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Ärzte schmieden ihr Zukunftsbild – und wir?
Fleißig waren sie, die Delegierten des diesjährigen 111. Ärztetags in Ulm. Sie haben sich auf ihrer Tagung neben vielen anderen Punkten auch mit dem Arztbild der Zukunft und der Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen befasst. Und sie haben vielbeachtete "Gesundheitspolitische Leitsätze der Ärzteschaft", das 35 Seiten starke "Ulmer Papier", verabschiedet.
Im Ulmer Papier machen sie Gestaltungsvorschläge für ein funktionsfähiges, freiheitlich gestaltetes Gesundheitswesen, das auch dem Verständnis der beruflichen Situation der Ärzteschaft dienen soll. Darin heben sie darauf ab, dass das ärztliche Handeln an der Individualität des erkrankten Menschen ausgerichtet sein soll und erteilen den mechanistischen Vorstellungen des therapeutischen Geschehens, wie es Reformgesetzen zu eigen ist, eine Absage. "Die Medizin ist keine exakte Naturwissenschaft, die nur streng kausalen Regeln folgt und deren Ergebnisse in einer festen Versuchsanordnung jederzeit reproduzierbar sein müssen", heißt es im Ulmer Papier, "Medizin ist vielmehr eine praktische, eine Erfahrungswissenschaft, die sich naturwissenschaftlicher Methoden ebenso bedient wie der Erkenntnisse der Psychologie, der Sozial- und Kommunikationswissenschaften, allgemein der Geisteswissenschaften und im bestimmten Umfang auch der Theologie." Das Ulmer Papier betont ferner die große Bedeutung der Therapiefreiheit für Patient und Arzt und setzt sich für eine stärkere Attraktivität des Arztberufes ein.
"Besonders dringend sind der Abbau der überall im ärztlichen Alltag spürbaren Überbürokratisierung und wirksame Schritte gegen die chronische Unterfinanzierung der Leistungen" – wie wahr, auch im pharmazeutischen Alltag, möchte man ergänzen. Weiter wendet sich das Ulmer Papier gegen die Budgetmedizin, die zu Rationierung führt. Es spricht sich für die Einführung einer Positivliste aus, außerdem für mehr Eigenverantwortung des Patienten.
Beim Lesen des Ulmer Papiers drängte sich mir der Gedanke auf: Viele dieser gesundheitspolitischen Leitsätze ließen sich sinngemäß auch auf uns, die Apotheker, übertragen. Es könnte in der heutigen Zeit sinnvoll sein, eine Standortbestimmung und Leitsätze zu entwerfen, wie wir uns, wie wir uns im Verhältnis zu unseren Patienten und zur Arzneiversorgung sehen und wie wir uns eine Finanzierung der Gesundheitsversorgung vorstellen könnten. Es könnte ein Beitrag in Richtung Politik sein, verstärkt auf uns und unsere Leistungen aufmerksam zu machen, unser Selbstverständnis, unsere Notwendigkeit für das Gesundheitswesen zu zeigen.
In diesem Zusammenhang ist mir ein Tagesordnungspunkt des Ärztetages aufgefallen, der sich mit dem Arztbild der Zukunft befasst. In zehn Punkten hat das Ärzteparlament "die Rolle der deutschen Ärzteschaft für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens" beschlossen. Der Arztberuf hat eine Schlüsselrolle für das Gesundheitswesen, heißt es dort, er übt einen freien Beruf aus und ist kein beliebig austauschbarer Gesundheitsdienstleister. Der Arzt ist Experte und Vertrauensperson. Die Arzt-Patientenbeziehung muss vor einer Erosion durch Kontrollbürokratie und Instrumentalisierung des Arztberufs für Rationierungszwecke geschützt werden. Die Thesen wenden sich gegen eine Partikularisierung des Arztberufs, die patientenorientierte Medizin braucht den "ganzen Arzt und die ganze Ärztin". Allerdings sagen die Thesen auch, dass der Arzt keine omnipotente Rolle spielt, sondern die des "besten Anwalts des Patienten". Die Ärzte sehen ihre Zukunftsaufgabe verstärkt darin, die Fähigkeiten der Bevölkerung zu fördern, durch Eigeninitiative ihre Gesundheit zu verbessern und chronisch Kranke und Pflegebedürftige zu betreuen. Dafür müsse bereits im Medizinstudium vor allem psychosoziales Wissen vermittelt und die kommunikativen und sozialen Kompetenzen geschult werden. Auch das erinnert mich stark an unsere Forderungen, dass wir bereits im Pharmaziestudium mit kommunikativen Fähigkeiten vertraut gemacht werden sollten.
Hier werden, wenn auch mit viel Ärztelyrik (wie Kritiker einwenden), Wünsche angemeldet und die Bedeutung eines Berufs hervorgehoben. Ich wünsche mir, dass auch wir uns mit unserem zukünftigen Berufsbild befassen und die Bedeutung und Unverzichtbarkeit für unser Gesundheitswesen herausstellen. Mehr denn je sollten wir es jetzt tun, unabhängig davon, welche Strukturen sich im deutschen Apothekenwesen nach einem europäischen Richterspruch zum Fremd- und Mehrbesitz breit machen sollten. Es sollte eine Aufgabe für den kommenden Apothekertag sein, unser Berufsbild, das sich zweifellos in den letzten zwanzig, dreißig Jahren geändert hat, zu schärfen und plakativ herauszustellen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Peter Ditzel
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