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Arzneimittel und Therapie
Gerinnselauflösung mit Schlangengift
Beim Schlaganfall muss es schnell gehen
Die von einem Schlangengift abgeleitete Substanz Ancrod ist in der Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls wirkungslos, wenn sie erst sechs Stunden nach dem ersten Auftreten der Symptome verabreicht wird. Dieses enttäuschende Ergebnis zeigt deutlich, wie wichtig das Zeitfenster ist, wenn es um ein Gerinnsel geht. In einer vorhergehenden Studie war das Enzym Ancrod wirksam – wenn es innerhalb von drei Stunden gegeben wurde.
Bisher zugelassen zur Auflösung eines Gerinnsels bei ischämischem Schlaganfall ist die intravenöse Gabe von gentechnisch hergestelltem Plasminogen-Aktivator (Actilyse®). Die Behandlung muss aber binnen drei Stunden nach dem Auftreten der Symptome erfolgen. Vorher muss mit bildgebenden Verfahren ein hämorrhagischer Schlaganfall, also eine Hirnblutung, ausgeschlossen werden, denn in diesem Fall wäre eine blutverdünnende Therapie kontraindiziert. Das enge Zeitfenster von drei Stunden kann in der Praxis häufig nicht eingehalten werden. Deshalb wäre eine Therapieoption, die breiteren Spielraum bei der zeitlichen Umsetzung bietet, ein wertvoller Schritt.
Ancrod enthält ein aufgereinigtes Enzym aus dem Gift der malayischen Grubenotter. Dieses ähnelt dem Thrombin und beschleunigt die Auflösung eines Blutgerinnsels.
Eine vorangegangene nordamerikanische Studie (STAT) zeigte, dass Ancrod eine positive Wirkung hat, wenn es innerhalb eines Drei-Stunden-Fensters nach einem ischämischen Schlaganfall gegeben wird.
Nun wurde in einer europäischen Studie (ESTAT) die Wirkung von Ancrod, verabreicht innerhalb von sechs Stunden, mit Placebo verglichen. 1222 Schlaganfallpatienten wurden randomisiert und doppelblind entweder mit Ancrod (n = 604) oder mit Placebo (n = 618) behandelt. Nach drei Monaten wurden die funktionellen Fähigkeiten der Patienten verglichen.
Sechs Stunden sind zu lang
Die funktionellen Fähigkeiten der Patienten unterschieden sich nicht zwischen der aktiv behandelten Gruppe und der Kontrollgruppe. Die neurologische Wiederherstellung entwickelte sich zudem in der Ancrod-Gruppe schlechter. Blutungen traten hier häufiger als in der Placebo-Gruppe auf. Die Sterblichkeit nach drei Monaten lag in der Ancrod-Gruppe höher, nach zwölf Monaten war allerdings kein signifikanter Unterschied mehr feststellbar.
Grund für den negativen Studienausgang ist vermutlich, dass die meisten Patienten erst nach mehr als drei Stunden nach dem Schlaganfall mit Ancrod behandelt wurden. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich der Ergebnisse der Studie mit Drei-Stunden-Zeitfenster und der neuen Studie mit Sechs-Stunden-Zeitfenster.
Fazit: Auf der Basis dieser Ergebnisse sollte Ancrod zur Behandlung eines akuten ischämischen Schlaganfalls nach Ablauf von drei Stunden nicht empfohlen werden, denn durch eine Gerinnsel-auflösende Behandlung wird das Risiko intrakranieller Blutungen erhöht.
Trotz negativem Ergebnis eine wertvolle Studie
Obwohl man sich ein anderes Ergebnis der Studie erhofft hatte, liefert sie ein wichtiges Ergebnis: Sie bestätigt, dass die Zeit, die vom Auftreten der Symptome bis zur Behandlung vergeht, weiterhin der entscheidende Faktor in der Versorgung von Schlaganfallpatienten ist.
Vorbildlich ist neben dem gut vergleichbaren Design der beiden Studien (siehe Tabelle) auch, dass die Studie trotz negativem Ergebnis hochrangig publiziert wurde. Denn auch ein negatives Ergebnis liefert wichtige und wertvolle Informationen.
QuelleHennerici, G. M.; et al.: Intravenous ancrod for acute ischaemic stroke in the European Stroke Treatment with Ancrod Trial: a randomised controlled trial. Lancet 368, 1871-1878 (2006).Apothekerin Bettina Martini
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