Arzneimittel und Therapie

Rasches Handeln ist nötig

Ein akuter Herzinfarkt erfordert rasches Handeln. Wenn die verstopften Herzkranzgefäße schnell wieder durchgängig gemacht werden, können Gewebeschäden verhindert werden. Ziel ist es, durch den möglichst frühen Einsatz kathetergestützter Interventionen und den Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern das Ausmaß der Myokardschäden zu reduzieren und die Restenoseraten deutlich zu senken.
Drug eluting stent Um das unerwünschte Zellwachstum zu verhindern, werden heute meist Arzneimittel freisetzende Koronarstents eingesetzt, die mit proliferationshemmenden Substanzen wie Sirolimus oder Paclitaxel beschichtet sind.
Foto: Aktion Meditech

Meistens äußert sich ein Infarkt mit typischen Symptomen. Dazu gehören anhaltende starke Schmerzen im Brustbereich, die in die Schultern, Arme, Unterkiefer und Oberbauch ausstrahlen können und häufig von Schweißausbrüchen, Übelkeit und Erbrechen begleitet werden.

Nach 15 bis 30 Minuten beginnt der Herzmuskel, abzusterben. Als Folge der massiven Schäden sterben in den ersten vier Wochen zwischen 40 bis 50% der Patienten. Wird der Infarkt überlebt, ist meist der Herzmuskel geschädigt und die Leistungsfähigkeit des Herzens oft dramatisch eingeschränkt.

Engstelle beseitigen

Jetzt ist notfallmäßiges schnelles Handeln entscheidend, um Herzmuskelzellen vor dem Untergang zu retten. In der Klinik wird als erste Maßnahme eine Koronarangiographie durchgeführt, um die verengte Stelle zu lokalisieren.

Um dort den Thrombus aufzulösen, wurde früher oft Streptokinase eingesetzt. Heute wird die Engstelle chirurgisch mit einem Ballonkatheter aufgedehnt, der durch eine Oberschenkelarterie eingeführt und bis zum Herzen vorgeschoben wird. Das Verfahren wird als PTCA, als perkutane transluminale Angioplastie, bezeichnet. Meistens wird anschließend an der erweiterten Stelle ein kleines Metallröhrchen implantiert. Dieser Stent soll das Gefäß offen halten.

Beschichtete Stents verhindern Rückfälle

Bei der mechanischen Erweiterung wird das Blutgefäß gewaltsam aufgedehnt und dabei an vielen Stellen verletzt. An diesen Stellen können sich neue Thromben bilden und eine erneuten Infarkt auslösen. Auch das Metall des Stents wirkt als Fremdkörper, der eine Thrombusbildung aktiviert. Daher muss jeder Patient unmittelbar nach einer Stent-Operation eine wirksame antikoagulative Therapie erhalten.

In rund 30% der Fälle wird ein Metallstent von Zellen in der Gefäßwand so stark überwuchert, dass sich das Gefäß erneut verengt (Restenosierung). Um das unerwünschte Zellwachstum zu verhindert, werden heute meistens Stents eingesetzt, die mit proliferationshemmenden Substanzen beschichtet sind. Diese werden aus dem Stent in kleinen Mengen freigesetzt und verhindern das Zellwachstum. Heute werden vor allem zwei Wirkstoffe eingesetzt: das Immunsuppressivum Sirolimus und das Zytostatikum Paclitaxel.

Thrombozytenaggregation hemmen

Nach einem Herzinfarkt und nach dem Einsetzen eines Stents müssen neue thrombotische Gefäßverschlüsse verhindert werden. Um die Thrombozytenaggregation zu hemmen, erhalten alle Patienten in der Regel Acetylsalicylsäure in einer niedrigen Dosis von 100 mg täglich, zusätzlich dazu 75 mg Clopidogrel pro Tag. Diese duale Therapie wird bei nicht beschichteten Stents über vier Wochen, bei beschichteten Stents zwölf Monate lang durchgeführt.

Clopidogrel wirkt jedoch nicht bei jedem Patienten gleich gut und hat zahlreiche Nachteile. Als Prodrug muss es in zwei Schritten durch körpereigene Enzyme aktiviert werden. Wenn diese Enzyme nicht ausreichend aktiv sind, zum Beispiel aufgrund von genetischen Variationen, ist die Wirkung von Clopidogrel abgeschwächt, und die Thrombosegefahr steigt. Ebenso kann seine Wirkung unzuverlässig sein, wenn gleichzeitig Wirkstoffe eingenommen werden, die die Metabolisierung von Clopidogrel hemmen oder fördern. Zum Beispiel können Erythromycin, Calciumantagonisten und Protonenpumpenhemmer die Wirkung von Clopidogrel abschwächen.

