Feuilleton

Die Bildhauerin Elisabet Ney

Elisabet Ney (1833–1907) war die bedeutendste Bildhauerin des 19. Jahrhunderts und eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die sich über Konventionen und Normen hinwegsetzte. Ihre Heimatstadt Münster widmet ihr zum 175. Geburtstag eine Ausstellung im Stadtmuseum, die bis zum 25. Mai zu besichtigen ist.

Ihr Vorname war Programm: Elisabet Ney hatte das "h" aus ihrem Taufnamen gestrichen, um aus dem Allerweltsnamen etwas Einmaliges zu machen. Als eine der ersten Frauen begann sie 1852 an einer Bildhauerklasse der Münchner Akademie der Künste zu studieren. Zwei Jahre später erhielt sie ein Stipendium von der Berliner Akademie und arbeitete in der Werkstatt des seinerzeit führenden deutschen Bildhauers, Christian Daniel Rauch.

Durch Porträts bedeutender Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur wurde Elisabet Ney schnell in ganz Europa bekannt. Arthur Schopenhauer, Giuseppe Garibaldi und Otto von Bismarck saßen ihr Modell. Kein Wunder, dass sie von ihrer Kunst sehr gut leben konnte.

Ney trug ihre selbst entworfenen Kleider ohne Korsett und hatte eine für die damalige Zeit relativ kurze, aber lockige Frisur. 1863 heiratete sie den schottischen Arzt und Naturphilosophen Edmund Montgomery (1835–1911), hielt die Ehe aber geheim, weil sie als "Fräulein" im damaligen Rechtssystem mehr Freiheit genoss. 1871 wanderte sie mit ihrem Mann in die USA aus und verbrachte in Austin in Texas ihre zweite Lebenshälfte – auch dort eine gefragte Bildhauerin.


Info


Stadtmuseum Münster
Salzstr. 28, 48143 Münster
Tel. (02 51) 4 92 45 03, Fax 4 92 77 26
Geöffnet: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag, Feiertag 11 bis 18 Uhr
Katalog: 304 Seiten, über 300 Abb., geb. 38,– Euro
ISBN 978-3-87909-945-0

Porträts von Liebig und Wöhler

Im Jahr 1868 porträtierte Elisabet Ney – anscheinend aus eigener Initiative – den Chemiker Justus von Liebig (1803 –1873), Professor an der Universität München; Liebig fühlte sich dadurch sehr geschmeichelt und überredete seinen Göttinger Kollegen und Freund Friedrich Wöhler (1800 –1882), sich ebenfalls von Ney porträtieren zu lassen. Ney gestaltete die Büsten entgegen ihrer Gewohnheit nicht als Hermen mit pfeilerförmigem Rumpf, sondern setzte sie auf einen runden Sockel und drapierte die Schultern mit einem antikisierenden Gewand. Ein Vergleich mit Fotografien zeigt, dass Ney die individuellen Gesichtszüge der beiden Chemiker realistisch wiedergegeben hat: das rundliche, weiche Gesicht Liebigs mit den buschigen Augenbrauen und das schmale, hagere Gesicht Wöhlers mit den sinnlichen Lippen und dem prachtvollen Haarschopf. Beiden Köpfen sieht man an, dass sie ihre besten Zeiten hinter sich haben und sich nach manchen Mühen des Lebens nach Ruhe sehnen – ein vergeblicher Wunsch, denn damals erfolgte eine Emeritierung nicht regulär bei Erreichen eines bestimmten Alters, sondern nur durch einen besonderen Gnadenerweis.

Sowohl Liebig als auch Wöhler fanden ihre Porträts sehr gelungen und erlaubten, dass zahlreiche Abgüsse und Kopien hergestellt wurden, die insbesondere in chemischen Instituten Aufstellung fanden. Ein Büstenpaar in anderthalbfacher Größe aus Marmor zierte die Fassade des Chemietraktes der 1868 gegründeten Polytechnischen Hochschule in München (heute TU).


W. Caesar

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