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Ersatz-Apotheken – die braucht keiner!
Noch vor wenigen Jahren war es für den Patienten, den Verbraucher einfach und sicher: Wenn er Arzneimittel benötigte, suchte er eine Apotheke auf. Dort hat er alles bekommen, schnell, sicher und mit kompetenter Beratung.
Seit 2004 jedoch stellt sich für ihn die Situation nicht mehr so einfach dar. Unsere Regierung hat den Versandhandel mit Arzneimitteln zugelassen – und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Me-dienberichte über die ach so günstigen Versand-apotheken, die Rabatte auf Arzneimittel gewähren und Gutscheine ausgeben, verunsichern seitdem den Patienten. Hinzu kommen noch Werbeaktionen von Krankenkassen, die – gesetzeswidrig – den Patienten bedrängen, Rezepte bei Versandapotheken einzureichen.
Doch nicht nur für Versandunternehmen, auch für andere Einzelhändler und Drogeriemärkte kam die Zulassung des Versandhandels einer Aufforderung gleich, am Markt der Arzneimittel partizipieren zu müssen. Der Drogeriediscounter Schlecker hat mittlerweile seine eigene Versandapotheke in den Niederlanden eröffnet und liefert nach Deutschland. Drogeriemärkte wie Rossmann und dm versuchen, über die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Versandapotheken in das Arzneimittelgeschäft einzusteigen. Sie wollen mit ihrem Drogeriemarkt als Rezeptsammel- und -ausgabestelle fungieren, wollen dadurch Kunden anlocken, die Kundenfrequenz erhöhen, am Image einer Apotheke teilhaben und sich schon einmal als Ersatz-Apotheke positionieren – vielleicht im Hinblick auf eine erhoffte Öffnung des OTC-Markts.
Mit dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Drogeriemärkte erst einmal Oberwasser bekommen. Gegen eine Rezeptsammel- und -ausgabestelle im Drogeriemarkt sei nichts einzuwenden, so der Tenor des Urteils, solche Kooperationsmodelle fallen in den Augen des Gerichts unter den Versandbegriff. Mit einer gewissen rechtlichen Logik kann man dies vor dem Hintergrund des zugelassenen Versandhandels wohl so sehen. Doch der Arzneimittelsicherheit haben die Richter des Bundesverwaltungsgerichts durch die Legalisierung solcher Ersatz-Apotheken einen Bärendienst erwiesen. Null Beratung, null Aufklärung, null Hinweise. Der Patient holt im Drogeriemarkt seine Arzneitasche oder -päckchen ab und wird mit zum Teil hochkomplexen, erklärungsbedürftigen Arzneimitteln allein gelassen.
Mit diesem Urteil dürften zugleich auch andere Spielformen des Versandhandels wie Apothekenkiosk (als Rezeptsammelstelle) oder die Zusammenarbeit zwischen der Easy-Versandapotheke und der Deutschen Post abgesegnet sein. (Wobei hier anzumerken ist: der Versuch des Apothekenkioskes in München kann wohl als gescheitert angesehen werden und der Postschalter als Rezeptsammelstelle dürfte nicht allzu attraktiv sein angesichts langer Warteschlangen bei der Post und einem Postfilialnetz, das immer mehr ausgedünnt wird – außerdem gibt es mehr Apotheken als Postfilialen.)
Dennoch: dm, Schlecker und Postfilialen als Möchte-gern-Apotheken mischen im Markt mit, untergraben die Seriosität der Apotheke und banalisieren das Arzneimittel. Das kann eine Regierung, der die Gesundheit und Arzneimittelsicherheit ihrer Bürger am Herzen liegt, nicht wollen. Ulla Schmidt und ihr Ministerium ist jetzt gefordert zu zeigen, dass Arzneimittelsicherheit in Deutschland ernst genommen wird. Sie sollten sich schleunigst etwas einfallen lassen, wie man diese untragbaren Zustände, den Wildwuchs von Ersatz-Apotheken unterbindet. Ein Vorschlag steht bereits im Raum: der Begriff des Versandhandels mit Arzneimitteln könnte im Arzneimittelgesetz so definiert werden, dass Versandhandelsformen ausgeschlossen sind, die auf dem Geschäftsprinzip der Abholung bestellter Arzneimittel bei apothekenfremden Gewerbebetrieben beruhen (siehe Kommentar in der letzten AZ).
In unserem Nachbarland Frankreich bahnt sich derweil eine andere Spielart von Banalisierung des Arzneimittels an. Wie einem Bericht in der französischen Tageszeitung "Le Figaro" zu entnehmen ist, beabsichtigt Frankreichs Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot zahlreiche OTC-Produkte für die Selbstbedienung in der Apotheke freizugeben. Aspirin, Paracetamol, Dextromethorphan, Diclofenac, Aciclovir, Minoxidil und viele andere sollen in der Freiwahl platziert werden dürfen. Ziel ist es auch hier, den Wettbewerb im OTC-Bereich zu stärken, die Kunden sollen die Preise der Arzneimittel besser vergleichen können. Unsere französischen Kollegen warnen zwar vor diesem Schritt, doch das Vorhaben des Gesundheitsministeriums werden sie kaum noch aufhalten können. Wie weit ist da noch der Schritt entfernt, OTCs auch im Supermarkt oder im Drogeriediscounter vertreiben zu dürfen? Der Wettbewerbsmanie der Politiker werden die letzten Bastionen der Arzneimittelsicherheit und Volksgesundheit geopfert.
Peter Ditzel
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