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Arzneimittel und Therapie
Vorzeitiger Studienabbruch unter Rimonabant
Übergewicht erhöht das Risiko für ein metabolisches Syndrom. Da Änderungen im Lebensstil nur bei wenigen Patienten zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion führen, sucht man zusätzlich nach pharmakotherapeutischer Unterstützung. Eine Möglichkeit ist die Blockade des Endocannabinoid-Rezeptors. So konnte gezeigt werden, dass der selektive Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonist Rimonabant neben einer Gewichtsreduktion auch zu einer Abnahme metabolischer Risikofaktoren (u. a. Reduktion der Triglyceride und der Blutzuckerwerte, Zunahme von HDL) führt. Der in placebokontrollierten und randomisierten Studien gezeigte Erfolg war allerdings mit schweren Nebenwirkungen wie Nausea und Depressionen verbunden. Des Weiteren waren Studienzeiten von zwölf Monaten oder weniger zu kurz, um Aussagen zu langfristigen Folgen zu treffen. Daher wurde eine Studie initiiert, in welcher die Auswirkungen einer längerfristigen Therapie mit Rimonabant auf kardiovaskuläre Parameter untersucht werden sollten. Geplant war dabei eine 33- bis 50-monatige Einnahme von Rimonabant.
Studie mit Risikopatienten
Die unter der Bezeichnung CRESCENDO (The Comprehensive Rimonabant Evaluation Study of Cardiovascular Endpoints and Outcomes) laufende Untersuchung wurde zwischen 2005 und 2008 an knapp 1000 Kliniken in 42 Ländern durchgeführt. Die 18.695 Probanden litten unter abdominaler Fettleibigkeit, hatten eine bereits bestehende kardiovaskuläre Erkrankung oder wiesen ein hohes kardiovaskuläres Risikoprofil auf. Sie wurden randomisiert einer der folgenden Gruppe zugeteilt:
- Rimonabant-Gruppe (n = 9381); Intervention: 20 mg Rimonabant oral pro Tag
- Placebo-Gruppe (n = 9314); Intervention: tägliche Einnahme eines Placebos.
Der primäre Studienendpunkt setzte sich aus Tod aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse, Myokardinfarkt oder Schlaganfall zusammen. Die Auswertung der Daten erfolgte durch eine Intention-to-treat-Analyse.
Häufige Nebenwirkungen in der CRESCENDO-Studie | ||||
Placebo | Rimonabant | |||
n (%) | Ereignisse auf 100 Patientenjahre bezogen | n (%) | Ereignisse auf 100 Patientenjahre bezogen | |
gastrointestinale Beschwerden | ||||
insgesamt | 2084 (22,4%) | 18,22 | 3083 (32,9%) | 32,51 |
Nausea | 436 (4,7%) | 3,29 | 1362 (14,5%) | 12,01 |
Diarrhö | 521 (5,6%) | 3,96 | 760 (8,1%) | 6,3 |
psychiatrische Erkrankungen | ||||
insgesamt | 1989 (21,4%) | 17,12 | 3028 (32,3%) | 30,45 |
Angsterkrankung | 533 (5,7%) | 4,02 | 902 (9,6%) | 7,51 |
Depression | 424 (4,6%) | 3,18 | 716 (7,6%) | 5,87 |
depressive Verstimmung | 317 (3,4%) | 2,37 | 539 (5,8%) | 4,35 |
Insomnie | 427 (4,6%) | 3,22 | 521 (5,6%) | 4,21 |
Vorzeitiger Studienabbruch
Nach durchschnittlich 13,8 Monaten Behandlungsdauer wurde die Studie im Herbst 2008 vorzeitig abgebrochen. Der Grund hierfür waren Interventionen mehrerer Gesundheitsbehörden, da unter Rimonabant Suizide begangen wurden. Die Analyse der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten erbrachte folgende Ergebnisse:
- Den primären Studienendpunkt erreichten 3,9% der Rimonabant-Gruppe und 4% der Placebo-Gruppe (Hazard ratio 0,97; 95% Konfidenzintervall 0,84 bis 1,12; p = 0,68).
