Arzneimittel und Therapie

OTC-Schmerzmittel: Dreierkombi hat ihre Berechtigung

Kombinationspräparate zur Selbstmedikation von Kopfschmerzen standen bei Pharmakologen lange Zeit in kritischem Licht. Denn nach Auffassung von Kritikern lassen sich mit der Gabe eines Monopräparats gleich gute Ergebnisse erzielen.

Eine von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen, im vergangenen Jahr durchgeführte Studie brachte jedoch das Ergebnis, dass die Dreierkombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein der Gabe von Einzelsubstanzen bei der Behandlung von Kopfschmerzen überlegen ist: gleich gute Verträglichkeit bei schnellerem Wirkungseintritt.

Damit hat die Dreierkombination ihre Überlegenheit gegenüber Monopräparaten bewiesen. Wir sprachen mit Professor Diener über diese Studie und den Wert für den Patienten.

DAZ:

Herr Professor Diener, was gab den Anlass zu dieser Studie, die Dreierkombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein in einer Studie zu überprüfen?

Diener:

Den Anstoß zu dieser Studie habe ich selbst gegeben. Ich habe immer wieder bemängelt, dass es keine gute Studie gibt, die die Zweier- gegen die Dreier-Kombination und gegen eine ausreichende Dosis von Monosubstanzen testet. Das Einzige, was es hier gab, war die Dreierkombination gegen Placebo. Aber das ist nicht aussagekräftig genug, da ein Schmerzmittel in der Regel immer besser sein wird als Placebo.

DAZ:

Warum haben Sie nicht auch noch Ibuprofen in den Vergleich mit aufgenommen?

Diener:

Diese Studie hatte bereits sechs Arme. Nach unseren Berechnungen brauchten wir hierfür bereits 2000 Patienten. Ein weiterer Arm hätte die Hinzunahme weiterer 600 Patienten bedeutet. Das war einfach nicht möglich, das wäre zu groß geworden. Die vorliegende Studie ist bereits die größte Therapiestudie, die es jemals zum Thema Kopfschmerz gab.

DAZ:

Wie viele Patienten haben an der Studie letztlich teilgenommen?

Diener:

Begonnen haben wir die Studie mit 2000 Patienten. Randomisierte und auswertbare Werte haben wir von insgesamt 1743 Patienten - eine Zahl, die für eine sechsarmige Studie ausreichend groß ist.

DAZ:

Wie sind Sie bei der Patientenselektion vorgegangen? Waren es typische Selbstmedikationspatienten?

Diener:

Wir wollten genau diejenigen Patienten in der Studie haben, die Schmerzmittel für die Selbstmedikation kaufen. Die Studie haben wir mit niedergelassenen Ärzten durchgeführt. Wir haben sie gebeten, Patienten, die aus anderen Gründen bei ihnen sind, zu fragen, ob sie gelegentlich Kopfschmerzen haben und wenn ja, ob sie diese mit OTC-Schmerzmitteln behandeln. Wenn die Patienten beide Fragen mit ja beantworteten, konnten sie die Ärzte für diese Studie ansprechen. Solche Studien macht man nicht bei Kopfschmerzspezialisten und in Kopfschmerzzentren, weil das Klientel dort vollkommen anders ist. Also, für unsere Studie sollten es die typischen Selbstmedikationspatienten sein.

DAZ:

Wie viele Kopfschmerzereignisse haben Sie gemessen?

Diener:

Wir haben drei Kopfschmerzereignisse gemessen. Die Patienten haben zunächst ihr Präparat genommen, das sie üblicherweise nehmen. Bei den nächsten beiden Kopfschmerzereignissen haben sie dann eines der sechs Studienpräparate genommen. Ausgewertet wurde jeweils die erste Attacke, bei denen komplette Datensätze vorlagen. Studien dieser Größe haben immer das Problem, dass nicht bei jeder Attacke alles gut dokumentiert ist. Deshalb die Behandlung von zwei Attacken.

DAZ:

In Ihrer Studie hatten Sie Kopfschmerz- und Migräne-Patienten. Wie stark war die Beeinträchtigung dieser Patienten?

Diener:

Die Patienten waren erstaunlich stark von Kopfschmerzen betroffen. Wir hatten eigentlich gedacht, dass Anwender von OTC-Präparaten nicht so stark betroffen sind. Aber zu unserer großen Überraschung hatten etwa 50% der Patienten angegeben, dass sie schwere Kopfschmerzen haben und 10% sehr schwere Kopfschmerzen. Im OTC-Bereich ist a priori nicht immer ganz klar, ob ein Patient einen Spannungskopfschmerz hat oder an Migräne leidet. Die Patienten sind nicht eingeteilt nach einer Diagnose des Arztes, sondern nach den Symptomen, die sie bei der selbst behandelten Attacke beschrieben haben. Wenn der Kopfschmerztyp nicht deutlich zu erkennen war, hat einer meiner Ärzte den Patienten angerufen, um dies in einem Telefoninterview abzuklären.

