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Wirtschaft
DAX an der langen Leine
Die aktuelle Marktlage
War es bislang die Entlastung der Finanzinstitute, um die sich die Anleger Sorgen machten, rückt nunmehr der weltweite Schuldenabbau immer mehr in den Mittelpunkt. Das 4. Quartal des US-Bruttoinlandsproduktes wies – neben einem Rückgang – einen Sprung in den Lagerbeständen auf, was darauf hindeutet, dass das laufende Quartal wegen der unverkauften Bestände schlechter ausfallen dürfte. Nicht eben ermutigend wirkte auch die Ankündigung der japanischen Notenbank, Nippons Geschäftsbanken Aktien im Wert von rund 9 Milliarden Euro als Stützungsmaßnahme abzukaufen. Man zeigte sich besorgt, dass die Notenbank einen solchen Schritt überhaupt für nötig hält. Gesamtwirtschaftlich knarrt es also im Gebälk.
Und wo es im Großen und Ganzen nicht passt, kann es auch im Detail nicht stimmen. Bei den Unternehmensmeldungen scheint es nur noch die Wahl zwischen "schlecht" und "katastrophal" zu geben. Am Anfang letzter Woche kamen mal wieder die Finanzwerte unter die Räder, so auch die Postbank. Das Geldinstitut ist vor Kurzem in die Schlagzeilen geraten, als sie beim Umzug einer Filiale nahe Berlin einen alten Tresor zum Verschrotten ausrangierte. Als plötzlich über den Mitarbeitern des Stahlwerks ein Geldregen niederging, musste die Postbank eingestehen, dass sie aus Versehen rund 100.000 Euro im Tresor belassen hatte. Da erhält das Wort "Abwrackprämie" gleich eine ganz andere Bedeutung.
Auf den ersten Blick erfreulich präsentierte sich Lufthansa mit einem erstaunlich guten Ergebnis für 2008. Da sich die Airline jedoch hinsichtlich des Ausblicks bedeckt hielt, sind die Zahlen Schnee von gestern. In den USA verzeichnete das Zahlenwerk von Motorola, Disney und Dow Chemical heftige Einbrüche. Noch bedenklicher dabei die Ertragssituation bei UPS: Die schlechten Quartalszahlen und ein wackeliger Ausblick des Logistikunternehmens deuten auf ein weltwirtschaftlich schwaches Güteraufkommen hin. Gut angekommen sind dagegen die Quartalsberichte der US-Pharmaunternehmen Merck und Schering-Plough. Beide Werte sorgten am Markt zuletzt für eine Kurserholung.
Aus der Perspektive der Analysten
Immer häufiger bleiben die börsennotierten Unternehmen den Ausblick auf das Geschäftsjahr 2009 schuldig. Ohne Ausblick fehle aber die Berechnungsgrundlage, ist von den Analysten zu hören. Statt mit kurzfristigen Prognosen beschäftigt sich die Gilde lieber mit mittel- bis langfristigen Gedankenspielen in Form von fruchtlosen Wenn-Dann-Bedingungen, wie man sie ansonsten nur von Chartanalysten her kennt. Am Parkett verweisen die Händler auf das negative Umfeld und halten sich bedeckt. Die meisten sehen dabei den Trendkanal zwischen 4200 und 4500 DAX-Punkten angesiedelt und gehen über kurz oder lang von einem Fall unter die 4000er Linie aus. Sie halten ihr Pulver trocken.
Musterdepot und Strategie
Inzwischen hoffen offensichtlich einige Investoren, dass die Weltwirtschaft bereits dem Ende der wirtschaftlichen Tiefschläge nahe sei. Alles Fantasten, bar jedes wirtschaftlichen Sachverstandes. Die vereinzelten Highlights, die man derzeit noch aus der Gesamtwirtschaft und den Unternehmen registriert, sind nicht das Licht am Ende des Tunnels, sondern die Scheinwerfer der letzten Tapferen, die die Auswirkungen der Krise bislang noch nicht zu spüren bekommen haben. Im Tunnel wäre ein solcher Irrtum tödlich. An der Börse auch.
