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GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz: Der Verhandlungsmarathon hat begonnen
Im ersten Anhörungsblock gab es noch Zustimmung für einzelne Pläne der großen Koalition. So begrüßten die meisten Verbände und Organisationen die geplante Ausweitung des GKV-Leistungskataloges. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass geriatrische Rehabilitationsleistungen, empfohlene Schutzimpfungen und Mutter/Vater-Kind-Kuren zu Pflichtleistungen der gesetzlichen Kassen werden. Zudem soll ein Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung eingeführt werden. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK), Doris Pfeiffer, erklärte allerdings, dass durch die Ausweitung der Regelleistungen mit Kostensteigerungen in Höhe von rund 1,2 Mrd. Euro zu rechnen sei. Auf Unterstützung traf zudem der Plan der großen Koalition, die Möglichkeit von Wahltarifen in der GKV auszuweiten. Christoph Straub vom Vorstand der Techniker Krankenkasse, verwies auf erste Erfahrungen der TK mit Selbstbehalttarifen, an denen sich 22.000 Versicherte beteiligt hätten. Der Tarif rechne sich, so Straub. Außerdem sei "keine Gefahr der Entsolidarisierung" zu erkennen.
Pflicht zur Vorsorgein der Kritik Kontrovers beurteilten die Sachverständigen hingegen die geplanten Leistungskürzungen bei Gesundheitsstörungen, die durch Piercings, Tätowierungen und medizinisch nicht notwendige Schönheitsoperationen hervorgerufen werden. Während die Spitzenverbände der Krankenkassen dies im Grundsatz begrüßten, warnte der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte davor, dass damit die Tür für weitere Leistungsausschlüsse geöffnet werde – etwa bei Gesundheitsstörungen in Folge bestimmter Sportarten. Kritik gab es auch an dem Vorhaben, das Versäumen von Vorsorgeuntersuchungen später mit höheren Zuzahlungen finanziell zu bestrafen. Der Deutsche Hausärzteverband stimmte zwar zu, dass die Vorsorge gestärkt werden müsse – dies sollte aber besser über Anreize für die Versicherten erreicht werden.
Organisationsreform stößt auf Widerstand Auf schroffe Ablehnung stießen die im Gesetzentwurf vorgesehenen organisatorischen Veränderungen bei der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen. In der Kritik stand insbesondere das Vorhaben, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum 1. Januar 2008 unter eine Rechtsverordnungsermächtigung des Bundesgesundheitsministeriums zu stellen. Auch die Einsetzung von neun hauptamtlichen Mitgliedern wurde bemängelt. Der Vorsitzende des G-BA, Rainer Hess, warnte vor der Zerstörung des Systems der Selbstverwaltung. Im G-BA, dem zentralen Gremium der Selbstverwaltung, werde bislang ein Interessenausgleich der unterschiedlichen Akteure von Ärzten bis Kassen herbeigeführt. Der nun geplante "Interessenausgleich per Rechtsverordnung" könne nicht funktionieren. Pfeiffer monierte, die Umstrukturierung des G-BA sei "ein weiterer Baustein zur Verstaatlichung und Vereinheitlichung" des Gesundheitssystems in Deutschland. Das gleiche gelte für den geplanten Zusammenschluss der bislang sieben Spitzenverbände der Krankenkassen zu einem neuen Spitzenverband Bund.
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, ergänzte, dass mit dem Spitzenverband Bund – der künftig 70 Prozent der Kassenleistungen bestimme – das Ziel der Reform, für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem zu sorgen, konterkariert werde.
Kassenfusionen können hilfreich sein Kaum Einwände hatten die Vertreter der Spitzenverbände gegen die geplante Erleichterung von Kassenfusionen. Nach dem Entwurf sollen Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkassen sowie die See-Krankenkasse ab Inkrafttreten der Reform auch über die Kassenartengrenzen hinweg fusionieren dürfen. Der Prognose der Regierung, dass größere Kassen auf Dauer wettbewerbs- und leistungsfähiger sind, hielten die Spitzenverbände zwar entgegen, "dass größere Versicherungsträger keinesfalls automatisch niedrigere Verwaltungskosten pro Kopf haben als kleinere Krankenkassen". Der Vorstandschef des BKK Bundesverbandes, Wolfgang Schmeinck, hob aber hervor, dass die Möglichkeit zu kassenartenübergreifenden Fusionen durchaus "ein gutes Mittel" sein könne, "um Kassen aus einer Verschuldungssituation zu bringen".
FDP: Apotheker und Kliniken zahlen für Leistungsausweitung Die Opposition sah sich bereits nach dem ersten Anhörungstag in ihrer Kritik am Reformentwurf bestätigt. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr, räumte zwar ein, dass etwa der Anspruch auf Palliativversorgung auch von seiner Fraktion unterstützt werde. Er verwies aber darauf, dass die Mehrkosten für die Leistungsausweitungen letztlich von Apothekern und Krankenhäusern geschultert werden müssten. Die pauschalen Kürzungen von jeweils 500 Mio. Euro sollen "die schwarz-roten Versprechen decken", so Bahr. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, erklärte, dass schon nach dem ersten Anhörungstag klar sei, "dass nur durch deutliche Änderungen am Gesetzespaket Verfassungskonformität hergestellt werden kann". Andernfalls drohe die Transformation der GKV zu einem System des privaten Versicherungswesens. Die Einführung des Schuldprinzips und die Möglichkeit, den Leistungsumfang selbst zu begrenzen, stünden im Widerspruch zum sozialen Auftrag, eine umfassende Versorgung für alle Versicherten im Krankheitsfall zu gewährleisten, sagte Spieth.
Die Anhörungen wurden am Mittwoch, dem 8. November (nach DAZ-Redaktionsschluss), fortgesetzt. Auf der Tagesordnung standen die Neuregelungen zur privaten Krankenversicherung. Insgesamt sind 26 Stunden für das Experten-Hearing eingeplant. Die beabsichtigten Änderungen im Bereich der Arzneimittelversorgung werden am kommenden Montag, dem 13. November im Gesundheitsausschuss erörtert.
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