Aus Kammern und Verbänden

10. Lesmüller-Vorlesung

Lutz Tisch

Die Stellung der Pharmazie in der Gesellschaft festigen

Einmal jährlich findet an einer Bayerischen Universität die Dr. August und Dr. Anni Lesmüller-Vorlesung statt. Die 10. Lesmüller-Vorlesung am 11. Juli 2007 in Würzburg stand unter dem provozierenden Motto "Arzneimittelversorgung ohne Pharmazie?" Die Referenten Prof. Dr. Dieter Steinhilber und Lutz Tisch zeigten in ihren Vorträgen deutlich, dass sich diese Frage aus ihrer Sicht nur mit "Nein" beantworten lässt.

Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt, konstatierte, dass die Pharmazie in der deutschen Wissenschaftslandschaft und der Arzneimittelforschung leider keinen hohen Stellenwert genießt. Auch in der breiten Öffentlichkeit werden Pharmazeuten immer "nur" in Zusammenhang mit der öffentlichen Apotheke gebracht. Nur wenige wissen, dass Apotheker ein wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert haben.

Der im Studium zur Verfügung stehende zeitliche Umfang ist über die letzten Jahre in etwa gleich geblieben, aber der inhaltliche Umfang hat zugenommen – und damit sind auch die Belastungen für die Studierenden gestiegen. Die Fülle des zu vermittelnden Wissens erlaubt es oft nicht mehr, in die Tiefe zu gehen. Steinhilber bedauerte, dass als Konsequenz daraus die Studenten heute sehr problemorientiert lernen. Die direkte Ausbildung für eine ganz bestimmte Tätigkeit, wie sie heute schon diskutiert und teilweise praktiziert wird, gehöre wirklich an eine Fachhochschule. Leider lernen die Studenten nicht mehr, wie man sich Informationen beschafft, wie man sie bewertet und sich so eine eigene Meinung bildet. Aber genau das sei in der heutigen Zeit bitter nötig! Daher sollte, so Steinhilber, eine Forderung lauten, obsolete Inhalte aus dem Studium zu streichen und mehr Freiräume zu schaffen: In der Ausbildung sollten die Pharmazeuten frühzeitig wissenschaftlich denken lernen! Sie sollten Berufsfähigkeiten vermittelt bekommen, nicht Berufsfertigkeiten. Steinhilber stellte ganz klar fest, dass in der Approbationsordnung lediglich ein Gesamtumfang für die Lehrinhalte vorgegeben wird. In der Ausgestaltung dieses Rahmens haben die Hochschullehrer einige Freiheiten. Hier sei ihre Phantasie und Flexibilität gefordert! Und die Bereitschaft zur Kooperation und Vernetzung, zu einem "Lehrexport". Wissenschaftlichkeit und Praxisbezug dürfen in einem Hochschulstudium keine Gegensätze sein. Nur eine wissenschaftliche Ausbildung auf hohem Niveau befähigt die Absolventen, zum einen die vielfältigen möglichen Berufsfelder außerhalb der Apotheke auszufüllen und zum anderen die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten und so den Patienten und den Politikern zu beweisen, dass der Apotheker der richtige Ansprechpartner für die Arzneimittelversorgung ist.

Ist die Zukunft der Apotheken schon entschieden?

Lutz Tisch, Geschäftsführer Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht der ABDA, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, berichtete über die aktuelle Verfahrenslage im Streit um den Erhalt des Fremd- und Mehrbesitzverbotes: Mittlerweile führt die Europäische Kommission vier Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Spanien, Österreich und Frankreich wegen ihren Regelungen zum Fremdbesitz durch. Vorabentscheidungsverfahren sind beim Europäischen Gerichtshof aus Spanien und Deutschland anhängig. Für Tisch ist hier die Entscheidung noch nicht gefallen. Sicher ist nur, dass der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung zum Thema Fremdbesitz an Apotheken treffen wird – wie diese ausfallen wird, ist jedoch offen. Der EuGH wird differenziert entscheiden, er kann das Fremdbesitzverbot verwerfen oder bestätigen oder es mit Voraussetzungen versehen, deren Vorliegen die nationalen Gerichte prüfen müssen. Dass in Deutschland wieder eine Niederlassungsbeschränkung eingeführt werden könnte, hält Tisch aus verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Sicht allerdings für höchst fragwürdig. Das sei nur eine "Leimrute, die für Politiker ausgelegt wird", so Tisch. Die Apotheker sollten sich aber auf keinen Fall ins Bockshorn jagen lassen. Dass derzeit von einigen suggeriert wird, das bestehende System werde fallen, sei nur Propaganda, ein gezieltes Wunschdenken. Die Situation sei wie beim Tauziehen. Beide Mannschaften stehen noch und ziehen kräftig, die Markierung in der Mitte des Seiles befindet sich aber immer noch in der Ausgangsposition. Nur loslassen dürfe man nicht!

Die heilberufliche Unabhängigkeit stärken

Dabei sieht Tisch die bestehende Apothekenbetriebsordnung als ein Bollwerk gegen den Fremd- und Mehrbesitz, denn sie bindet den Apotheker an viele Vorgaben, die unter dem Strich dazu führen, dass unter den heutigen Anforderungen nur mit relativ hohem finanziellen und personellen Aufwand eine Apotheke aufgemacht werden kann. Als diesem Bollwerk nur wenig zuträglich sieht Tisch einige Beiträge zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung, die gerade im Gange ist. Gerichtliche Entscheidungen zum Versandhandel mit Arzneimitteln müssten gründlich auf ihre Auswirkungen im Falle einer Zulassung des Fremdbesitzes geprüft werden. Tisch hob hervor, dass sich die Apotheker der zu erwartenden Generaldebatte grundsätzlich stellen und sich entscheiden müssten, ob sie den Heilberuf erhalten oder eine Entwicklung hin zum Drugstore wollen. Seine Forderung: Unbedingt die heilberufliche Unabhängigkeit stärken! Die Apotheker müssen ihre Pflichten wahrnehmen, denn sie werden getestet – und nicht nur von wohlwollenden Testern wie bei den Pseudo-customer-Programmen. Die Apotheker müssen der Gesellschaft nachweisen, dass ihre Arbeit das Wert ist, was sie kostet. ck

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