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- AZ 28/2008
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Strategieentwicklung in der Apotheke
Häufig haben die Mitarbeiter Zugang zu Erfahrungswissen, über das der Apotheker nicht verfügt. Sie sprechen jeden Tag mit den Kunden und erfahren von Reklamationen, Kritik und Lob, womit der Apotheker nicht konfrontiert wird. So gibt es durchaus Kunden, die es lieber dem Mitarbeiter mitteilen, wenn sie etwas zu bemängeln haben, als der "Respektsperson Apotheker". So ist es ratsam, in einem Meeting die Frage zu thematisieren, ob die Mitarbeiter einen Beitrag zur neuen strategischen Ausrichtung leisten oder aufgrund ihrer Kundenerfahrungen Vorschläge unterbreiten können.
Ebenso wichtig ist: Jeder Mitarbeiter lebt in einem privaten Umfeld. In der Freizeit geht er einem Hobby oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, die in einem kleineren Rahmen strategisches Denken und Handeln voraussetzt. Wer als Vorsitzende des Sportvereins eine Sportwoche organisiert oder als "Sachkundiger Bürger" für eine politische Partei abends in der Gemeinderatssitzung sitzt oder als Mitglied der schulischen Elternpflegschaft Beziehungsmanagement zwischen Lehrern, Eltern und Schülern betreibt, entwickelt strategische Fähigkeiten, auf die der Apotheker nicht verzichten sollte.
Klassisches Beispiel ist der Kinderspielplatz, den die Elterninitiative eigenverantwortlich durchsetzen und oft genug in Eigenleistung bauen muss. Der Apotheker sollte bedenken, welche vielfältigen Aufgaben ein Mitarbeiter zu erledigen hat, der sich in der Bürgerinitiative engagiert: Er holt auf der politischen Ebene Unterstützung ein, geht Verwaltungsaufgaben an, informiert sich über finanzielle Fördertöpfe und erstellt einen Etatplan. All diese Aktivitäten müssen koordiniert werden – und erfordern erhebliches strategisches und auch operatives Geschick.
Apotheker, die wissen, welche Mitarbeiter in ihrer Freizeit welches Projekt gestemmt haben, können prüfen, ob diese ihre Fähigkeiten im Sinne der Apotheke einzusetzen bereit sind.
Der Mitarbeiter als Kunde
Überdies sammeln die Mitarbeiter als Privatpersonen Erfahrungen als Kunden: Ein Angestellter der Apotheke besucht am Wochenende ein Möbelgeschäft, das eine "strategische Allianz" mit einer Imbissstube eingegangen ist. Die Kunden können direkt über die Angestellten des Möbelgeschäfts etwas zu essen bestellen und die Mahlzeit in einem Minirestaurant zu sich nehmen.
Es geht zunächst einmal nur um die kreative Ideenfindung – nicht um die Umsetzung. Die Idee muss auf die Apotheke übertragen werden: "Können auch wir eine strategische Allianz eingehen?" Diese Frage diskutiert der Apotheker mit seinen Mitarbeitern.
Dann geht es in die Umsetzung. Denkbar ist eine Kooperation mit "dem Sportgeschäft nebenan": Für Kunden der Apotheke, die einen Pulsfrequenzmesser suchen, liegt Infomaterial des Sportgeschäfts aus, in denen die Kunden Hinweise zum Ausdauertraining finden. Das Sportgeschäft wiederum nutzt die Broschüren und Prospekte der Apotheke, um Kunden in pharmazeutischen Fragen zu informieren.
Strategiestammtisch einrichten
Wichtig ist, die kreative Ideenfindung zu institutionalisieren, sie nicht dem Prinzip Zufall zu überlassen. Die Ideen und Anregungen der Mitarbeiter brauchen ein Forum. Darum ist es richtig, bei einer anstehenden strategischen Neu- oder Umorientierung regelmäßig ein "Strategiemeeting" durchzuführen, in dem sich Mitarbeiterteam und Apotheker austauschen, Ideen vortragen, bewerten und aussortieren sowie Umsetzungsschritte besprechen.
In dem Meeting diskutieren alle Teilnehmer gemeinsam Fragen wie: "Stimmt unsere strategische Ausrichtung noch oder ist eine Anpassung oder gar Änderung notwendig?" Und: "Wie und was können wir von anderen Apotheken lernen, uns von der Konkurrenz abheben und unterscheiden sowie ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen, das von den Kunden wahrgenommen wird?"
In dem Meeting bittet der Apotheker die Mitarbeiter offensiv um kreative Ideen zum Thema "Strategie". Denkbar ist zudem ein informelles Mitarbeitertreffen, etwa ein Strategie-Stammtisch, an dem der Chef – der Apotheker – ganz bewusst nicht teilnimmt. Die Mitarbeiter tauschen ihre strategischen Ideen ohne Beobachtung durch den Vorgesetzten aus. Oder der Apotheker räumt ihnen das Recht ein, in der Apotheke ein kleines Strategie-Projektteam zu bilden, das sich regelmäßig trifft.
Von den anderen lernen
Die Mitarbeiter können überall auf Ideensuche gehen – im Baumarkt, im Kaufhof, in der Gastronomie, beim Friseur, in anderen Dienstleistungsbetrieben. Warum nicht auch in anderen Apotheken! Das heißt: Der Apotheker redet mit seinen Mitarbeitern darüber, ob sie bereit sind, "bei der Konkurrenz" als Kunden aufzutauchen und zu sehen, "wie es die anderen machen".
In der freien Wirtschaft gibt es dafür den Begriff "Benchmarking". Damit ist eine Wettbewerbsanalyse gemeint, bei der die Prozessabläufe und Managementpraktiken im eigenen Unternehmen mit denen verglichen werden, die beim führenden Konkurrenten ablaufen: Man lernt voneinander – und zwar am meisten von "den Besten".
Die Mitarbeiter lernen so die Dienstleistung, die sie selbst jeden Tag erbringen, "von der anderen Seite" her kennen, eben als Kunden. Wenn sie etwa sehr kundenfreundlich beraten werden, ist dies für die Weiterentwicklung der Apotheke, in der sie tätig sind, ebenso bedeutsam wie die negative Erfahrung einer mangelhaften Kundenorientierung: "Aha, so fühlt sich also mein Kunde, wenn er so oder so behandelt wird – und zwar von mir!" Dies führt häufig zu direkten Verhaltensveränderungen..
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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