Die Engagements in Put-Optionsscheine werden konsequent ausgebaut: Put-Optionsschein auf RWE der Citigroup, Basis 60 Euro (aktuell 62,40), Laufzeit März 09 mit der WKN CG0ZTK. Daneben Telekom Put der Citigroup, Basis 10 Euro (aktuell 10,15), Laufzeit März 09 mit der WKN CG91KW. Die gewählte Optionsbasis liegt nah am aktuellen Kurs. DAX am 4. Februar (18.00 h): 4495 Punkte.
Aus der Sicht des QuerdenkersVielleicht erinnern Sie sich noch an die früheren Interventionen der Bundesbank zugunsten oder gegen den Dollar. Sie waren fast nie erfolgreich. Im Gegenteil, eher kontraproduktiv. Nur zu oft werteten die Marktteilnehmer dies als Schwächesignal und spekulierten dagegen an. Spekulanten verfügen diesbezüglich über einen Killerinstinkt. Sie können die sterbende Beute förmlich riechen. Das könnte bald auch bei Staatsanleihen der Fall sein. Um die Dringlichkeit zu betonen, muss man schon fast auf Cato zurückgreifen, der nach jeder Senatssitzung gebetsmühlenhaft den Satz wiederholte: "Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass Karthago zerstört werden muss." Heute lautete es abwandelt: Nehmen Sie sich in Acht vor Anleihen! Die US-Notenbank (FED) und die Bank von England (BoE) erklären sich inzwischen bereit, Staats- und Unternehmensanleihen aufzukaufen. Dies könnte als Signal interpretiert werden, dass die Platzierung von staatlichen Schuldpapieren langsam zum Problem wird. Ein Schwächesignal, zumal die Notenbanken mit ihrem Zinssenkungspotenzial praktisch am Ende sind. In diesem Zusammenhang sollte man auch dem Optimismus mit Vorsicht begegnen, den die Investoren noch letzte Woche hinsichtlich der Schaffung einer "Bad Bank" an den Tag gelegt hatten. Letztlich eine Maßnahme, die erneut in einer höheren Staats-verschuldung mittels gigantischer Anleihenemissionen münden wird. Diese staatliche Sammelstelle für faule Kredite soll die Geldinstitute mit einem Schlag von ihren Altlasten befreien. Das wäre also ungefähr so, als wollte man Abfallgebühren sparen, indem man seinen Müll einfach dem Nachbarn unterjubelt. Nach Expertenmeinung kostet diese Entsorgungsaktion mindestens 2 Billionen Dollar. Die Finanzwirtschaft wäre damit zwar entlastet, aber der Steuerzahler müsste dafür aufkommen. Das befeuert die Staatsverschuldung, zieht eine unglaubliche Zinslast nach sich und landet letztendlich wieder in der Wirtschaft, und zwar beim Steuerzahler. Aber was bitte soll dann noch vom zukünftigen Wachstum übrig bleiben? Und überhaupt: Glaubt man denn allen Ernstes, dass sich an den Anleihenmärkten jede beliebige Summe absorbieren ließe? Die Müllabfuhr ist schnell bestellt, aber das Entsorgungsproblem bleibt. Die Akteure an der Börse konzentrieren sich derzeit zu einseitig auf den Erfolg der Rettungspakete und vernachlässigen den Schwelbrand am Anleihenmarkt. Am Aktienmarkt sind momentan nur einige kurzzeitige Tradings oder Spekulationen auf fallende Kurse mittels Put-Optionsscheinen empfehlenswert. An einen nachhaltigen Kursaufschwung ist in diesem Umfeld nicht zu denken. Die 4000er Marke beim DAX bleibt die Schwelle zwischen Gut und Börse. Und der Konsumverzicht, der den gewaltigen Entlassungswellen zwangsläufig noch folgen wird, ist böse. Peter Spermann Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers. |
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