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- AZ 26/2007
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DAX-Höhenflug – der letzte Akt
Die letzte Phase des Börsenaufschwungs hat begonnen. Der Kursanstieg flacht sich ab, die Rückschläge häufen sich. Die Rückeroberung der 8000er Marke war eine Pflichtveranstaltung. Bislang konnte man sich auf die Liquiditätsflut mangels anderer Anlagealternativen verlassen. Aber wie aus dem Nichts ist nun ein gefährlicher Gegner am Börsenparkett aufgetaucht. Die US-Ökonomie präsentiert sich stärker als gedacht. Die Anleihenhändler sehen die Notenbank bereits unter Zugzwang. Und wenn die Zinsen steigen, werden Anleihen verkauft, die Rendite steigt. Plötzlich erscheint es gar nicht mehr so unattraktiv, sein Geld in Festverzinsliche anzulegen. Immerhin 5,20% – und vor allem ohne Risiko und mit weiter steigender Tendenz.
Die Börse macht dementsprechend eine einfache Rechnung auf: Wenn die mittelfristigen Renditen weiter steigen, verteuert sich somit auch die Finanzierung. Besonders treffen dürfte dies die vielen Übernahmeschlachten, die weitgehend fremdfinanziert werden und bislang die treibende Kraft hinter dem Börsenaufschwung darstellten. Was also, wenn dieses Standbein für die Börse weg bricht?
Zunächst bleibt es dabei: Weiter aufwärts mit abnehmender Dynamik und härteren Kursrückschlägen. Die Optimisten verweisen – wenn sie an der Reihe sind – auf die Liquidität (kein Allheilmittel, wie man erst jüngst gesehen hat) und hoffen auf gute Quartalsberichte in der anstehenden Berichtssaison. Allerdings ist am Aktienmarkt bereits der Wurm drin. Die Renditen am Anleihenmarkt sind stark gestiegen und werden weiter aufwärtsgerichtet bleiben. Den Wettlauf mit den Aktien werden die Anleihen bald gewinnen, weil sich die Wachstumsdynamik der Unternehmen weiter abschwächen wird. Die Gelder werden also in den Rentenmarkt fließen, die Liquidität wird für gewisse Zeit einfach nur umgeleitet werden.
Bernankes Dilemma
Die Weltwirtschaft boomt, die Aktienmärkte erklimmen immer neue Höhen, die Rohstoffmärkte haussieren und die Kreditblase ist bis zum Bersten gefüllt. Für die Hüter der Geldwertstabilität ein ungutes Szenario. Aber mag der weltweite Handel überall sonst harmonisierte Vorschriften und zentralisiertes Behördenhandeln nach sich ziehen, in Sachen Notenbanken kocht jeder sein eigenes Süppchen.
Bisweilen wird der globale Geldmarkt mit einem aufblasbaren Spielzeug verglichen: Drückt man an dem einen Ende, weicht die Luft andernorts aus, denn nichts ist so beweglich wie Geld. Da nehmen Großanleger auf Japans fast 0%-Zinsmarkt Kapital auf und investieren es in hochverzinsliche neuseeländische oder amerikanische Staatsanleihen (Der japanische Zinssatz wird daher häufig als "Weltzins" bezeichnet, weil hier die global billigte Finanzierungsquelle für Investitionen und Aktienspekulationen liegt). Chinesische Firmen leihen sich zu einem Zinssatz von 7 bis 8% Geld und investieren es in ihre Wirtschaft, die mit ca. 14% wächst. Gleiches gilt für Unternehmen in Russland, Brasilien oder Indien. Chinas Notenbank sammelt die Devisen aus dem Handel mit den Amerikanern und investiert die Dollar wieder in hochverzinsliche US-Staatsanleihen. Mit einem bemerkenswerten Effekt: Durch die starke Nachfrage nach diesen festverzinslichen Wertpapieren ist der Kurs gestiegen bzw. die Rendite stark gesunken. So kommt es, dass die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen in den USA bis vor Kurzem nicht höher waren als vor drei Jahren. Und das, obwohl die US-Notenbank seitdem die Zinsen 17mal erhöht hatte. Ein Umstand, den der vormalige Notenbankchef Alan Greenspan als "Ungereimtheit" bezeichnet hatte. Und es war auch Greenspan, der vor wenigen Tagen auf einer Konferenz in Mexico City das baldige Ende der billigen langfristigen Zinsen prognostizierte.
