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Feuilleton
Deutsches Hopfenmuseum Wolnzach
Das grüne Gold der Hallertau
Für das heurige Jahr wurde der Hopfen zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Bekannter noch ist die traditionsreiche Arzneipflanze als unerlässliches Ingredienz des Bieres. Einen interessanten Überblick über die reiche Kulturgeschichte des Hopfens vermittelt das Deutsche Hopfenmuseum, das im Juni 2005 im oberbayerischen Wolnzach in der Hallertau eröffnet wurde.
Die Lage des Museums mitten in der Hallertau oder Holledau ist kein Zufall: Dieser Landstrich ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt, seit über 200 Jahren dreht sich hier alles um das berühmte "grüne Gold". Rund 25 Prozent des gesamten Weltbedarfs an Hopfen wird heute hier angebaut. Charakteristische "Hopfengärten" prägen die Hügellandschaft südlich von Ingolstadt bis fast nach Regensburg. Vom Autobahndreieck Holledau ist es nur ein Katzensprung in das sehenswerte neue Museum.
Die rechtswindende Schlingpflanze Humulus lupulus gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Sie ist zweihäusig und ein echter Rekordhalter der gemäßigten Breiten: Bis zu 30 cm kann sie am Tag wachsen und erreicht innerhalb von zwei Monaten ihre endgültige Höhe von 7 bis 9 m. In den stangenbewehrten Hopfengärten mit abnehmbaren Drahtverspannungen als Rankhilfen werden nur die weiblichen Pflanzen angebaut. Erst nach Abschluss des Höhenwachstums etwa Anfang Juli bilden sich die Doldenblütenstände aus, die unbefruchtet im Herbst zu den charakteristischen Hopfenzapfen (Lupuli strobuli) reifen. Nach dem Abhängen der Ranken werden sie – früher manuell, heute maschinell – geerntet, getrocknet und in alle Welt verkauft. 99% des Holledauer Hopfens geht in die Bierherstellung.
Größte Hopfendolde der Welt
Ein Hopfengarten wurde zum architektonischen Vorbild für das Museum, eine begehbare Hopfendolde bildet das "Eingangstor" zu der über 1000 Quadratmeter großen Ausstellung. Ihre Anatomie samt Duftnote kann man hier im Großformat studieren: Jede Einzelblüte ist von einem schuppenförmigen Trag- und Hochblatt umschlossen, dies verleiht ihr das zapfenartige Aussehen. In den Achseln der "Schuppen" sitzen goldgelb glänzende Drüsenhaare (Hopfendrüsen, Lupuli glandulae). Sie sezernieren als den eigentlichen Wertanteil des Hopfens ein gelbes, charakteristisch duftendes Harz aus ätherischem Öl, Bitterstoffen und phenolischen Verbindungen.
"Hopfen und Malz, Gott erhalt´s"
Neben Wasser sind Hopfen und Malz seit 500 Jahren die wichtigsten, und in Deutschland einzigen erlaubten Zutaten zu einem guten Bier (die Gärhefen waren früher natürlichen Ursprungs und nicht der Erwähnung nötig). Hopfen ist nicht nur für den Geschmack verantwortlich – je mehr, desto bitterer –, er fördert auch die Haltbarkeit des Biers und stabilisiert den Schaum. Er besitzt zudem vielseitige gesundheitsfördernde Effekte (s. Kasten "Arzneipflanze Hopfen"); einiges davon ahnten unsere Altvorderen schon.
In 18 Ausstellungseinheiten des Museums wird Hopfengeschichte von der Frühzeit bis in die Moderne erzählt und demonstriert. Man nimmt an, dass wilder Hopfen, der insbesondere in Auenwäldern heimisch ist, schon etwa seit der Völkerwanderungszeit als Heilmittel bei schweren Geburten, zur Regelförderung, Wundbehandlung und zum Einschlafen gesammelt wurde. Von antiken Ärzten wird der Hopfen noch nicht genannt. In den Überresten der Wikingerstadt Haithabu (bei Schleswig) aus dem 8. und 9. Jahrhundert fand man große Mengen von Hopfensamen; vermutlich begann damals das Bierbrauen mit Hopfen. Ab dem 10. Jahrhundert waren vor allem die Klöster die Experten dieser Kunst, einige pflegen diese Tradition noch heute.
