DAZ aktuell

Der Taler wird weiter wandern

BAD HOMBURG (ks). Die Zulässigkeit von Apothekenboni wird auch nach den Urteilen des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem vergangenen September ein heißes Thema bleiben. Dies zeigte sich am 3. Dezember beim 1. Bad Homburger Gesundheitsrechtstag der Wettbewerbszentrale. Der Rechtsanwalt Morton Douglas – selbst an einem der BGH-Verfahren beteiligt – sieht durch die Entscheidungen möglicherweise gar mehr Fragen aufgeworfen, als dass sie Antworten geben.

Nach den Urteilen des BGH liegt ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung nicht nur bei "glatten Rabatten" vor. Ein solcher sei auch dann gegeben, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Insbesondere ein über einen bestimmten Geldbetrag lautender Gutschein stellt dem BGH zufolge einen solchen Vorteil dar – das gleiche gelte aber auch für Taler oder ähnliches, die gegen Waren des täglichen Bedarfs eingetauscht werden können. Aus Sicht des BGH sind die Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Sachverhalte einschlägig. Da er mit dieser Meinung von der des Bundessozialgerichts abweicht, wird die endgültige Entscheidung dieser Frage jedoch erst vom angerufenen Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe getroffen werden.

Doch auch bei inländischen Fällen bedeutet der Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung nicht zwingend, dass die Gutscheinausgabe zugleich wettbewerbswidrig ist. Der BGH hält geringwertige Zugaben durchaus für zulässig, denn unterhalb einer Geringwertigkeitsschwelle seien sie nicht geeignet, die Interessen der Mitbewerber und sonstiger Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen. Konkret hielt das Gericht Gutscheine mit einem Wert von einem Euro noch für zulässig, bei fünf Euro sei die Wertgrenze jedoch überschritten. Aus Sicht des Anwalts Douglas dürfte die Grenze bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht weit über einem Euro liegen. Sollten Apotheker nun austesten wollen, wie weit sie gehen können, ist dies für Anwälte sicher "nicht unerfreulich".

Offene Fragen

Douglas verwies darauf, dass in den Entscheidungen unter anderem offen bleibe, ob die Wertgrenze pro Rezept oder pro Verschreibung gelte. Dem BGH hatten nur Fälle vorgelegen, bei denen es um Auslobungen pro Rezept ging. Die Regelung des § 7 HWG (Zuwendungsverbot und seine Ausnahmen) spreche jedoch für eine Auslobung pro Verschreibung, so Douglas. Gerade für Kunden mit vielen Verschreibungen könnte eine Summierung der Zuwendungen von Interesse sein. Nicht geklärt ist zudem die Frage, ob die Bagatellklausel auch bei Barrabatten gelten soll. Das Heilmittelwerbegesetz spricht eigentlich dagegen – zudem sei die Anlockwirkung solcher Rabatte vielfach größer als bei Gutscheinen. Douglas verwies auf ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München, demzufolge Barrabatte ausdrücklich nicht entgegen der Preisvorschriften gewährt werden dürfen, eine Bagatellklausel mithin nicht in Betracht komme (Urteil vom 28. Oktober 2010, Az.: 6 U 2657/09 – nicht rechtskräftig; siehe AZ 2010, Nr. 47). Klarheit wird aber auch hier erst eine weitere Entscheidung aus Karlsruhe bringen.

Douglas stört sich zudem daran, dass der BGH zwar die höchst unterschiedlichen Regelungszwecke des HWG und der Arzneimittelpreisverordnung herausstellt, die Geringwertigkeitsschwelle aber dennoch auf die Fälle überträgt. Was aus Sicht des Verbrauchers eine geringwertige Zugabe ist, könne im Wettbewerb zwischen Apotheken durchaus erheblich sein. Bei einer durchschnittlichen Apothekenvergütung von 7,20 Euro pro Packung sei ein Euro weniger sicherlich nicht zu vernachlässigen. Hier hätte sich der Anwalt tiefer gehende Ausführungen des BGH gewünscht.

Berufsrecht contra Wettbewerbsrecht

Letztlich muss sich auch zeigen, wie man berufsrechtlich mit Boni umgehen wird. Aus den Apothekerkammern ist zu hören, dass sie derartige Werbeaktionen kontrollieren werden. Sie können Verstöße gegen die Arzneimittelpreisverordnung auch unabhängig vom Wettbewerbsrecht ahnden. Und dass sie das vorhaben, haben sie bereits deutlich gemacht. Douglas gab zu bedenken, dass das deutsche Berufsrecht jedoch nicht auf ausländische Apotheken anwendbar ist. Damit bliebe es auch künftig bei einer Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Apotheken. Lutz Tisch, Geschäftsführer für Apotheken-, Arzneimittel- und Berufsrecht bei der ABDA, teilt die Sorge, auf deutsche Apotheken komme damit ein Wettbewerbsnachteil zu, jedoch nicht. Auch die ausländischen Versandapotheken müssten dem Arzneiliefervertrag beitreten. Damit verpflichteten sie sich zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung.

Dass es erfinderische Apotheken gibt, die mit ihren besonderen Boni Kammern wie Gerichte noch eine Weile beschäftigen werden, zeigt ein Fall, der Rechtsanwältin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale bereits untergekommen ist: So wirbt etwa eine Apotheke damit, dass für jedes bis zum 23. Dezember eingelöste Rezept ein Euro für einen guten Zweck gespendet wird.

Weites Feld Gesundheitsrecht


Die Wettbewerbszentrale – eine Institution der Selbstkontrolle der deutschen Wirtschaft – hat den Wettbewerb im Blick. Dabei wirft sie auch stets ein wachsames Auge auf das Gesundheitswesen, insbesondere Krankenkassen, Ärzte und Apotheker. Wo sie Wettbewerbsverstöße annimmt, greift sie ein. Wie weit das Feld des Gesundheitsrechts ist, zeigte sich auch beim 1. Bad Homburger Gesundheitsrechtstag, den die Wettbewerbszentrale letzte Woche veranstaltet hat. Rechtsprofessoren, Anwälte und Vertreter der Wettbewerbszentrale beleuchteten strittige Materien und diskutierten mit den Teilnehmern. Gekommen waren unter anderem Interessierte aus Apothekerorganisationen, von Krankenkassen und Anwaltskanzleien. Der nächste Gesundheitsrechtstag ist bereits in Planung: Er soll am 25. November 2011 in Bad Homburg stattfinden.

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