Gegen das vagabundierende Kapital scheint der jetzige US-Notenbankchef Bernanke jedenfalls nichts unternehmen zu wollen. Während die EZB bereits deutlich warnt und die kanadische Zentralbank sogar schon eine Zinserhöhung angedeutet hat, sieht Bernanke seinen Handlungsspielraum reduziert auf den Kampf gegen die heimische Immobilienblase. Bernanke fällt es sichtbar schwer, sich vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Kluft zwischen niedrigen Zinssätzen und hohem weltwirtschaftlichen Wachstum zu einer dringend angeratenen Zinserhöhungen durchzuringen. Er blickt nur auf die US-Kerninflation – und die ist alles in allem in Ordnung, Währenddessen gehen an den Börsen die Übernahme-schlachten mit billigem Geld munter weiter. Hieran zeigt sich deutlich die Gefahr eines "credit crunch", denn das Platzen der Kreditblase könnte zu einem globalen Problem werden, worauf die Notenbanken keine Antwort parat haben, denn ihre Interessenslagen sind dafür zu unterschiedlich.
Die Spekulation mit der US-Staatsverschuldung
Die USA weisen eine Gesamtverschuldung (also Schulden im In- und Ausland des Bundeshaushalts inklusive aller Staaten, Gemeinden, privater Haushalte und Unternehmen) von rund 44.000 Mrd. Dollar (44.000.000.000.000 Dollar) aus. Das Wachstumstempo der Schulden steigt seit der Regierung Bush deutlich.
Was den Anteil angeht, den dabei die Öffentliche Hand an Schulden produziert, gibt die US-Regierung Staatsanleihen (sogenannte Treasuries) aus. Zu rund 50% liegen diese Wertpapiere bereits in der Hand ausländischer Anleger. Und davon wiederum entfallen inzwischen über 60% auf Investoren aus Asien, hauptsächlich aus China und Japan.
Es ist keine Überraschung, dass im Währungspaar Yen/Dollar mächtige Interessensgruppen den Greenback zu Lasten des Yen stützen. Es sind die japanischen Exporteure, um den Warenverkauf in die USA zu gewährleisten und die asiatischen Zentralbanken, die den Dollar pushen, damit bei der Einlösung ihrer US-Staatsanleihen die Währungsverluste nicht höher ausfallen als die Zinserträge.
Die Amerikaner allerdings sitzen zwischen den Stühlen. Sie beklagen einerseits das Handelsbilanzdefizit mit Asien, da insbesondere der künstlich niedrig gehaltene Yuan den chinesischen Massenexport begünstigt. Aber eine Aufwertung des Yuan (die chinesische Währung und der Yen laufen grundsätzlich in die gleiche Richtung) könnte nun auch dazu führen, dass die Asiaten wegen der Währungsverluste einen großen Bogen um die Treasuries machen könnten. Deshalb geben sich die Amerikaner im Währungsstreit bemerkenswert kleinlaut. Für sie scheint dabei das Handelsbilanzdefizit immer noch das kleinere Übel zu sein. Sie sind bereits von den Asiaten abhängig.
Doch die Vergangenheit zeigt, dass der (freie) Devisenhandel mit dem Yen nur begrenzt manipulierbar ist. An einem gewissen Punkt erscheint der Yen derart absurd unterbewertet, dass es immer wieder zu erratischen Kursausschlägen kommt, denen selbst asiatische Unternehmen und Zentralbanken nichts mehr entgegenzusetzen haben. Und dieser Punkt scheint bald wieder erreicht zu sein. Dann hängt der weltwirtschaftliche Haussegen schief. Denn zu leiden haben darunter dann nicht nur die asiatischen Exporte, sondern insbesondere auch die Kreditwürdigkeit Amerikas, wenn die Gläubiger ihr Geld lieber im Euroraum anlegen. Ein Vorfall, der sich wohl kaum regional begrenzen ließe.
Die Aussichten
Seit rund einem Jahr gab es beim DAX immer nur kleinere Korrekturen. 500 Punkte Verlust sind bei einem Punktestand von 8000 keine große Sache. Eine größere Konsolidierung steht an, wobei das Potenzial zunächst bis nahe an die 7000er Marke reicht. Vom DAX sind keine Heldentaten mehr zu erwarten. DAX vom 20. Juni: 8111..
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