Pharmazie in den USA

Medication Therapy Management – Zukunft des Apothekers?

Medication Therapy Management, kurz MTM genannt, ist das Schlagwort, das die Zukunft des Pharmazeuten in den USA mitbestimmen oder sogar bestimmen soll, geht es nach dem Willen aller Verantwortlichen, die an der Ausbildung und am zukünftigen Berufsbild des Apothekers mitarbeiten.

Die Grundlagen dazu wurden Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre gelegt. Ausgehend von den USA setzte unter dem Begriff Pharmaceutical Care in der Pharmazie ein Umdenken ein: das profunde Wissen des Apothekers sollte nicht einfach brach liegen, sondern sinnvoller im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Der Apotheker als Health Professional, als Heilberufler, kann mehr als "nur" Herstellung, Prüfung und Abgabe von Arzneimitteln. Vor allem unter dem Aspekt, dass Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln mehr und mehr in den Hintergrund treten, überlegte man, wie das Wissen des Apothekers zum Nutzen des Patienten im Gesundheitswesen besser eingesetzt werden kann. Hinzu kam der sich ausbreitende Kostendruck im Gesundheitswesen. Man überlegte: Was kann der Apotheker leisten, um die Therapie rationaler, besser, effektiver und letztlich auch günstiger für den Patienten und die Kostenträger zu machen? Wie kann das umfassende Wissen des Pharmazeuten besser für die Gesellschaft eingesetzt werden? Der Begriff Pharmaceutical Care war geboren.


FACTS & FIGURES

Medication Therapy Management

MTM wird in den USA von vielen führenden Hochschullehrern und Experten des Gesundheitswesens als Zukunft der pharmazeutischen Tätigkeit des Apothekers angesehen. MTM ist das Kernstück der Pharmazeutischen Betreuung.

MTM lässt sich in folgende Unterpunkte gliedern:

Aufnahme aller Patientendaten einschließlich Laborparameter, Abklären möglicher Medikationsprobleme (Medication Therapy Review, MTR)

Aufnahme sämtlicher Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel, die eingenommen werden, Dosierung, Anwendungsdauer, Probleme, Unverträglichkeiten (Personal Medication Record, PMR)

Aufstellung eines persönlichen Medikationsplans für den Patienten, Schulung des Patienten zur korrekten Einnahme seiner Arzneimittel (Medication Action Plan, MAP)

Kommunikation mit allen an der Therapie Beteiligten wie Ärzten, Krankenhaus, Physiotherapeuten, Behörden, Selbsthilfegruppen

ausführliche Dokumentation aller Erhebungen und Leistungen des Pharmazeuten

Die Gretchenfrage: Wer bezahlt dafür?

Anfang der 90er erreichte Pharmaceutical Care – ins Deutsche übersetzt mit Pharmazeutische Betreuung – auch Deutschland. Von der Idee war man begeistert, Studien und Kurse dazu wurden rasch ins Leben gerufen, Software-Programme geschrieben. Allein so richtig durchsetzen konnte sich die Idee bis heute nicht – vor allem wegen der Frage: wer bezahlt dafür? Auch diese Frage ist in den USA bis heute nicht zufriedenstellend gelöst, gleichwohl wurde Pharmaceutical Care dort erweitert und weiterentwickelt.

Am College of Pharmacy der University of Minnesota fanden sich begeisterte Anhänger dieser Idee. Unter dem Oberbegriff von Pharmaceutical Care entstand die Ausrichtung auf Medication Therapy Management, abgekürzt MTM, also eine Art Arzneitherapie-Management im weitesten Sinne.

Beratung anhand klinischer Daten

Im Rahmen der Ausbildung hat MTM in Minnesota heute einen festen Platz und wird bereits in die Praxis umgesetzt. Unter MTM versteht man die intensive Mitwirkung des Pharmazeuten an der Arzneitherapie, um sie für Patienten zu verbessern und zu optimieren. Das heißt, der Apotheker bespricht zusammen mit dem Patienten die vom Arzt verordnete Therapie, checkt Neben- und Wechselwirkungen, gibt Hinweise zur Einnahme, zur Complianceverbesserung. Wichtig: Als Basis des Gesprächs erhält der Apotheker Einsicht in alle vom Arzt erhobenen klinischen Parameter des Patienten; außerdem fragt der Apotheker vom Patienten die bisher eingenommenen Arzneimittel (auch OTC und Nahrungsergänzungsmittel) ab und seine Reaktionen hierauf. Er erstellt eine Art Arzneimittelanamnese. Sie dient dazu, mögliche neue Arzneimittelkomplikationen zu vermindern oder gar zu vermeiden. Die Arzneitherapie wird optimiert zum Nutzen des Patienten, aber auch zur Kostenersparnis. Von großem Vorteil ist die MTM in erster Linie bei multimorbiden Patienten, die mehrere Arzneimittel einnehmen müssen.