Vielfältig waren in der Frühzeit offensichtlich die Zutaten und Geschmacksrichtungen beim Bier: Wacholderbeeren, Efeubeeren, Anis, aber auch Rinden, Kirschkerne und anderes wenig Appetitliches wurden damals ins Bier gemischt. Dem wurde mit dem Reinheitsgebot des bayerischen Herzogs Wilhelm IV. 1516 ein Riegel vorgeschoben. 1906 wurde das Gesetz dann für ganz Deutschland gültig – und musste später in der EU hart verteidigt werden.
Pflanze mit Weltkarriere
Braustätten und kleine Hopfengärten waren in frühen Zeiten immer in unmittelbarer Nachbarschaft zu finden, wie Flur- und Ortsnamen bezeugen. Die begehrten Dolden sind nämlich leicht verderblich. Erst mit dem technischen Fortschritt, neuen Trocknungsverfahren und schnelleren Verkehrsmitteln konnten größere Anbaubetriebe gegründet werden, ganze Regionen (Oldenburg, Tettnang, Hersbruck) spezialisierten sich auf den Hopfenanbau.
So prägte der Hopfen auch die Landschaft der Hallertau sowie das Leben und Brauchtum ihrer Bewohner. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte ein "Hopfen-Boom" sondergleichen. Hopfenanbau, -zucht und -verarbeitung wurden eine Wissenschaft für sich, dem Hopfen waren Industrie- und Weltausstellungen gewidmet, man gründete Vereine und Fachzeitschriften. Und Hopfen brachte der Region großen Reichtum (der Preis für einen Doppelzentner – 500 Mark – entsprach einst dem Jahreseinkommen eines Kleinbauern). Um 1860 soll ein Wolnzacher Pfarrer von der Kanzel über die "Goldgrube Hopfenanbau, reicher noch als die Goldgruben Kaliforniens" gewettert haben. Ob er wohl auf die sinnenfrohe Hopfenpflückzeit angespielt hat? Bis zu hunderttausend "GastarbeiterInnen" aus den armen Regionen Deutschlands und Böhmens strömten während der Saison mit Kind und Kegel in die Hallertau, meist waren sie "ihrem" Bauern über Jahre treu.
Die Arbeit im Hopfengarten muss sehr schwer gewesen sein, wie der Ausstellung eindringlich zeigt. Aber der Lohn war angemessen, das Essen reichlich und die Abende und der Ernteschluss voll Freuden, Musik und Tanz.
"Hopfenbarone" nannte man die Großbauern und vor allem die reichen Hopfenhändler. Nürnberg blieb über lange Zeit der Hauptumschlagplatz für das grüne Gold. Die Mechanisierung und ausländische Konkurrenz brachten nach dem 2. Weltkrieg jedoch dramatische Veränderungen und Preiseinbrüche.
Moderne Museumsdidaktik
Mit interaktiven Modellen, lebensgroßen Inszenierungen, Medienstationen, historischen Dokumenten und Arbeitsgeräten erfährt der Besucher auf spannende und lehrreiche Weise alles über Botanik, Geschichte, Anbau, Pflege, Ernte und Verarbeitung des Hopfens. Seiner "Bierkarriere" ist ein eigener Themenkreis des Museums gewidmet, der die Vor- und Aufbereitung des Hopfens ebenso darstellt wie die Geschichte der reichen Händlerdynastien oder das Auf und Ab der Hopfenpreise.
Hopfen gehört heute zu den Pflanzen mit der am meisten optimierten Züchtungsgenetik; hunderte Sorten, Kultivare und Chemotypen sind patentiert, "High-tech" auf allen Stationen vom Anbau bis zur Verwertung ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Nur noch ganz selten kommen heutzutage ganze Hopfenzapfen in die Würze (ein Zwischenprodukt beim Bierbrauen), denn sie werden schon bei den riesigen Handelsfirmen zu leicht transportablen Pellets und Extrakten verarbeitet, die raumsparend und haltbar an 90% aller Bierproduzenten in die ganze Welt geliefert werden.
"Hopfenromantik" ist fast nur noch im Museum erlebbar!
Dr. Renate Seitz reseitz@gmx.de
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