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- DAZ 13/2008
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Feuilleton
Jäger Max, der lahme Poet
Carl Spitzweg war ein Münchner Kindl, in der Breitfußgasse geboren und nicht weit davon in der Theatinerkirche mit Isarwasser getauft. Mancher Zeitgenosse mag ihn darum beneidet haben, in einer Stadt der Künste aufzuwachsen, doch die Eltern, wackere Handwerksleute, sahen pessimistisch in die Zukunft ihres Sprösslings. Was konnte schon aus einem Münchner werden, wo doch der König die besten Stellen an die Ausländer vergab, an die Kurpfälzer und die Schwaben und vor allem an die Franken und die vielen anderen Preußen, diese Nordlichter! Sie trösteten sich damit, dass die Hofapotheke noch fest in altbayerischer Hand war, und ließen ihren Buben dort etwas Rechtes lernen. Carl stellte sich sehr gescheit an, in ihm erwachte die Liebe zur Wissenschaft, und seine Aussichten, trotz der Nordlichter eine akademische Laufbahn zu beschreiten, waren gar nicht schlecht. Doch dann küsste ihn irgendwann die Muse – und sein weiteres Leben war ihm vorgezeichnet.
Die Familie Spitzweg war in München seit Generationen wegen ihrer Sangeslust und Musizierfreudigkeit bekannt. Einzelne Personen waren nicht nur musisch begabt, man konnte sie sogar als talentiert bezeichnen. So zum Beispiel Maximilian Spitzweg (1782–1863). Er war königlich-bayerischer Forst- und Jägermeister von Beruf, aber schon früh wegen einer schweren Arthrose aus dem Dienst geschieden und hat die Hälfte seines Lebens im Lehnstuhl und lieber noch im Schaukelstuhl verbracht. Beim leichten Schaukeln schmiedete er seine rhythmischen Verse, ganze Balladen, sogar kleine epische Dichtungen. Sie wurden zwar niemals gedruckt, kursierten aber in mehreren Abschriften und haben zumindest den westfälischen Volksdichter F. W. Weber beeinflusst.
Carl Spitzweg stand seinem Onkel Max, dem "lahmen Poeten", wie er sich selbst im Scherz nannte, sehr nahe. Er hat deshalb ebenfalls einige Strophen aufgezeichnet, die sich in seinem Nachlass fanden, aber erst jetzt richtig zugeordnet werden konnten. Hier ein Beispiel:
Schön ist es, an Frühlingstagen
Nach dem Regenschirm zu greifen
Und, das Edelweiß am Hute,
Wald und Wiesen zu durchstreifen.
Über muntre Bächlein springen,
Manches bunte Blümlein pflücken
Und von luft‘gen Bergeshöhen
Ungetrübt zu Tale blicken.
Als lebensfroher Mensch, der auch später trotz seiner Krankheit seinen Humor niemals verlor, erinnerte Max Spitzweg sich gern an seine aktive Lebenszeit und ließ sie in seinen Versen wieder lebendig werden. Den Regenschirm erwähnte er nicht nur an dieser Stelle, denn das ebenso kostbare wie robuste Utensil pflegte ihm den Wanderstab zu ersetzen. Auch in seinem erzwungenen Ruhestand trennte Max sich nicht von dem guten Stück, im Gegenteil: Er machte sich sogar einen Spaß daraus, den Schirm im Zimmer aufzuspannen, gewissermaßen als Complicen manches Abenteuers und als Inspirationsquelle für seine Verse.
Carl Spitzweg hat während der vielen Besuche bei seinem Onkel Max immer wieder Szenen in seinem Skizzenbuch festgehalten. Schließlich verarbeitete er sie in künstlerischer Freiheit zu dem Bild "Onkel Max mit Zipfelmütze" (so der im Einnahmenbuch notierte Titel). Der Regenschirm ist dabei nicht das einzige Detail, das auf Onkel Max verweist. Auch die rechte Hand des Dargestellten ist eindeutig die Hand eines Arthritikers. Damit wird zugleich die Hypothese widerlegt, der sogenannte "arme Poet" zerdrücke zwischen Daumen und Zeigefinger einen Floh; hätte er tatsächlichen einen dieser Hautparasiten gefangen, so hätte er ihn in einem Glas Wasser ertränkt.
Von Carl Spitzweg frei erfunden ist übrigens die Schreibfeder im Mund des Poeten, denn Onkel Max konnte seine Hand nicht mehr zum Schreiben gebrauchen – andernfalls wäre sicher mehr von seinen Dichtungen erhalten geblieben.
W. Caesar
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