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Justiz nimmt Abrechnungsmanipulationen ernst
Anlässlich einer gemeinsamen Fachtagung der KKH und der juristischen Fakultät der Universität Hannover zum Betrug im Gesundheitswesen am 28. Februar, stellte der Kriminologe Professor Bernd-Dieter Meier erste Zwischenergebnisse der Untersuchung vor. Sie betreffen die Frage, was geschieht, wenn ein Fall zur Anzeige gebracht wird. Bislang hat das Forschungsprojekt für die Jahre 2002 bis 2005 bundesweit insgesamt 1202 Strafverfahren wegen betrügerischer Manipulationen im Gesundheitswesen ausgemacht. Erkenntnisse gibt es bislang zu 274 dieser Fälle, insgesamt sollen 300 ausgewertet werden. Die erste Analyse zeigt, dass es sich bei knapp zehn Prozent der Tatverdächtigen um Versicherte handelte, die den bei ihrer Kasse bestehenden Versicherungsschutz missbraucht haben, etwa indem sie Rezepte gefälscht haben. Bei rund 17 Prozent handelte es sich um Nichtversicherte, die zulasten einer Kasse gehandelt haben und z. B. ihre Versicherungskarte nach Ablauf der Mitgliedschaft weiter genutzt haben oder die Karte sonst zum Missbrauch eingesetzt haben. In fast drei Viertel der Fälle waren Leistungserbringer die Tatverdächtigen. Bei ihnen steht die Abrechnung von "Luftleistungen" im Vordergrund, also von Leistungen, die tatsächlich nicht erbracht wurden.
Kriminelle Leistungserbringer oft Mehrfachtäter
Meier zufolge unterscheiden sich die beiden Gruppen der Leistungserbringer und der "Sonstigen", also der Versicherten und der Nichtversicherten, erheblich voneinander. Bei den Leistungserbringern werden im Schnitt sehr viel mehr Einzeltaten aufgedeckt als bei den anderen Betrügern: Bei fast der Hälfte von ihnen ermittelten die Staatsanwaltschaften mehr als 50 einzelne strafbare Handlungen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Leistungserbringer auch mehr Möglichkeiten haben, betrügerisch abzurechnen, als ein Einzelner, der Rezepte fälscht oder Versichertenkarten missbraucht. Dennoch erstaunt es Meier, dass der Anteil der Tatverdächtigen, die sehr viele Einzeltaten begehen – bei Jugendlichen würde man von "Intensivtätern" sprechen – so hoch ist.
Kein Kavaliersdelikt
Nicht zuletzt berichtete Meier, dass die Justiz die Strafverfahren wegen betrügerischer Manipulationen zum Nachteil des Gesundheitswesens offenbar sehr ernst nimmt: "Wir konnten feststellen, dass häufiger Anklage erhoben wird, ein Strafbefehlsantrag gestellt oder das Verfahren gegen eine Auflage eingestellt wird als es im Durchschnitt üblich ist". Folgenlose Einstellungen seien deutlich seltener als bei sonstigen Strafverfahren. Allerdings fanden sich in den untersuchten Akten der Leistungserbringer häufig Hinweise auf verfahrenserledigende Absprachen – vermutlich weil ihre Straftaten einen sehr viel höheren Komplexitätsgrad aufweisen als die Taten der "sonstigen" Tatverdächtigen, erklärte Meier. Typischerweise würden die Verfahren gegen die Auflage eingestellt, einen namhaften Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen oder angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Soweit es zu einem Urteil oder dem Erlass eines Strafbefehls kommt, wurden gegen die Täter in der Hälfte der Fälle (53 Prozent) Geldstrafen, in 40 Prozent Bewährungsstrafen und in fünf Prozent sogar Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt. "Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Justiz den Abrechnungsbetrug nicht als ein Kavaliersdelikt behandelt, sondern das gesamte Spektrum ihrer Möglichkeiten zum Einsatz bringt", betonte Meier.
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