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DAZ wissenswert
Viren können Krebs erzeugen
"Die Entdeckung, dass Papillomaviren Gebärmutterhalskrebs verursachen, war anfangs nicht willkommen. Einige Kollegen waren überzeugt, dass Herpes simplex die Ursache sei, da eine ganze Reihe von Untersuchungen einen erhöhten Antikörpertiter bei Patienten mit Gebärmutterhalskrebs zeigten. Ich habe 1974 auf einer Konferenz in Key Biscane in Florida […] das erste Mal über Papillomaviren als Verursacher des Zervixkarzinoms berichtet. Ich hatte eine einsame Stimme auf dieser Veranstaltung."
So erzählte Harald zur Hausen dem Nobelkomitee vom Beginn seiner Forschung über Humane Papillomaviren (HPV). Dieser Beginn war auch aus wissenschaftlicher Sicht schwierig. Epidemiologische Studien hatten zwar eine Infektiosität des Zervixkarzinoms nahe gelegt. Dass Viren Krebs auslösen können, wollten aber die meisten Fachleute nicht akzeptieren. Nur wenige Forscher hielten Herpes-simplex-Viren (HSV) für Krebserreger.
Falls die Virus-Hypothese stimmte, mussten die Genome der Tumorgewebezellen virale DNA enthalten, und diese sollte sich mit der damals neuen Hybridisierungstechnik nachwei-sen lassen, auch wenn sie inaktiv war. Bereits Anfang der 1970er Jahre hatte zur Hausen das Epstein-Barr-Virus in menschlichen Lymphoblasten und nasopharyngealen Karzinomen nachgewiesen und damit den ersten vagen Hinweis auf eine virale Kanzerogenese gewonnen. Die meisten Virologen lachten über diese Vorstellung. "Zur Hausen war ein Außenseiter, dem viele nicht geglaubt haben", meinte das Mitglied des Nobelkomitees Bo Angelin. Der Preisträger hatte dennoch das Humane Papillomavirus als wahrscheinlichsten Krebserreger im Verdacht, zumal er in Tumorzellen kein HSV gefunden hatte. Dagegen gab es zahlreiche Berichte, dass HPV-assoziierte Genitalwarzen sich in maligne Formen wandeln.
"Ich hoffe, der Nobelpreis wird das Bewusstsein für die Rolle von Infektionen bei der Entstehung menschlichen Krebses stärken. "Harald zur HausenWidersprüchliche Ergebnisse
Zuerst fand zur Hausen mit seinen Gensonden HPV-DNA in Genitalwarzen, aber nicht in Krebsgewebe. Dagegen konnte er Virus-Partikel in den Tumoren elektronenmikroskopisch nachweisen. Dafür wurde er jetzt, 36 Jahre später, mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Diese widersprüchlichen Ergebnisse ließen ihn nicht ruhen. Er postulierte, dass HPV ein sehr variantenreiches Virus ist und dass die kanzerogenen HPV-Typen sich kaum noch vermehren, wenn sie eine Zelle befallen haben. Tatsächlich fand seine Forschergruppe bald mehrere HPV-Typen, von denen einige ein mehr oder weniger großes onkogenes Potenzial besitzen, andere aber lediglich Warzen hervorrufen können.
1976 zeigten morphologische Untersuchungen, dass HPV-Infektionen des Gebärmutterhalses häufig mit einer milden Dysplasie assoziiert sind. Einige Jahre später konnte zur Hausen in Zervixkarzinom-Biopsien neue HPV-Typen nachweisen; unter ihnen waren HPV 16 und HPV 18 die mit Abstand häufigsten und bösartigsten. Als Ursache für die Kanzerogenität wurden die Onkoproteine E6 und E7 ermittelt.
Pionier einer neuen Forschungsrichtung
Die Entwicklung der molekulargenetischen Analysentechniken führte zu einer starken Ausweitung der HPV-Forschung. An diesen Arbeiten war zur Hausen nicht mehr beteiligt. Er darf aber für sich in Anspruch nehmen, seine Hypothese gegen viele Widerstände durchgehalten und bestätigt zu haben.
Heute werden die Humanen Papillomaviren in Hochrisiko- und Niedrigrisikotypen eingeteilt (s. Tab. 1). Nach der Infektion der Zelle wird das Virusgenom in das Zellgenom eingebaut. Das von einem Virusgen codierte Onkoprotein E6 bindet an das zelluläre Protein p53, das u. a. die DNA-Reparatur und die Induktion der Apoptose reguliert; durch diese Bindung wird p53 schnell inaktiviert und degradiert. Das ebenfalls von einem Virusgen codierte Onkoprotein E7 bindet an das Protein pRb, das eine zentrale Rolle in der DNA-Replikation der Zelle spielt. Dadurch wird pRb stärker phosphoryliert, was den Transkriptionsfaktor E2F aktiviert und das Zellwachstum stimuliert. So wächst ein Tumor heran, wobei das Virus, das diesen Prozess ausgelöst hat, selbst gar nicht in Erscheinung tritt.