Die MTM Clinic

Die University of Minnesota unterhält in ihrer Außenstelle Duluth (rund 250 km nördlich von Minneapolis) eine sogenannte Medication Therapy Management Clinic. Hierunter versteht man einen eigenen Raum im Gebäude des College of Pharmacy in Duluth, ausgestattet mit einem Besprechungsplatz und PC-Arbeitsplätzen. Als Leiterin der MTM Clinic arbeitet eine junge engagierte Pharmazeutin, die zusammen mit einer Kollegin Patienten über ihre Arzneitherapie aufklärt und berät. Regelmäßig arbeiten in der Clinic auch Pharmaziestudierende mit, die hier ihre Kenntnisse aus dem Studium unter Aufsicht der MTM-Apothekerin erproben und einsetzen können. Potenzielle Patienten für einen Besuch der MTM Clinic werden über Flyer bei Ärzten und in der Universitätsklinik auf diesen Dienst und Service aufmerksam gemacht und aufgefordert, telefonisch einen Termin in der MTM Clinic auszumachen. Der Flyer erklärt dem Patienten, was genau dieser Dienst umfasst, was auf ihn zukommt und warum er diesen Dienst in Anspruch nehmen sollte: "Der Apotheker prüft, was Ihre Arzneitherapie bei Ihnen bewirken soll, um sicherzustellen, dass Ihre Medikation die besten Ergebnisse für eine bessere Gesundheit erzielt." Der Patient erfährt auch, dass Pharmaziestudenten in diesem Programm mitarbeiten, die ihre Kenntnisse dadurch erweitern und vertiefen sollen.


College of Pharmacy Duluth In der School of Medicine ist ds Pharmazeutische Institut untergebracht - die Nähe zu den Medizinern wirkt sich positiv aus.

Schon im Flyer wird der Patient darauf hingewiesen, dass zu Beginn eine Übersicht über alle Arzneimittel, die aktuell eingenommen werden, erstellt wird, also alle verschreibungspflichtigen und alle OTC-Arzneimittel. Dieses Beratungsgespräch ist zudem keine einmalige Sache, heißt es in dem Flyer, der Pharmazeut wird den Patienten öfters kontaktieren, um festzustellen, ob die Ziele der Medikation erreicht werden.

Was bezahlt der Patient dafür? Er kann für diesen Dienst 25 Dollar freiwillig bezahlen. Das Geld fließt in die Klinik, um dieses Programm auszubauen und zu unterhalten. Er muss aber nichts dafür bezahlen.

Der Anfang ist gemacht

Das MTM-Programm ist allerdings noch nicht im gesamten Staat Minnesota, geschweige denn in allen Staaten der USA etabliert. Aber der Anfang ist gemacht. Einige Filialapotheken der Kette Walgreens in Minnesota profilieren sich bereits damit, machen ihre Patienten auf diesen Service aufmerksam und bieten ihn an.

Außerdem begann die MTM Clinic in Duluth, diese Dienste der Stadtverwaltung und städtischen Einrichtungen für ihre Angestellten anzubieten. Konkret bedeutet dies: Die Kommunen weisen ihre Angestellten auf diesen Dienst hin und legen ihnen nahe, sich im Krankheits- und Medikationsfall von der MTM Clinic beraten zu lassen. Die Kommunen bezahlen für diesen Dienst. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass die Kommunen dadurch letzten Endes Geld einsparten. Die Patienten befolgten die Arzneitherapie besser, es kam zu weniger Neben- und Wechselwirkungen, die städtischen Angestellten hatten weniger Krankheitstage und konnten eher wieder am Arbeitsplatz erscheinen.

Die bisher durchgeführten MTM-Programme zeigten, dass für jeden Dollar, der hier investiert wurde, vier Dollar eingespart werden konnten.

Wie die Leiterin der MTM Clinic anmerkte, kann es im Verlauf der Beratung durchaus vorkommen, dass die Arzneitherapie in Absprache mit dem Arzt gewechselt werden muss. Dies kann in Einzelfall auch mal zu höheren Arzneikosten führen. In der Summe jedoch werden Kosten gespart, da der Patient früher gesund wird.

Im Ausbau des Medication Therapy Managements sehen die Kolleginnen und Kollegen in den USA die Zukunft des Apothekerberufs: Hand in Hand mit dem Arzt Verantwortung zeigen für eine optimale Arzneitherapie.

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