wochen und Monate zu diesem Thema Revue passieren, kommt man sich als Befürworter des bestehenden Systems von Tag zu Tag isolierter vor: Es scheint einen Mainstream, eine Bewegung in unserer Gesellschaft zu geben, wonach eine Deregulierung im Apothekenbereich notwendig und überfällig sei. Mit mehr Wettbewerb, mit der Möglichkeit zum Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken, mit Preiskämpfen bei Arzneimitteln wird alles billiger und sogar besser und lassen sich dicke Einsparungen für die GKV erreichen – so weit die landläufigen Meinungen. Nur, überzeugende Zahlen und Modellrechnungen dazu habe ich bis heute nicht gesehen.
Kann man solche Strömungen in unserer Gesellschaft aufhalten? Können wir uns gegen den Strom stellen oder wird er uns mitreißen? Sollten wir vielleicht – bevor wir mitgerissen werden und darin untergehen – vorsichtig darüber nachdenken, wie wir den Strom für uns nutzen und ihn kanalisieren? In die richtige Richtung! Zweigleisig fahren – das könnte in der jetzigen Situation die Strategie sein:
- Wir sollten versuchen, für den Erhalt unseres Systems zu kämpfen, weil wir überzeugt davon sind, dass es die bessere Variante ist. Und vielleicht können wir für unsere Überzeugung doch noch einige gewinnen. In Zeiten von Gammelfleisch und Fleischskandal besinnt sich dann doch der eine oder andere darauf, dass er bei seinem kleinen Fleischer um die Ecke mit Meisterbrief, bei seinem Metzger des Vertrauens am besten aufgehoben ist. Dort weiß er, was er bekommt, dort wird er beraten – im Gegensatz zum Fleischerhandel für Supermärkte und Großküchen. Parallelen zum Kleinbetrieb Apotheke liegen nahe.
- Wenn aber schon der Zeitgeist gegen uns ist und die Oberhand gewinnen sollte, dann sollten wir den Plan B in der Schublade haben und uns überlegen, wie wir uns in späteren Zeiten von Fremd- und Mehrbesitz aufstellen wollen. Wie wir ein neues System so konfigurieren, dass der Apotheker eine unverzichtbare Rolle spielt. Weltfremd sind wir nicht. Wäre das nicht das Thema für den Apothekertag?
Peter Ditzel
Gegen den Strom?
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