Der Preisträger hat ein Virus ins Licht der Forschung gerückt, das sich als komplexeste Entität humanpathogener Erreger entpuppt hat. Zurzeit sind mehr als 150 HPV-Genotypen kloniert und sequenziert. Mindestens 50 weitere HPV-Typen werden aufgrund der Datenlage vermutet. Die Ursache dieser großen Typenvielfalt ist nicht bekannt.
Fast jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens mindestens einmal mit humanen Papillomaviren in Kontakt. Wer sich infiziert, trägt die Viren in sich – für Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte. Die meisten Menschen bemerken die Infektion nicht. Ist das Immunsystem geschwächt, können die infizierten Zellen zu Tumorzellen entarten. Nach der Infektion mit Hochrisiko-HPV-Typen, die in der Regel durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, können auch bei normalem Immunstatus Tumoren entstehen. Allein in Deutschland sterben 1700 Frauen jährlich an Gebärmutterhalskrebs.
Der größte praktische Erfolg zur Hausens war die Entwicklung einer HPV-Impfung zum Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs. Sie ist zwar wegen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses umstritten, doch es tut sich einiges in der Nachfolge seiner Pionierarbeit.
Tab. 1: HPV-Typen als potenzielle Erreger von Warzen und Krebs | |
HPV-Typen |
Hautveränderungen |
1, 2, und 4 |
Verrucae plantares (Plantarwarzen) |
1, 2, 3 und 4 |
Verrucae vulgares (gewöhnliche Hautwarzen) |
3 und 10 |
Verrucae planae juveniles (Juvenile flache Warzen) |
5 und 8 ("intermediate risk") |
Epidermodysplasia verruciformis; kann zum Stachelzellkarzinom führen |
6 und 11 ("low risk") |
Condylomata acuminata (Feigwarzen) und Condylomata gigantea (Buschke-Löwenstein-Tumor); Mundschleimhautpapillom |
6 und 11 ("low risk") sowie 16, 18 und 31 ("high risk") |
Condylomata plana (Flache Genitalwarzen); Bowenoide Papulose |
7 |
"Fleischerwarzen" |
13 und 32 ("low risk") |
Morbus Heck (Mundschleimhautpapillom) |
16 ("high risk") |
bei Männern: Penile intraepitheliale Neoplasie; kann zu Erythroplasie und Peniskarzinom führen |
16, 18, 45 und 31 ("high risk") |
Anale sowie (bei Frauen) vulväre, vaginale und zervikale intraepitheliale Neoplasien; Letztere kann zum Zervixkarzinom führen |
Molecular Farming
Das Fraunhofer Center for Molecular Biotechnology in Newark (USA) entwickelt einen neuen Wirkstoff, der nicht nur vor Papillomaviren schützt, sondern auch zur Therapie bestehender Tumoren eingesetzt werden kann. "Wir arbeiten mit Proteinen, die für den menschlichen Körper ungefährlich sind, die aber den krebserregenden Proteinen gleichen, die von den infizierten Zellen gebildet werden. Impft man einen Organismus mit diesen leicht veränderten Proteinen, so entwickelt er Antikörper […]. Kommt es dann eines Tages zur Infektion, erkennen die Antikörper die krebserregenden Proteine und zerstören sie", so Yusibov, der Direktor des Instituts.
Ein vielversprechender Kandidat der Forscher ist ein Fusionsprotein aus dem Onkoprotein E7, einer Glucanase aus Clostridium thermocellum und einer Signalsequenz aus Nicotiana tabacum • Es wird von einer gentechnisch veränderten Tabakpflanze (Nicotiana benthamiana) synthetisiert und könnte vermutlich dereinst sehr kostengünstig produziert werden. Die Vision des Nobelpreisträgers würde dann Wirklichkeit.
Literatur Monika Weiner: Pflanzenimpfstoff gegen Krebs. Fraunhofer Magazin 2008;(4): 28 – 29.
Cord Rehmsmeier. Bedeutung der Hybrid Capture Methode für die Diagnostik und Therapie von Vor- und Frühstadien des Zervixkarzinoms. Diss. Univ. Münster, 2004.
Lutz Gissmann et al. Human papillomavirus types 6 and 11 DNA sequences in genital and laryngeal papillomas and in some cervical cancers. Proc Natl Acad Sci USA 1983;80(Jan.):560 – 563.
Silvia Massa et al. Anti-cancer activity of plant-produced HPV16 E7 vaccine. Vaccine 2007;25(16):3018 – 3021.
Konstantin Musiychuk et al. A launch vector for the production of vaccine antigens in plants. Influenza Other Respir Viruses 2007;1:19 – 25.
Dr. Uwe Schulte
Händelstraße 10, 71640 Ludwigsburg
schulte.uwe@t-online.de
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