DAZ:

Als primären Endpunkt hatten Sie die Zeit bis zu einer 50-prozentigen Schmerzreduktion gewählt. Warum gerade dieser Endpunkt?

Diener:

Das ist der Endpunkt, der üblicherweise bei Schmerzstudien herangezogen wird. Es gibt zwar eine Skala von 0 bis 3, die für die Schmerzstärke bei Migräne herangezogen wird. Diese Skala wurde aber nie für den Spannungskopfschmerz validiert. Da wir vorher nicht wussten, wie viele Patienten Migräne haben und wie viele Spannungskopfschmerzen, mussten wir einen Endpunkt nehmen, der für beide Kopfschmerzarten validiert ist - und das ist die 50-prozentige Schmerzreduktion.

DAZ:

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Dreierkombination etwa eine Viertelstunde schneller die Schmerzen halbiert, die Patienten eine halbe Stunde schneller schmerzfrei sind. Ist das aus Ihrer Erfahrung relevant für den Patienten?

Diener:

Das muss letztlich jeder Patient entscheiden, ob das für ihn von Bedeutung ist. Fragt man Patienten, was sie sich von einem guten Kopfschmerzmittel wünschen, kommen immer zwei Antworten: erstens soll es wirken und zweitens soll es schnell wirken. Andere Parameter wie Verträglichkeit, Preis usw. werden immer nachrangig genannt.

DAZ:

Lässt sich anhand der Studie auch etwas zur Verträglichkeit der geprüften Präparate sagen?

Diener:

Die Verträglichkeit aller Präparate war sehr gut. Streng genommen gibt es zwischen den einzelnen Studienmedikationen keine Unterschiede hinsichtlich der Verträglichkeit. Die Nebenwirkungsrate betrug insgesamt durchschnittlich nur etwa 5%.

DAZ:

Welche Erkenntnis kann der Apotheker für seine Beratung dieser Studie entnehmen?

Diener:

Wenn ein Patient seine Kopfschmerzen mit einem Schmerzmittel behandeln will, und sein Mittel nicht ausreichend wirksam ist, d. h., er bekommt zwar eine Besserung der Kopfschmerzen, aber nicht ausreichend schnell genug, dann gibt es zwei Optionen: er kann es mit der Dreier-Kombination versuchen oder er sollte zum Hausarzt, um sich ein Triptan verordnen zu lassen. Letztlich ist das auch eine Frage des Preises. Nicht zu vergessen, dass die Gabe eines Triptans einen größeren Aufwand an Abklärung möglicher Kontraindikationen erfordert.

DAZ:

In den neunziger Jahren waren Fachgesellschaften und auch Sie der Meinung, eine Dreierkombination vom Typ Thomapyrin® sei obsolet. Hat die Studie ein Umdenken bewirkt?

Diener:

Früher gab es eben diese Daten nicht. Wir haben gesagt: Solange es nicht bewiesen ist, dass die Dreierkombination besser ist als die Zweierkombination oder die Monotherapie, werden wir diese nicht empfehlen. Die Zulassungsbehörden sagen im Nicht-OTC-Bereich auch ganz eindeutig, wenn man eine Kombination einem Monopräparat vorzieht, muss bewiesen sein, dass sie besser ist als die Einzelsubstanz. Und genau das ist in diesem Fall der OTC-Schmerzmittel jetzt belegt. Die Stigmatisierung der Dreierkombination sollte damit vorbei sein. Wir sagen aber auch: Nicht geeignet sind diese Kombis für Patienten mit häufigen Kopfschmerzen und häufiger Einnahme, da daraus eher ein medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz resultiert als bei Monosubstanzen. Der typische OTC-Kunde, der zweimal im Monat Kopfschmerzen hat und ein OTC-Präparat nimmt, ist hier kein Problem. Dieser Patient kann bedenkenlos die Dreierkombination nehmen. Aber der Patient, der an vierzehn Tagen des Monats unter Kopfschmerzen leidet, ist kein Kandidat für OTC-Präparate. Diesen Patienten sollten Sie zum Neurologen schicken.

DAZ:

Herr Professor Diener, vielen Dank für das Gespräch. diz

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