- unerwünschte Wirkungen traten signifikant häufiger in der Rimonabant-Gruppe auf als in der Placebo-Gruppe. Dies betraf gastrointestinale Ereignisse (33% vs. 22%), neuropsychiatrische Vorfälle (32% vs. 21%) und ernsthafte psychiatrische Begleiterscheinungen (2,5% vs. 1,3%); siehe Tabelle
- Vier Patienten der Rimonabant-Gruppe und einer der Placebo-Gruppe begingen Suizid, neun Probanden der Rimonabant-Gruppe und fünf der Placebo-Gruppe unternahmen einen Suizidversuch.
Auf Rimonabant waren große Hoffnungen gesetzt worden, doch die knapp vierzehnmonatige Einnahme von Rimonabant zeigt bei den Studienteilnehmern keine präventive Wirkung im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse und bestätigte die bislang bekannten unerwünschten Wirkungen. Ein Kommentator stellte hierzu die Frage, ob eine Verbesserung kardiovaskulärer Parameter durch eine längere Therapie die schweren unerwünschten Ereignisse in ein anderes Licht gesetzt hätte. So wie etwa der Nutzen einer Statintherapie das geringe Risiko einer Rhabdomyolyse aufwiegt. Jedoch seien bei präventiven Maßnahmen – anders als bei kurativen – schwerwiegende Nebenwirkungen inakzeptabel. Darüber hinaus werde ein Medikament, das die Folgen einer ungesunden Lebensweise ausgleichen soll, unter anderen Gesichtspunkten bewertet als medizinisch notwendige Arzneimittel. Folglich solle man sein Augenmerk besser auf eine vernünftige Ernährung und körperliche Aktivitäten richten.
Quelle Topol E., et al.: Rimonabant for prevention of cardiovascular events (CRESCENDO): a randomised, multicentre, placebo-controlled trial. Lancet 376, 517 – 523 (2010). Boekholdt S., et al.: Rimonabant: obituary for a wonder drug. Lancet 376, 489 – 499 (2010).
Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Abgesang auf ein WundermittelUrsprünglich wurde der selektive Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonist Rimonabant (Acomplia® ; Sanofi-Aventis) zur Raucherentwöhnung entwickelt. Eine entsprechende Zulassung wurde sowohl von der EU-Arzneimittelbehörde EMEA als auch von der amerikanischen Food and Drug Administration abgelehnt, da klinische Studien keinen ausreichenden Nachweis für die Wirksamkeit von Rimonabant zur Raucherentwöhnung erbrachten. 2006 wurde Rimonabant in der Europäischen Union zur Verminderung eines ernährungsbedingten Übergewichts bei Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren zentral zugelassen. Die Zulassung wurde unter der Voraussetzung eines sogenannten Risiko-Management-Plans erteilt, in dem die Sicherheit und Verträglichkeit von Rimonabant bei breiter Anwendung und außerhalb von klinischen Prüfungen überwacht werden musste. Bereits 2007 wurden weitere Anwendungsbeschränkungen auferlegt. Im Oktober 2008 informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass sich der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) dafür ausgesprochen hat, das Ruhen der Zulassung zu empfehlen. Im Zusammenhang mit der Anwendung von Rimonabant wurde seit der Zulassung in der Europäischen Union eine zunehmende Anzahl von Einzelfallberichten über psychiatrische Nebenwirkungen (vornehmlich depressive Verstimmungen oder Depressionen) bekannt. Das Nutzen-Schaden-Verhältnis von Rimonabant sei insgesamt neu zu bewerten. Es folgte die Empfehlung des BfArMs an die Ärzte, vorerst keine weiteren Verordnungen für Rimonabant vorzunehmen. Kurz darauf wurde das Mittel vom Markt genommen. [Quelle: www.bfarm.de] |
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