Arzneimittel und Therapie

Alzheimer-Demenz: Ziel: Die Progression verzögern

Die Behandlung der Demenz verursacht hohe Kosten - Tendenz enorm steigend. Den Löwenanteil machen dabei die Aufwendungen für die Pflege aus. Im Vergleich dazu fallen die Ausgaben für Antidementiva gering aus. Durch deren stadiengerechten Einsatz ergeben sich zudem im Pflegesektor Einsparungen. Die Acetylcholinesterasehemmer sind Mittel der ersten Wahl bei der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Für mittelschwere bis schwere Formen steht seit 2002 als erstes und einziges Antidementivum Memantin zur Verfügung.

Die Prognosen sind alarmierend: Was heute im gesamten Gesundheitshaushalt an Kosten aufgewendet werden muss, wird möglicherweise im Jahr 2030 noch nicht einmal für die Versorgung von Demenz-Patienten ausreichen. Deren Zahl wird nach Expertenmeinung nämlich dramatisch anwachsen. Schon heute lebt in Deutschland fast eine Million Menschen mit Demenz, vorwiegend vom Alzheimer-Typ.

Schleichender Prozess

Schon Jahre oder Jahrzehnte vor der Manifestation der Erkrankung entwickeln sich die für die Alzheimer-Demenz typischen neurodegenerativen Prozesse: Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Nervenzellen kommt es zu pathologischen Eiweißablagerungen. So bilden sich zwischen den Neuronen die so genannten Amyloid-Plaques. Sie sind das Produkt einer fehlerhaften Spaltung des Amyloid-Precursor-Proteins in der Nervenzellmembran. Im Zellinneren lagern sich die so genannten Neurofibrillenbündel ab. Sie bestehen aus dem mit Phosphat beladenen Tau-Protein.

Neurotransmitter-Dysbalance

Infolge der pathologischen Ablagerungen kommt es zum Nervenzelluntergang mit Änderungen im Neurotransmitterhaushalt. Eine Schlüsselrolle kommt dem Mangel an Acetylcholin zu. Die Acetylcholinesterasehemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) erhöhen die Acetylcholinkonzentration, indem sie das abbauende Enzym Acetylcholinesterase hemmen. Auch der exzitatorische Neurotransmitter Glutamat ist bei der Alzheimer-Demenz von großer Bedeutung. Durch pathologische Konzentrationserhöhung im synaptischen Spalt wird der NMDA(N-methyl-D-Aspartat)-Rezeptor dauerhaft aktiviert, was die normale Signaltransmission unterbindet. Der nicht-kompetitive NMDA-Rezeptorantagonist Memantin (Axura®, Ebixa®) verhindert die pathologische Wirkung von Glutamat. Daneben spielen auch Dysbalancen im noradrenergen, serotonergen und dopaminergen System pathogenetisch eine Rolle.

Erhalt der Alltagskompetenz

Das vorrangige Ziel einer Demenztherapie besteht darin, möglichst lange die noch vorhandenen Fähigkeiten der Betroffenen zu erhalten. Während der therapeutische Nutzen für die Behandlung leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Formen - das Indikationsgebiet der Acetylcholinesterasehemmer - durch zahlreiche Studien belegt ist, war das Gebiet der mittelgradigen bis schweren Demenzstadien lange unzureichend untersucht. In letzter Zeit wurden jedoch auch hierzu aussagekräftige Daten erhoben. Memantin, das als erste und bislang einzige Substanz zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer Formen der Alzheimer-Demenz zugelassen wurde, erwies sich in doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studien Placebo signifikant überlegen. So kam es zwar auch z.B. unter einer 28-wöchigen Memantin-Behandlung in einer Dosierung von 20 mg/Tag bezüglich Kognition und Alltagsfunktionen nach einer anfänglichen Stabilisierung bzw. Verbesserung mit der Zeit zur Symptomverschlechterung, jedoch fiel diese signifikant geringer aus als im Placeboarm der Studie (Reisberg et al. 2003).

Neben dem Gewinn an Lebensqualität ergeben sich aus der Behandlung auch in pharmakoökonomischer Hinsicht Vorteile. So reduziert sich der Zeitaufwand für die Betreuung der Patienten (um 52 Stunden pro Monat), und der Zeitpunkt der Heimeinweisung lässt sich hinauszögern.

Therapieausblick

Da bei der Pathogenese der Alzheimer-Demenz mehrere Neurotransmittersysteme beteiligt sind, erscheint eine Kombinationsbehandlung sinnvoll - vor allem im Übergangsbereich einer leichten-mittelschweren zu einer mittelschweren-schweren Erkrankung. Tatsächlich ergaben sich in einer ersten 24-Wochen-Studie zum Add-on-Einsatz von Memantin bei mit Donepezil vorbehandelten Patienten (Tariot et al. 2004) Vorteile für die Wirkstoffkombination, so u.a. eine Verbesserung der Kognition über zwölf Wochen und eine Stabilisierung über 24 Wochen.

Neben der Evaluation von Kombinationstherapien nimmt die Alzheimer-Forschung auch mögliche andere Therapieansätze unter die Lupe. Dazu gehören unter anderem Anti-Amyloid-Strategien, z.B. durch Sekretasehemmung, Aggregationshemmung oder immunologische Maßnahmen, aber auch die Anti-Tau-Phosphorylierung oder neurotrophe Strategien.

Risikofaktor Alter Der bedeutendste Risikofaktor für die Demenz ist das Lebensalter. Während bei den 65- bis 69-Jährigen rund 1,2% betroffen sind, beträgt die Prävalenz bei den über 90-Jährigen mehr als 30%.

Wirkmechanismus Memantin Memantin ist ein nicht-kompetitiver N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptor-Antagonist. Dieser NMDA-Rezeptor ist ein rezeptorassoziierter Ionenkanal, der im Ruhezustand durch Magnesiumionen blockiert wird. Bei eingehenden Signalen wird vermehrt der exzitatorische Neurotransmitter Glutamat ausgeschüttet, der das Magnesium verdrängt und den Kanal für Calciumionen öffnet. Im pathologischen Zustand kommt es durch lang anhaltende Konzentrationserhöhung von Glutamat zur dauerhaften Aktivierung des NMDA-Rezeptors und damit zum lang andauernden Einstrom von Calcium ins postsynaptische Neuron. Dadurch entsteht ein erhöhtes "Grundrauschen". Neu eingehende Signale können dann nicht mehr wahrgenommen werden. Langfristig kommt es zum Nervenzelluntergang. Indem der Wirkstoff Memantin an den NMDA-Rezeptor bindet, blockiert er die pathologische Wirkung von Glutamat; das "Grundrauschen" wird verringert. Bei eingehenden Signalen gibt Memantin den Rezeptor kurzfristig frei, so dass Signale erkannt und weitergeleitet werden können.

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