Ticagrelor schützt besser als Clopidogrel

Alternativen sind Prasugrel, das im April 2009 eingeführt wurde und das neue Ticagrelor, das noch in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. Ticagrelor wirkt genauso stark wie Prasugrel und weist einen größeren und beständigeren gerinnungshemmenden Effekt als Clopidogrel auf. Im Gegensatz zum Thienopyridin Clopidogrel bindet das ATP-Analogon Ticagrelor reversibel an ADP-Rezeptoren von Subtyp P2Y12 auf Thrombozyten. Die Wirkung von Ticagrelor ist nach dem Absetzen rasch innerhalb von drei bis vier Tagen reversibel, was bei Blutungskomplikationen von Vorteil sein kann. Ein weiterer Vorteil von Ticagrelor:

Ticagrelor Der neue orale Thrombozytenaggregationshemmer Ticagrelor (vorgesehener Handelsname Brilinta®) ist schneller und stärker wirksam als Clopidogrel und soll Mitte 2010 auf den Markt kommen.

Es ist kein Prodrug und benötigt für seine Aktivierung keine Leberenzyme. Dadurch tritt die Wirkung schneller ein, und ist besonders zu Beginn auch stärker. Außerdem ist die Gefahr von Wirkungsschwankungen und Wechselwirkungen bei Ticagrelor geringer als bei Clopidogrel. In Zukunft könnten zur Thromboseprophylaxe beim akuten Herzinfarkt auch der direkte Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban und der direkte Thrombininhibitor Dabigatran eingesetzt werden, die für diese Indikation derzeit jedoch noch nicht zugelassen sind.

Arzneimittel nach dem Infarkt

Nach einem Infarkt können auch verschiedene andere Arzneimittel das Risiko für einen weiteren Infarkt senken. An erster Stelle stehen hier Betablocker. Bei erhöhten Blutfettwerten werden Statine eingesetzt. Zur Prophylaxe eignen sich außerdem Nitrate und Calciumkanalblocker.

Blick in die Zukunft: Stammzellforschung

Der Traum, dass sich zerstörtes Herzgewebe nach einem Infarkt wieder herstellen lässt, hat sich bis heute nicht erfüllt. Zwar wurden in den letzten Jahren immer wieder Berichte veröffentlicht, nach denen es gelungen sein soll, tierisches oder menschliches Herzmuskelgewebe mithilfe von Stammzellen zu regenerieren. Alle bisher veröffentlichten Erfolgsmeldungen basieren lediglich auf einzelnen Berichten, die in späteren Untersuchungen meist nicht nachvollzogen werden konnten. So konnte bisher nicht schlüssig gezeigt werden, dass Regenerationsvorgänge tatsächlich stattfinden, und bisher konnten weder Stammzellen aus dem Knochenmark noch embryonale Stammzellen Herzmuskelgewebe nachweisbar in relevantem Ausmaß regenerieren. Deshalb wird eine derartige Therapie zum jetzigen Zeitpunkt als nicht erfolgversprechend angesehen.

Pluripotente Zellen

Näher an der praktischen Anwendung sind Methoden des Tissue engineering, mit denen neue Herzmuskelzellen außerhalb des Körpers kultiviert werden. Diese können dann zum Beispiel dem geschädigten Herzmuskel implantiert werden und seine Funktion unterstützen, was im Tierversuch bereits erfolgreich war. Eschenhagen stellte ein Modell vor, mit dem es in Zukunft möglich sein könnte, an kultivierten Zellen eines Patienten beispielsweise geeignete Therapiemöglichkeiten auszutesten. Dazu werden sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) verwendet, die laut Eschenhagen "neue Dimensionen in der Zellforschung" eröffnen. Diese Zellen werden nicht aus embryonalen Stammzellen gewonnen. Bei der neuen Methode werden autologe Stammzellen verwendet. Dazu wird dem Patienten Gewebe entnommen, zum Beispiel ein Stück aus der Haut. In den vergangenen Jahren wurden mehrere sogenannte Reprogrammierungsfaktoren entdeckt, die diese Zellen umprogrammieren und eine Pluripotenz induzieren können. Dabei werden in den Zellen zentrale, ruhende Entwicklungsgene aktiviert, so dass sie in eine Art embryonalen Zustand zurückversetzt werden. Damit erlangen sie die Eigenschaften von Stammzellen und können sich weiter ausdifferenzieren, zum Beispiel zu Herzmuskelzellen.

Quelle Nach Vorträgen von Prof. Dr. Heinz Völler, Rüdersdorf; Prof. Dr. Thomas Eschenhagen, Hamburg; Dr. Dietmar Trenk, Bad Krozingen, Pharmacon Davos, 7. bis 12. Februar 2010.

 

hel

Zum Weiterlesen


PHARMAKO-LOGISCH!

Kardiale Erkrankungen: Wenn der Pumpenkreislauf stockt.

DAZ 2009, Nr. 39, S. 62–106.

www.deutsche-apotheker-zeitung.de

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