DAZ aktuell

G-BA macht Vorschläge zum Zweitmeinungsverfahren

SIEGBURG (hst). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nach achtmonatiger Beratung im Arbeitsausschuss Arzneimittel einen ersten Vorschlag für die Umsetzung des Zweitmeinungsverfahrens nach § 73d SGB V für besondere Arzneimittel vorgelegt. Betroffen sind zunächst sechs Wirkstoffe. Sie können künftig in der Regel nur noch nach vorheriger Einholung einer Zweitmeinung bei einem besonders qualifizierten Arzt zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden.

Das Zweitmeinungsverfahren wird in einem neuen Abschnitt Q in den Arzneimittel-Richtlinien (AMR) geregelt. Der Entwurf des G-BA sieht neben allgemeinen Bestimmungen zum Verfahren in diesem neuen Abschnitt eine neue Anlage 13 zu den AMR vor, in der wirkstoffbezogen die Details zum Zweitmeinungsverfahren geregelt werden. Der Entwurf umfasst sechs Wirkstoffe aus den Bereichen Onkologie und Pulmologie/Kardiologie, für die das Verfahren zunächst zur Anwendung kommen soll. Es wird jedoch erwartet, dass nach erfolgreicher Umsetzung weitere Wirkstoffe in das Verfahren aufgenommen werden.

Die Verordnung der betroffenen Arzneimittel soll zulässig sein, wenn der Patient über den Ablauf des Zweitmeinungsverfahrens aufgeklärt wurde, insbesondere auch hinsichtlich der Weitergabe patientenbezogener Daten an den Arzt für besondere Arzneimitteltherapie, und eine Abstimmung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Arzt für besondere Arzneimitteltherapie (sog. Zweitmeinungsarzt) erfolgt ist.

Was der Zweitmeinungsarzt entscheiden muss

Vor der erstmaligen Verordnung eines dem Zweitmeinungsverfahren unterworfenen Arzneimittels hat der behandelnde Arzt arzneimittelbezogene Dokumentationsbögen auszufüllen, die dem Zweitmeinungsarzt zuzuleiten sind. Dieser gibt sein Votum über ausreichend begründete Anträge innerhalb von 14 Tagen ab und teilt seine Entscheidung dem behandelnden Arzt und der Krankenkasse mit. Von der Zweitmeinung des Arztes für besondere Arzneimitteltherapie kann der behandelnde Arzt nur in Ausnahmefällen mit besonderer Begründung abweichen.

Dem Zweitmeinungsarzt werden folgende Entscheidungsmöglichkeiten vorgegeben:

  • Die Verordnung ist zweckmäßig und wirtschaftlich (positive Zweitmeinung).
  • Die Verordnung ist nicht zweckmäßig (negative Zweitmeinung).
  • Die Verordnung ist zweckmäßig, aber nicht wirtschaftlich (negative Zweitmeinung; Angabe von wirtschaftlichen Therapiealternativen in der Begründung).

  • Die Verordnung erfolgt nicht gemäß der Fachinformation. Das Zweitmeinungsverfahren ist für die Off-Label-Anwendung nicht vorgesehen.


Betroffene Wirkstoffe

Die folgenden sechs Wirkstoffe sind derzeit für das Zweitmeinungsverfahren vorgesehen
Bosentan
Cetuximab
Iloprost zur Inhalation
Panitumumab
Sildenafil
Sitaxentan

Entscheidung nach Aktenlage, ohne Untersuchung

Der Arzt für besondere Arzneimitteltherapie trifft seine Entscheidung im Zweitmeinungsverfahren nach Aktenlage, d. h., eine eigene Untersuchung des Patienten durch den Zweitmeinungsarzt ist nicht vorgesehen. Bei Erst-, aber auch bei Folgeanträgen bei längerfristiger Behandlung ist jeweils nur ein Abstimmungsverfahren zum gleichen Sachverhalt möglich. Ist also der behandelnde Arzt mit der Entscheidung des Zweitmeinungsarztes nicht einverstanden, kann er kein weiteres Bewertungsverfahren bei einem anderen Arzt für besondere Arzneimitteltherapie durchführen lassen.

In seltenen, besonderen Notfällen ist jedoch eine Verordnung ohne vorherige Abstimmung ausnahmsweise möglich. Für Patientinnen und Patienten, die vor Inkrafttreten des Zweitmeinungsverfahrens auf einen der sechs Wirkstoffe (siehe Kasten) eingestellt sind, ist bei der nächsten Verordnung das Zweitmeinungsverfahren entsprechend dem Vorgehen bei einer Erstverordnung einzuleiten.

Die jeweils für die einzelnen Arzneimittel erforderlichen Qualifikationen eines Arztes für besondere Arzneimitteltherapie (sog. "Zweitmeinungsarzt") werden wirkstoffbezogen in der neuen Anlage 13 festgelegt.

Soll auch im Krankenhaus gelten

Anwendungen der betroffenen Arzneimittel im Krankenhaus sollen dem Entwurf zufolge ebenfalls von dem Verfahren betroffen sein. Bei der erstmaligen Behandlung in einem Krankenhaus und/oder zugelassenen Krankenhäusern nach § 116b Abs. 2 SGB V mit einem in der Anlage 13 aufgeführten besonderen Arzneimittel ist das Zweitmeinungsverfahren demnach vom zuständigen Arzt unverzüglich einzuleiten. Ist das Verfahren bei Entlassung nicht abgeschlossen, ist die Versorgung des Patienten mit dem besonderen Arzneimittel für längstens 14 Tage im Rahmen der nachstationären Behandlung nach § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V zu gewährleisten.

Das Zweitmeinungsverfahren ist im Bereich einer Kassenärztlichen Vereinigung anzuwenden sobald die Voraussetzungen gegeben sind. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Zweitmeinungsverfahrens müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 73d Absatz 4 Satz 1 SGB V bis Ende 2008 schaffen. Die Ärzte für besondere Arzneimitteltherapie sind im Rahmen der Versorgung der Versicherten tätige Ärzte, die die wirkstoffbezogenen Qualifikationen erfüllen. Sie werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Krankenkassen bestimmt, sofern sie ihre Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie einschließlich der Höhe von Zuwendungen offen legen. Kommt die Benennung der Zweitmeinungsärzte nicht zustande, können die Krankenkassen in Einzelverträgen nach Ausschreibung Ärzte mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Zweitmeinungsarztes beauftragen.

Bürokratischer Abstimmungsprozess

Kritiker befürchten, dass durch das Zweitmeinungsverfahren die Versorgung der Versicherten mit hochwirksamen Spezialpräparaten gefährdet werden kann, weil der Anwendung bei einem Patienten ein bürokratischer Abstimmungsprozess vorausgehe. Um diesen zu umgehen, könnten Patienten in Einzelfällen auf andere durch das Verfahren nicht erfasste aber im Einzelfall weniger wirksame Präparate umgestellt werden. Verwiesen wird auch auf mögliche Unstimmigkeiten zwischen dem vorgelegten Entwurf und den gesetzlichen Vorgaben. So fehlten insbesondere Regelungen für die Fälle, in denen ein als Arzt für besondere Arzneimitteltherapie bestimmter Arzt Verordnungen der betroffenen Arzneimittel für eigene Patienten vornehme.

Nach Einschätzung von Beobachtern ist davon auszugehen, dass das Zweitmeinungsverfahren für Fertigarzneimittel mit den genannten Wirkstoffen spätestens Anfang 2009 flächendeckend eingeführt wird.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.